Darum gehts
- Generationsschere bei Immobilienbesitz: Junge Familien haben es schwerer als Rentner
- Experte: Früher war Immobilienkauf hart, heute anders hart mit hohen Einstiegshürden
- Über 1200 Kommentare zum Thema auf Blick, Debatte über Fairness am Immobilienmarkt
Jeder zweite Rentner besitzt ein Eigenheim – aber junge Familien gehen leer aus. Die Generationsschere geht immer weiter auseinander. Die neuen Daten des Bundesamts für Statistik (Bfs) löste unter den Blick-Leserinnen und Lesern eine regelrechte Debatte aus. Über 1200 Kommentare gingen zum Thema ein – und die Reaktionen fielen teilweise heftig aus. Wie fair ist die Lage auf dem Immobilienmarkt wirklich?
Blick hat die vier Kernpunkte der Diskussion aus der Blick-Community mit Immobilienexperte Donato Scognamiglio (55) besprochen. Der Verwaltungsratspräsident der Immobilienberatungsfirma Iazi und Zürcher EVP-Kantonsrat nimmt Stellung:
Kosten: War es früher wirklich billiger?
Blick-Leser Stefan Walser: «Als die heutigen Pensionäre ihr Wohneigentum erworben haben, waren die Preise auch sehr hoch und die Hypothekarzinsen betrugen zwischen 5 bis 8 Prozent. Es war deshalb sparen angesagt. Die Ferien wurden zu Hause verbracht und das Hobby war die Gartenpflege. So konnten nicht nur die Zinsen bezahlt, sondern oft ein Grossteil der Hypothek beglichen werden.»
Donato Scognamiglio: «Der Immobilienkauf war schon immer ein Kraftakt. Wer 1990 ein Haus kaufte, zahlte oft Hypothekarzinsen von 7 Prozent oder mehr – das war brutal. Ein typisches Einfamilienhaus auf dem Land kostete zwar ‹nur› 500’000 Franken, aber bei einem Medianlohn von 50’000 Franken war das kaum stemmbar. Eine Hypothek über 400’000 Franken bei 6 Prozent bedeutete über 24’000 Franken Zinsbelastung im Jahr – fast die Hälfte des Einkommens! Ferien? Gestrichen. Jeder Rappen floss ins Eigenheim. Und viele verloren es wieder, als die Preise in den 90er-Jahren fielen, die Zinsen aber allenfalls fixiert blieben. Heute sind die Preise explodiert – dafür sind die Zinsen historisch tief. Mit unter 2 Prozent Zins und zwei Einkommen ist die monatliche Belastung oft besser tragbar. Dafür sind die Einstiegshürden enorm: Eigenkapital, Tragbarkeitsregeln, hohe Preise. Mein Fazit: Früher war es hart – heute ist es anders hart.»
Wohnraum: Gibt es Alternativen für Rentner?
Blick-Leser Thierry Steiner: «Baut endlich genug erschwinglichen Wohnraum und die Rentner gehen noch so gerne in kleinere, altersgerechte Wohnungen. Aber solange kleine Wohnungen das Dreifache oder mehr kosten als die Einfamilienhäuser, ändert sich mit Recht nichts.»
Donato Scognamiglio: «Warum sollte eine ältere Person ihr Haus verlassen, wenn sie noch fit ist, sich wohlfühlt und im vertrauten Umfeld lebt? Für viele wäre ein Umzug ein tiefer Einschnitt – emotional wie sozial. Es geht hier nicht einfach um Wohnfläche, sondern um Heimat, Nachbarschaft, Erinnerungen. Was mich persönlich stört, ist der unterschwellige Vorwurf gegenüber der älteren Generation. Diese Menschen haben nach dem Krieg viel geleistet, sie haben gespart, investiert, gepflegt – und damit die Basis für unseren heutigen Wohlstand gelegt. Ihnen jetzt mit Vorschriften zu kommen, finde ich respektlos. Und selbst wenn viele bereit wären, in eine kleinere, altersgerechte Wohnung zu ziehen: Diese sind entweder kaum vorhanden oder deutlich teurer als das bestehende Eigenheim. Solange das so ist, braucht man sich nicht zu wundern, dass viele bleiben, wo sie sind – völlig zu Recht.»
Sparen: Haben die Jungen heute unrealistische Vorstellungen?
Blick-Leserin Gabriela von Büren: «Es ist ja nicht so, dass wir – die ‹Alten› – unsere Eigenheime gratis bekommen haben. Wir haben mindestens 100 Prozent gearbeitet (Mann 100 Prozent, Frau eventuell 50 Prozent), wir hatten keine Work-Life-Balance, keine Ferien, wenn überhaupt nur ein Auto, kein Auswärtsessen und – wenn überhaupt – nur kleine Ausflüge mit der Familie gemacht. Es geht halt nicht alles. Verzicht war und ist angesagt. Dann klappt es auch bei den Jungen. Und nur das ausgeben, das man auch verdient. Ist vielleicht nicht mehr modern, aber eventuell lohnt es sich.»
Donato Scognamiglio: «Sie sprechen mir aus dem Herzen – auch wenn ich selbst noch nicht im Pensionsalter bin. Die ältere Generation hat ihr Eigenheim nicht geschenkt bekommen. Im Gegenteil: Viele haben hart gearbeitet, auf vieles verzichtet, ihre Häuser instandgehalten und über Jahrzehnte Hypothekarschulden abbezahlt. Heute leben sie oft mit bescheidenen Renten in Immobilien, die zwar im Wert gestiegen sind, aber auch Unterhalt und Verantwortung mit sich bringen. Das Problem liegt nicht bei den heutigen Eigentümern, sondern bei der strukturellen Entwicklung des Marktes: Der Boden ist knapp, die Schweiz wirtschaftlich erfolgreich, die Nachfrage nach Wohnraum steigt – das treibt die Preise. Für junge Familien ist es dadurch tatsächlich immer schwieriger geworden, ein bezahlbares Zuhause zu finden. Aber das sollte nicht zu einem Generationenkonflikt führen. Wir brauchen Lösungen, nicht Schuldzuweisungen – mehr Angebot, mehr bezahlbarer Wohnraum, und eine langfristige Bodenpolitik.»
Zuwanderung: Braucht es eine Beschränkung?
Blick-Leser Daniel Bucher: «Als ich mit knapp 30 Jahren mein Haus gekauft habe, war es richtig teuer. Man musste sich einschränken und verzichten. Dazu sind heute viele nicht mehr bereit. Besonders, wenn alle noch mehr Zuwanderung wollen. Man kann eben nicht alles haben. Beschränkt die Zuwanderung und die Hauspreise werden stagnieren. Ich habe Hypotheken abbezahlt und lebe heute billiger als in einer Mietwohnung.»
Donato Scognamiglio: «Ja, weniger Zuwanderung würde den Druck auf die Immobilienpreise verringern – aber nicht nur dort: Auch das Wirtschaftswachstum und letztlich unser Wohlstand würden stagnieren. Die entscheidende Frage lautet also: Welche Schweiz wollen wir? Wie viel Wohlstand – und zu welchem Preis? Gleichzeitig spüren wir in der Bevölkerung eine gewisse Wachstumsmüdigkeit. Das ist verständlich, aber wir müssen die Konsequenzen ehrlich benennen: Weniger Zuwanderung bedeutet auch weniger Arbeitskräfte, weniger Innovation – und langfristig ein höheres Belastungsniveau für die verbleibende Erwerbsbevölkerung. Ein kleiner Hoffnungsschimmer: In den nächsten 10 bis 20 Jahren werden viele Babyboomer in Rente gehen – und ihre Immobilien dereinst auf den Markt bringen. Das wird den Druck etwas lindern. Aber das hilft kaum jemandem, der heute eine Wohnung oder ein Haus sucht. Deshalb brauchen wir jetzt Lösungen: beim Boden, bei der Planung, beim Bauen. Und eine ehrliche Debatte über unsere demografische Zukunft.»