Wie Brasilien den USA nacheifert, ist zuweilen bizarr. Im grössten Land Südamerikas gibt es Menschen mit den Vornamen Valdisnei oder Usnavi. Ihre Eltern haben sich an Walt Disney beziehungsweise der U.S. Navy orientiert.
Mit der Wahl von Jair Bolsonaro (63) Ende Oktober haben die Brasilianer die USA wieder kopiert. Beide Länder haben jetzt einen Präsidenten, der die Bevölkerung spaltet. «Tropen-Trump» wird Bolsonaro wegen seiner Parallelen und Sympathien zum US-Präsidenten oft genannt.
Jetzt haben sie eine weitere Gemeinsamkeit: Kaum treffen sie in Davos auf WEF-Gründer Klaus Schwab (80), werden sie handzahm.
In der Aussenpolitik diplomatisch
Trump verwandelte sich vor einem Jahr, als er trotz selbst angezetteltem Handelskrieg auf gut Wetter machte. Bolsonaro tats ihm gestern Nachmittag gleich, beschwor plötzlich Umweltschutz und nahm Abstand von seiner Wahlkampf-Hetze gegen Minderheiten.
Beide folgen der Logik, in der Innenpolitik hart und provokativ zu sein, gegen aussen aber sanft aufzutreten, wenns dem Zweck dient.
Die Geschichte dazu: Die Brasilianer haben es satt, in einem durch und durch korrupten und gewalttätigen Land zu leben. Bolsonaro versprach vor der Wahl, dagegen vorzugehen.
Dass er seinen Sohn als «besser tot als schwul» bezeichnete, schadete ihm nicht. Dass er, der ehemalige Fallschirmjäger, die brutale Militärdiktatur zwischen 1964 und 1985 lobte, auch nicht.
Opfer fürs WEF
Denn selbst jene, die nie diesen Polit-Stil wählen würden, werteten seine Auftritte als Zeichen dafür, dass Bolsonaro nicht zum Establishment gehört. Genauso wie sich Trump durch seine Twitter-Tiraden vom Polit-Kuchen in Washington abgrenzen konnte, den seine Wähler für ihren Niedergang verantwortlich machten.
Auf dem internationalen Parkett führt diese Rhetorik aber nicht weit. So schlau sind beide, beziehungsweise so gut sind sie beraten.
Also kopierte Bolsonaro Trump gestern ein weiteres Mal und frass für seinen Auftritt Kreide. Zugunsten des WEF hatte er sogar eine Operation, bei dem ihm ein Beutel an einem künstlichen Dickdarmausgang entfernt wird, nach hinten verschoben. Bolsonaro war im September während einer Wahlkampfveranstaltung niedergestochen worden und hatte nur knapp überlebt. Ja, die Fronten in Brasilien sind noch verhärteter als in den USA.
Wer’s glaubt ...
Als er neben Klaus Schwab auf der Bühne steht, verkauft Bolsonaro Brasilien als Wirtschaftsstandort. «Wir waren bisher zu wenig offen für Investitionen aus dem Ausland. Das wird sich ändern.» Er wolle die Steuern senken und den Staatshaushalt ausgleichen. Das klingt glaubwürdig.
Hinter dem Rest stehen dagegen viele Fragezeichen. «Wir werden die Menschenrechte schützen», versuchte er die Vorwürfe, er zeige faschistische Züge, zu entkräften. Die Ausfälle im Wahlkampf lassen anderes befürchten.
«Wir sind weltweit das Land mit der grössten Waldfläche. Wir werden ihr Sorge tragen», verteidigte er seinen Umgang mit dem Regenwald. Dagegen spricht, dass er in den wenigen Tagen im Amt schon mehrere Massnahmen beschlossen hat, die die Abholzung wohl massiv beschleunigen werden. Profitieren werden die starken Agrarfirmen, verlieren werden Ureinwohner und Umwelt.
Die Frage ist, ob jemand das Gesäusel glaubt. Das Vorbild aus den USA hat die Versprechen letztes Jahr schnell gebrochen.
Vom 21. bis 24. Januar findet wieder das World Economic Forum (WEF) in Davos statt. Rund 2500 internationale Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft treffen sich zum Austausch.
Vom 21. bis 24. Januar findet wieder das World Economic Forum (WEF) in Davos statt. Rund 2500 internationale Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft treffen sich zum Austausch.