Schweiz-Tourismus-Chef Martin Nydegger zur Kritik an seinen Video-Kampagnen
«Roger Federer verdient mit uns keinen Rappen»

Schweiz Tourismus steht in der Kritik, mit Millionen Steuerfranken den Overtourism anzuheizen. Direktor Martin Nydegger sagt: «Roger Federer verdient mit uns keinen Rappen.»
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Die Werbekampagne von Schweiz Tourismus soll aufzeigen, wie toll die Schweiz mit Bahn und Schiffen zu bereisen ist.
Foto: Schweizer Tourismus

Noch nie machten so viele Menschen Ferien in unserem Land wie im letzten Sommer. Dieses Jahr dürfte der Rekord von 42,8 Millionen Übernachtungen gebrochen werden. Kritiker werfen der Vermarktungsorganisation Schweiz Tourismus (ST) nun vor, mit ihren Kampagnen um Roger Federer (44) und Co. den Overtourism anzuheizen. Das sorgt bei ST-Direktor Martin Nydegger (54) für Unmut. Am Firmensitz in Zürich geht der Berner in die Offensive.

Blick: Die Schweiz zählte noch nie so viele Gäste-Übernachtungen wie in diesem Sommer. Wird 2025 ein neues Rekordjahr?
Martin Nydegger: Wir rechnen für das Gesamtjahr 2025 mit einem Wachstum der Übernachtungen von 1 bis 2 Prozent gegenüber Vorjahr. Dieses Wachstum ist ganz normal, wie wir es auch die vielen Jahre vor der Corona-Krise hatten. Ohne ein solches Wachstum könnten die Tourismusbetriebe gar nicht all die Investitionen in Infrastruktur wie Hotelzimmer oder Bahnen stemmen.

2025 wird also wieder ein Rekordjahr. Welchen Anteil am Erfolg schreiben Sie Ihrer Vermarktungsorganisation zu?
Ich kann die Wirkung nicht konkret mit Daten belegen. Wir gehen intern davon aus, dass jeder sechste Gast auf unsere globale Vermarktung zurückzuführen ist. Das Zusammenspiel zwischen Staat und den privaten Tourismusbetrieben funktioniert ausgezeichnet. Dazu kommen die grossartige Landschaft, die intakte Natur und die fantastischen Berge – übrigens die drei Hauptgründe für eine Reise in die Schweiz.

Grindelwald stoppt ein Hotelprojekt, Lauterbrunnen wird überrannt, Iseltwald ist zum Selfie-Hotspot mutiert – wie viele Gäste zusätzlich verträgt die Schweiz noch?
Wir haben in der Schweiz 300 Reise-Destinationen. Der Grossteil hat Platz in den Hotels, die durchschnittliche Jahresauslastung liegt bei 50 Prozent, in Graubünden bei 40 Prozent. Bei einer Handvoll Destinationen, da gebe ich Ihnen recht, gibt es punktuell Engpässe. Ich bin mit allen Gemeindepräsidenten, Hotels und Seilbahnen dauernd im Gespräch. Nicht nur, wenn es mal so richtig «tätscht». Mein Appell bei aller Overtourism-Kritik: Macht nicht aus ein paar wenigen Orten ein gesamtschweizerisches Phänomen.

Welche Orte können denn noch mehr Touristen vertragen?
Wie lange haben Sie Zeit? Die Liste ist lang. Ich habe meine Karriere im Unterengadin, in Scuol, gestartet. Dort sind die Hotels froh um jeden einzelnen Gast. Das gilt auch für die ganze Ostschweiz – Thurgau, St. Gallen, Schaffhausen – und selbst im Tessin gibt es nur wenige Engpässe. In Lugano und Bellinzona hat es mehr als genügend Platz.

Braucht es einen Roger Federer und andere Promis, die mit einer Videokampagne weitere Gäste in die Schweiz locken?
Wenn Touristen einem durch den Garten trampeln oder sich nicht anständig in die Warteschlange stellen, finden wir das auch müssig. Wir wollen jedenfalls keinen zusätzlichen Druck auf die Tourismus-Hotspots ausüben, die genügend Gäste aus dem Ausland anziehen. Mit Roger Federer und Halle Berry zielen wir auf weniger gut besuchte Regionen und wollen die Touristen vermehrt in die Herbstsaison lenken. Darum waren wir mit den Stars in Vitznau und Emmetten. Das sind sicher keine touristischen Hotspots. Wir fokussierten uns auf Seilbahnen und Schiffe, also auf den ÖV. Und wir wollen mit dem Spot zeigen, dass es sich lohnt, die Aufenthaltsdauer in der Schweiz zu erhöhen.

Und wenn deswegen jemand nach Luzern geht ...
... das kann natürlich passieren. Das Einzige, was wir tun können, ist zu versuchen, die Tourismusströme zu entflechten und besser übers Jahr zu verteilen.

Persönlich: Martin Nydegger

Martin Nydegger (54) ist seit sieben Jahren Direktor von Schweiz Tourismus. Mit seinen 280 Mitarbeitenden in 22 Märkten ist er verantwortlich dafür, rund um die Welt die Reiselust für die Schweiz zu wecken. Aufgewachsen als Bauernsohn im Berner Seeland, absolvierte Nydegger eine Lehre als Landmaschinenmechaniker, liess sich aber bald darauf zum diplomierten Tourismusfachmann mit MBA-Abschluss ausbilden. Zehn Jahre lang war er Engadiner Tourismusdirektor und lebte in Scuol GR. Später zog er für Schweiz Tourismus nach Amsterdam, um den Holländern Schweiz-Ferien schmackhaft zu machen. Nydegger ist verheiratet und hat einen Sohn.

Martin Nydegger (54) ist seit sieben Jahren Direktor von Schweiz Tourismus. Mit seinen 280 Mitarbeitenden in 22 Märkten ist er verantwortlich dafür, rund um die Welt die Reiselust für die Schweiz zu wecken. Aufgewachsen als Bauernsohn im Berner Seeland, absolvierte Nydegger eine Lehre als Landmaschinenmechaniker, liess sich aber bald darauf zum diplomierten Tourismusfachmann mit MBA-Abschluss ausbilden. Zehn Jahre lang war er Engadiner Tourismusdirektor und lebte in Scuol GR. Später zog er für Schweiz Tourismus nach Amsterdam, um den Holländern Schweiz-Ferien schmackhaft zu machen. Nydegger ist verheiratet und hat einen Sohn.

Wie viele Steuerfranken fliessen in die Werbekampagnen mit Roger Federer?
Jedes Land hat eine nationale Tourismusorganisation. In allen ist der Anteil an Staatsgeldern bei 80 bis 100 Prozent. Bei uns liegt dieser bei nur 50 Prozent. Schweiz Tourismus ist die Organisation mit dem weltweit tiefsten staatlichen Förderbeitrag. Die andere Hälfte kommt direkt aus der Branche.

Das beantwortet unsere Frage nicht.
Sie wollen wissen, ob sich Roger Federer an Schweiz Tourismus eine goldene Nase verdient? Ich kann Ihnen sagen, er verdient mit uns keinen Rappen. Er sagte von sich aus zu Beginn unserer Zusammenarbeit: «Ich habe Erfolg gehabt, weil ich in einem Land gross geworden bin, das mir die dazu nötige Stabilität gegeben hat. Das Letzte, was ich will, ist, für mein Engagement Steuergelder zu erhalten.»

Roger Federer und die anderen Stars machen die ganze Werbung gratis?
Wir zahlen Roger Federer einen moderaten Beitrag an seine Stiftung, die das Geld nur für unterprivilegierte Kinder in der Schweiz einsetzt. Das ist vertraglich so festgehalten. Und diesen Vertrag können wir nicht öffentlich machen. Was die anderen Stars bekommen, darf ich Ihnen auch nicht sagen. Wenn ich könnte, würde ich das gerne tun, denn dann würden Sie sich über den Tisch lehnen und mir die Hand schütteln, zu welch lächerlichem Betrag diese Berühmtheiten die Schweiz bewerben.

Danke, Roger?
Ja, richtig! Ich meine das ganz ernst. Die Stars machen vieles für uns möglich, dank Roger.

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Kritiker monieren, dass mit Steuerfranken Klicks für die Federer-Videos im Internet generiert werden.
Was ist daran falsch? Wir sind eine Vermarktungsorganisation und haben einen Auftrag vom Bund. Wenn wir schon Roger Federer und Halle Berry haben, wollen wir auch, dass möglichst viele Leute unsere Botschaft sehen. Und noch etwas: Wir haben mit dem aktuellen Werbe-Clip trotz weniger Bewerbung und tieferem Budget mehr Reichweite als in den Vorjahren herausgeholt.

Ihre Organisation wird vom Staat mitfinanziert, warum weigern Sie sich, Ihre Projektbudgets offenzulegen?
Mit Persönlichkeiten wie Roger Federer besteht ein Stillschweige-Abkommen. Was unsere Projektbudgets angeht, sind wir völlig transparent. Sie können alles im Geschäftsbericht nachlesen. Auch unsere Partner bekommen genau ausgewiesen, was wir mit ihren Geldern machen.

Der Bundesrat will Ihr Tourismus-Budget um ein paar Millionen kürzen. Müssten Sie dann Stellen abbauen?
Ja klar, das ist auch logisch. Es wird überall gespart. Wir beschäftigen 280 Personen. Die Hälfte in der Schweiz, die andere Hälfte in den 35 Büros in 22 Märkten. Das sind Mini-Teams, von maximal 12 Leuten. Wenn wir weniger Geld zur Verfügung haben, können wir weniger gut die Tourismusströme lenken.

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