Die Schweiz steckt in einer Rezession. Die Wirtschaft schrumpft. Das hat Auswirkungen auf das Portemonnaie der Bürger. Unterm Strich bleibt weniger übrig. Der Gürtel muss enger geschnallt werden.
So zumindest die Theorie. Die Zahlen im Immobilienmarkt sprechen eine andere Sprache. Die Schweizer zeigen mitten in der Corona-Pandemie eine grosse Lust auf die eigenen vier Wände. Sie stürmen Möbelhäuser, leisten sich aber auch gerne einen Umzug ins Eigenheim. Das zeigt der jüngste Immobilienbarometer der Zürcher Kantonalbank (ZKB).
«Bereits in früheren Krisen wie zum Beispiel 9/11 oder der europäischen Schuldenkrise konnte man einen Ansturm auf Sachwerte erkennen», schreibt ZKB-Expertin Ursina Kubli. Die aktuelle Situation sei insofern speziell, als die Wohnsituation eine besondere Bedeutung habe. «Viele Haushalte haben noch nie so viel Zeit in der eigenen Wohnung verbracht.» Die Bank-Expertin spricht von einem «Cocooning-Trend».
Der Corona-Effekt
Dieser Trend gibt Firmen wie Ikea Auftrieb. Die Menschen decken sich mit neuen Möbeln ein. Sie machen es sich gemütlich zu Hause. Die Corona-Zeit scheint aber bei manchen Mietern auch den Wunsch nach einem Eigenheim zu verstärken, so Kubli. «So lange das Virus grassiert und viel Zeit zu Hause verbracht wird, dürfte das Wohnen diesen besonderen Stellenwert halten.»
Ursprünglich rechnete die Expertin damit, dass sich die Situation im Immobilienmarkt anders entwickelt. Sie rechnete damit, dass die Rezession durchschlagen wird. Dass die Menschen Zurückhaltung üben. «Wir haben womöglich den psychologischen Effekt unterschätzt», so Kubli.
«Die tiefen Hypothekarzinsen locken schon lange, der Mietwohnung den Rücken zu kehren und stattdessen in den eigenen vier Wänden zu wohnen. Auch die Knappheit von Wohneigentum aufgrund des forcierten Mietwohnungsbaus ist kein neues Phänomen. Selbst die relativ stabilen Arbeitsmarktaussichten vieler gut bezahlter Arbeitsstellen dürfte nicht die ganze Erklärung sein.»
Leere Mietwohnungen
Dem zunehmenden Drang zu Wohneigentum steht ein Wachstum bei den Mietwohnungen gegenüber. Laut Zahlen der ZKB warten derzeit über 66'000 Wohnungen auf einen Mieter. Vor zwei Jahren waren es noch unter 60'000. Macht innert zwei Jahren ein Plus von über 6000.
Die Zahl dürfte weiter steigen, glaubt Kubli. Unter anderem weil die Zuwanderung weiter abnehmen wird. Die Prognose: Bereits im nächsten Jahr klettert die Zahl der leeren Mietwohnungen auf 68'000 schweizweit.
Davon profitieren vor allem Mieter in ländlichen Regionen. Hier trifft die Nachfrage auf ein riesiges Angebot. Oder anders gesagt: Im Mittelland sind die Mieter weiterhin König. (ise)