Peter Altmaier (60, CDU) ist von beeindruckender Statur. Doch dem Hünen liegen geschliffene Argumente mehr als politisches Gepolter. Beim Gespräch im Kaminsaal des Davoser Hotels Seehof unterbricht einzig die kühle Zugluft seinen Redeschwall für einige Sekunden. Kaum sitzt der deutsche Wirtschaftsminister in einem anderen Sessel, setzt er seine Ausführungen nahtlos fort. Über die Schweiz, deutsche Politik und Europa könne er stundenlang reden, sagt er. Man glaubts ihm aufs Wort.
Herr Altmaier, die Konjunkturaussichten trüben sich ein. Droht Europa ein Abschwung?
Peter Altmaier: Es gibt weltweit keine Überhitzung und keine Situation wie während der Finanz- und Bankenkrise. Aber im Hinblick auf den Brexit und den Handelskonflikt zwischen China und den USA steigt die Unsicherheit. Das bremst die wirtschaftliche Dynamik. Die Politik hat aber die Chance, sowohl einen ungeordneten Brexit zu verhindern, als auch mit den Amerikanern zu einer Einigung in der Handelspolitik zu kommen.
Würde ein Abschwung die populistischen Kräfte bei der Europawahl im Mai stärken?
Da gibt es keinen direkten Zusammenhang. Das letzte Jahr war gut für die Wirtschaft – und trotzdem hatten die Populisten Zulauf. In Deutschland haben die vergangenen Reformen die Arbeitslosigkeit gesenkt und die Wirtschaft gestärkt. In vielen anderen europäischen Ländern scheitern solche Reformen, unter anderem weil man sich zu wenig Zeit nimmt, zu zögerlich ist oder die Menschen nicht mitnimmt. Das hat in Frankreich und Italien die soziale Ungleichheit vergrössert und den Populisten Auftrieb gegeben.
Und in Deutschland ist dennoch eine AfD entstanden.
Die Globalisierung hat bei manchen Wählern zu Entfremdung geführt. Die aufgeheizte Stimmung in Sachen Migration und Islam hat weiteren Nährboden für die AfD bereitet. Nicht zuletzt, weil das bürgerliche Lager – CDU, CSU und SPD – lange keine gemeinsame Linie gefunden hat.
Thema Rahmenabkommen: Wie weit kann die EU der Schweiz entgegenkommen?
Darüber habe ich in Davos mit Ihrem Bundespräsidenten gesprochen ...
Ueli Maurer möchte nachverhandeln.
Die Schweiz befindet sich in einem nicht ganz einfachen Prozess der politischen Meinungsbildung. Dazu kommt noch eine Ablenkung durch die Europawahlen und die Wahlen in der Schweiz im Herbst. Die Lehre aus der Vergangenheit zeigt, dass sich beide Seiten respektieren müssen und sich nicht überfordern dürfen.
Klingt, als könnte zu einem späteren Zeitpunkt noch verhandelt werden.
Wir müssen uns über den zeitlichen Ablauf abstimmen. Das sind aber Verhandlungen der EU und nicht Deutschlands mit der Schweiz. Aber wir Deutschen haben eine Verantwortung gegenüber unseren Nachbarn, der Schweiz. Vielleicht auch, weil wir uns gut verstehen.
Inwiefern?
Das langjährige Erfolgsrezept der Schweiz ist ihre lange, gründliche politische Diskussion. Damit vermeidet sie Fehler und ist ein Vorbild. Davor habe ich einen hohen Respekt. Ich wünsche mir, dass ein Rahmenabkommen zustande kommt. Das bedeutet aber auch, dass wir diese Verhandlungen nicht übers Knie brechen dürfen und wollen.
Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn möchte deutsche Ärzte aus der Schweiz zurückholen. Will Deutschland noch andere Fachkräfte repatriieren?
Mein Kollege Spahn freut sich über jeden Arzt, der in Deutschland bleibt oder zu uns zurückkommt. Das ist auch gut so. Es gehört aber zur europäischen Freizügigkeit, dass Menschen dort arbeiten dürfen, wo sie möchten. Tatsache ist, dass die europäische Gesellschaft überaltert ist und Fachkräfte in vielen Ländern fehlen, auch in Deutschland.
Was lässt sich dagegen tun?
Mit unserem neuen Fachkräfte-Einwanderungs-Gesetz setzen wir in Deutschland einen Schlusspunkt hinter eine lange Debatte. In dieses Gesetz fliessen auch Erfahrungen aus der Schweiz ein. Ihr Land hat bei den Einwanderungswellen in der Vergangenheit klüger gehandelt, sich schon früher Gedanken über mögliche soziale Folgen gemacht.
Trotzdem hat die einwanderungskritische SVP schon viel länger Erfolg als die deutsche AfD.
Richtig! Aber ich möchte die Schweiz auch mal loben. Wir hatten mal einen Finanzminister, der wollte die Kavallerie schicken ... Das wirkte lange nach!
Sie loben die Schweiz. Wie verliefen Ihre Gespräche mit den Bundesräten?
Sehr positiv. Ich traf Bundespräsident Maurer und Wirtschaftsminister Parmelin. Ich glaube, wir können unser Verhältnis auf eine neue, noch bessere Grundlage stellen. Gerade Deutschland kann aus der Zusammenarbeit mit der Schweiz viel lernen.
Seit März 2018 amtet Peter Altmaier als deutscher Wirtschaftsminister im Kabinett von Angela Merkel. Zuvor leitete er etwa das Ressort Umwelt und war Chef des Kanzleramts. Der 1960 geborene Jurist erlebte als Beamter der Europäischen Kommission das Schweizer Nein zum EWR-Beitritt 1992. Zwei Jahre später kam er in den deutschen Bundestag.
Seit März 2018 amtet Peter Altmaier als deutscher Wirtschaftsminister im Kabinett von Angela Merkel. Zuvor leitete er etwa das Ressort Umwelt und war Chef des Kanzleramts. Der 1960 geborene Jurist erlebte als Beamter der Europäischen Kommission das Schweizer Nein zum EWR-Beitritt 1992. Zwei Jahre später kam er in den deutschen Bundestag.