Unspektakulär, aber erfolgreich – Schweizer Reiseanbieter mit Wachstum
Wie sich Twerenbold gegen die ausländische Konkurrenz behauptet

Mit Busreisen und Flusskreuzfahrten setzt der Aargauer Reiseanbieter auf klimafreundliche Angebote – und zielt auf zahlungskräftige Babyboomer ab. Ein Einblick ins Geschäft des Familienunternehmens, das nicht die grosse Aufmerksamkeit sucht.
Publiziert: 15:06 Uhr
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Aktualisiert: 15:19 Uhr
Karim Twerenbold: Der bodenständige Patron wächst mit seinem Familienunternehmen prozentual zweistellig.
Foto: PR

Darum gehts

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Erich Bürgler
Bilanz

Wer Freunden von einer Ferienfahrt im Bus erzählt, erntet kaum bewundernde Blicke. Diese Art des Unterwegsseins gilt als wenig spektakulär, gar etwas angestaubt. Die Kundschaft des Reiseanbieters Twerenbold scheint dies jedoch nicht zu stören – ebenso wenig wie Karim Twerenbold, der das Aargauer Familienunternehmen in vierter Generation steuert. «Busferien wurden schon immer ein wenig belächelt – doch das kümmert uns nicht. Mit unseren Angeboten befinden wir uns auf Wachstumskurs», sagt er.

Während die Migros das von ihrem Gründer Gottlieb Duttweiler ins Leben gerufene Reisebüro Hotelplan mangels Zukunftsperspektiven im Konzern nach Deutschland verkauft hat, zeigt Twerenbold, dass sich ein Schweizer Unternehmen gegen ausländische Konkurrenz durchsetzen kann. Das Ferienfest des Unternehmens im März war ein voller Erfolg. In den Hallen in Rütihof bei Baden, wo üblicherweise viele der 80 Twerenbold-Busse stehen, drängten sich an drei Tagen rund 3500 Besucherinnen und Besucher. In drei improvisierten Kinosälen wurden Reisedestinationen gezeigt – oft solche, die auch ohne Flugzeug in Reichweite liegen. «Sowohl die Besucherzahl als auch die Buchungen waren beim Ferienfest auf rekordverdächtigem Niveau», sagt Karim Twerenbold.

Um mit Twerenbold zu verreisen, kann man oft aufs Flugzeug verzichten. Das ermöglicht klimaschonende Ferien.
Foto: PR

Unter dem Radar

Die Party findet alljährlich statt, doch dieses Jahr feiert Twerenbold das 130-jährige Bestehen. Neben Carreisen sind Flussfahrten auf Elbe, Seine, Donau und anderen Gewässern ein wichtiges Standbein der Gruppe. Sie laufen unter den Marken Reisebüro Mittelthurgau und Excellence. Wanderferien mit Imbach und Fern- destinationen von Vögele Reisen gehören ebenfalls zur Firma, die zuletzt deutlich gewachsen ist. «Im Jahr 2024 konnten wir beim Umsatz gruppenweit prozentual knapp zweistellig zulegen.»

Artikel aus der «Bilanz»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Bilanz» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du unter bilanz.ch.

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Trotz des Erfolgs bleibt Karim Twerenbold mit der Firma, die der 40-Jährige zusammen mit seiner Mutter Nazly Twerenbold besitzt, ausserhalb der Branchenportale weitgehend unter dem Radar, wenn es um die Berichterstattung über die Reiseindustrie geht. Zum «Ausverkauf der Schweiz» nach der Übernahme von Hotelplan durch Dertour äusserte sich Globetrotter-Chef André Lüthi in Interviews von «Blick» bis «Tages-Anzeiger» – und betonte dabei auch gleich, dass er nun das grösste unabhängige Reiseunternehmen im Land führe. Ganz nebenbei, versteht sich.

Solche Aufmerksamkeit sucht Karim Twerenbold nicht. Obwohl er als Mitglied des Verwaltungsrats des Migros-Konkurrenten Coop gleich doppelt prädestiniert für sachverständige Kommentare zum Thema wäre. Als Familienunternehmen bleibt man eben gerne etwas unter sich. Den Hotelplan-Verkauf der Migros sieht er weniger dramatisch als Lüthi. Dass die Migros-Führungsriege Reisebüros nicht zum Kerngeschäft zählt, könne er grundsätzlich nachvollziehen. «Natürlich bedaure ich, dass Hotelplan die Eigenständigkeit verloren hat. Gleichzeitig sehe ich, dass bei Kuoni – ebenfalls Teil von Dertour – weiterhin viele vertraute Gesichter engagiert tätig sind, die tolle Arbeit leisten.»

Mit 28 Jahren zum Chef geworden

Die rein schweizerischen Anbieter werden immer weniger: Neben Globetrotter und Twerenbold gehört Knecht Reisen zu den bekannten unabhängigen Reiseveranstaltern. Im Massengeschäft mit Badeferien am Mittelmeer mischt keiner dieser Spezialisten mit. Dort zählt Grösse, um die nötigen Einkaufsvolumen zu erreichen.

Rund 80 Busse gehören zur Twerenbold-Flotte. In der Hochsaison könnte das Unternehmen noch deutlich mehr Fahrzeuge füllen. Doch die Auslastung soll übers Jahr verteilt stimmen. Neben Cars für Ferienreisen betreibt Twerenbold auch Postautos für den öffentlichen Verkehr.
Foto: PR

Karim Twerenbold geriet abrupt in die Rolle des Patrons – wenn auch nicht unvorbereitet. Bereits mit 28 Jahren übernahm er 2013 die operative Gesamtverantwortung fürs Unternehmen. Zuvor hatte er das Geschäft von der Pike auf gelernt und auch während des Betriebsökonomiestudiums immer wieder für die Firma gearbeitet. Er schrieb Rechnungen, stellte Reiseprogramme zusammen und war Teil des Verkaufsteams.

Vorgesehen war, dass Vater Werner als Präsident und Sparringspartner seinem Sohn in der operativen Führung zur Seite stünde. Zusätzlich wollten die beiden einen Verwaltungsrat mit externen Mitgliedern aufbauen. 2015 kam der Schock: Werner Twerenbold starb im Alter von 69 Jahren an den Folgen eines Velounfalls. Karim übernahm auch das Präsidium. Eine stabile Geschäftsleitung mit vielen langjährigen Mitarbeitenden half ihm, beruflich und persönlich durch die schwierige Zeit zu kommen. «Im Nachhinein kann ich sagen, dass mich mein Vater, ohne dass ich das gemerkt habe, sehr gut auf diese Rolle vorbereitet hat», sagt Karim Twerenbold heute. Er ist Präsident und lenkt die Gruppe auch operativ. Für die einzelnen Bereiche sind CEOs verantwortlich. Seine Frau Andrea arbeitet ausserhalb des Unternehmens für ein Family Office.

Babyboomer sind die Zielgruppe

Nach der Pandemie konnte Twerenbold schnell in den Wachstumsmodus umschalten. Im Gegensatz zu anderen Reiseveranstaltern und Airlines verzichtete das Unternehmen auf Massenentlassungen. «Den Aufschwung nach Covid konnten wir voll ausschöpfen. Wir mussten nicht erst Personal suchen.» Twerenbold, dessen Umsatz Branchenkenner auf 150 bis 200 Millionen Franken schätzen, richtet sich vor allem an ältere Reisende. Besonders bei den Flussfahrten liegt das Durchschnittsalter klar jenseits des Pensionierungsalters.

Das hat seinen Grund: Diese Art des Reisens ist komfortabel. Innerhalb kurzer Zeit sehen die Passagiere zahlreiche Städte und Sehenswürdigkeiten – auch weniger bekannte, die nicht bereits von anderen Touristen geflutet sind. Die Anlegestellen der im Verhältnis zu Kreuzfahrtschiffen kleinen Boote sind zudem oft zentral gelegen. Karim Twerenbold setzt auf die Generation der Babyboomer – was für das Unternehmen bezüglich der Zielgruppe eine Revitalisierung bedeutet. «Wir haben die Boomer schon vor knapp zehn Jahren als wichtige Zielgruppe definiert. Damit verjüngen wir den Altersdurchschnitt unserer Kundschaft», sagt der Unternehmenslenker.

Das Kundensegment ist zahlungskräftig und anspruchsvoll. Bis zu vier Gastrokonzepte pro Flussschiff sorgen für kulinarische Abwechslung. An den jeweiligen Destinationen können die Gäste zwischen Aktivitäten wie klassischen Konzerten, E-Bike-Touren oder Stadtrundgängen mit privaten Guides wählen. Dem Trend hin zu einem gesundheitsbewussten Lebensstil trägt man ebenfalls Rechnung. «Gesund und fit auf dem Rhein», lautet das Motto einer Reise mit Kochworkshops und Yoga auf dem Sonnendeck des neuen Schiffs «Excellence Crown».

Die Unternehmensgruppe betreibt neben Bussen auch zehn eigene Flussschiffe als wichtiges Standbein.
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Lieber ohne Bankkredite

Auf das jüngste Baby der eigenen Reederei ist Karim Twerenbold besonders stolz. Das zehnte Twerenbold-Flussschiff kam eben erst zur Flotte hinzu. Rund 27 Millionen Franken kostete es. Auf Bankkredite verzichtet man wenn immer möglich. Karims Mutter Nazly Twerenbold war wie bei allen Schiffen für das Innendesign zuständig. Die hybrid angetriebene «Excellence Crown» verbraucht weniger Treibstoff. Mit solchen Neuerungen will man sich auch von der Konkurrenz abheben.

Kenner der Reisebranche blicken anerkennend auf das Unternehmen. Solid, unauffällig, qualitätsbewusst mit klarem Fokus – so beschreiben Fachleute der Branche den Familienbetrieb. Allerdings sei das Verhältnis zur Konkurrenz bei Flussreisen alles andere als entspannt. Der härteste Wettbewerber heisst in dem Bereich Thurgau Travel. «Die stehen sich feindlich gegenüber», berichtet ein Brancheninsider.

Dahinter steckt eine Geschichte. 2001 übernahm Werner Twerenbold die Flusssparte und die Marke des pleitegegangenen Reisebüros Mittelthurgau. Die Kundendaten waren zu einem grossen Teil veraltet, die Marke musste aufgepäppelt werden. Genau in dieser Zeit startete der langjährige Geschäftsführer von Mittelthurgau, Hans Kaufmann, Thurgau Travel. Nicht nur das Angebot war ähnlich, sondern auch der Name barg Verwechslungsgefahr und dürfte bei den Twerenbolds für Ärger gesorgt haben. Karim Twerenbold mag das heute nicht mehr kommentieren. Es ist wohl aber kein Zufall, dass die Marke Excellence gegenüber Mittelthurgau im eigenen Haus stärker in den Vordergrund rückt.

Personen von aussen im Verwaltungsrat

Egal ob Fluss-, Bus- oder Fernreisen mit dem Flugzeug: Den Grossteil der Angebote verkauft Twerenbold im Direktvertrieb. So klar der Fokus auf die Zielgruppe ist, so breit ist die Preisspanne der eigenen Angebote. Eine fünftägige Busrundfahrt an die kroatische Adriaküste inklusive Hotel gibt es ab 570 Franken. Der zweiwöchige Trip ins südliche Afrika mit Vögele Reisen schlägt dagegen mit rund 10'000 Franken zu Buche. Auch diese Jubiläumsreise verkauft sich laut Twerenbold gut.

Ursprünglich bereits von Werner Twerenbold geplant, gelang es noch vor dem Jubiläumsjahr, den Verwaltungsrat mit unabhängigen Mitgliedern zu bestücken. Seit 2023 sitzen Milan Prenosil, Verwaltungsratspräsident der Zürcher Confiserie Sprüngli, und Philippe Corti, Inhaber des Bauunternehmens Corti Spleiss, im Gremium. «Für mich war es wichtig, Personen im Verwaltungsrat zu haben, welche die Dynamik eines Familienunternehmens verstehen», sagt Karim Twerenbold.

Er blickt zuversichtlich in die Zukunft des Unternehmens, das sein Urgrossvater einst mit einer Kutsche und sechs Pferden ins Leben gerufen hatte. Zwar zeigen Umfragen eine angespannte Konsumentenstimmung. Doch im Vergleich zu Investitionsgütern sitzt das Geld bei Ferienausgaben immer noch relativ locker. Die Familie hat ohnehin einen anderen Horizont als die nächste Feriensaison. «Wir denken langfristig. Das heisst, dass ich das Geschäft grundsätzlich an die nächste Generation übergeben möchte», so Karim Twerenbold. Das wird noch etwas dauern: Seine Tochter wird fünf Jahre alt. Im Sommer verreist auch die Familie Twerenbold in die Ferien. Allerdings weder mit dem Bus noch mit dem Flussschiff. Es geht ganz klassisch mit dem Flugzeug nach Spanien ans Mittelmeer.

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