Kurz zusammengefasst
- Avenir Suisse will SNB-Gewinne direkt an Bevölkerung ausschütten
- Die Ausschüttung könnte über Krankenkassenprämien oder Steuergutschrift erfolgen
- 110 bis 440 Franken pro Kopf und Jahr
In guten Zeiten sitzt die Schweizerische Nationalbank (SNB) auf einem riesigen Schatz. Die guten Zeiten, das sind boomende Aktienmärkte und ein schwächelnder Franken. Denn um die Schweizer Währung zu schwächen, hat die SNB einen Devisenberg angehäuft, den sie seit Jahren vor sich herschiebt. Und der immer mal wieder für kräftige Gewinnausschüttungen sorgen kann. Das weckt schnell politische und finanzielle Begehrlichkeiten. Mitte dieses Jahres war der Devisenberg 730 Milliarden Franken hoch.
Gerade während und nach Corona gab es allerlei Ideen, wie dieser Schatz in den Kellern der Nationalbank der Schweiz zugutekommen könnte. Etwa durch eine deutliche Ausweitung der Gewinnausschüttungen der SNB oder durch die Einrichtung eines Staatsfonds, gespeist durch einen Teil der Devisenreserven. Auch an einen Milliarden-Zustupf für die AHV haben findige Köpfe schon gedacht. Oder an Investitionen zugunsten des Klimas.
Mehrere Hundert Franken
Halt, so nicht, sagt nun die liberale Denkfabrik Avenir Suisse. Und möchte die Gewinnausschüttung der Nationalbank direkt der Bevölkerung zukommen lassen. Also jedem Einzelnen von uns. «Damit soll die Unabhängigkeit der SNB weiter gestärkt werden», erklärt Jürg Müller (40), Direktor von Avenir Suisse. «Die Nationalbank macht Geldpolitik, keine Gesellschaftspolitik. Wir wollen die SNB vor Parteipolitik und Partikularinteressen schützen.» Das Ziel: Die Nationalbank entpolitisieren, Druck von den Währungshütern nehmen.
Mit Blick auf die Ausschüttungen der letzten 20 Jahre könnte die Bevölkerung gemäss dem Vorschlag mit einem durchschnittlichen jährlichen Zustupf von 110 bis 440 Franken pro Person rechnen. Diese Ausschüttung könnte – wie schon die Rückverteilung der CO2-Abgabe – über die Krankenkassenprämien oder als Steuergutschrift erfolgen.
Zur Erinnerung: Heute kann die Nationalbank bis zu sechs Milliarden Franken an Bund und Kantone ausschütten – wenn die Zeiten wirklich gut sind und der Topf mit der Ausschüttungsreserve gefüllt ist. Das war 2023 nicht der Fall und dürfte es auch in diesem Jahr nicht sein. Bund und Kantone werden auch 2024 leer ausgehen.
Alle bekommen gleich viel
Das heisst, auch die Bevölkerung könnte mit dem Vorschlag von Avenir Suisse immer wieder mal kein Geld von der Nationalbank sehen. Ein Problem? «Nein», glaubt Müller. «Ich erachte die Gefahr als gering, dass jemand das Geld schon vorher ausgibt, bevor es von der SNB ausbezahlt wird.» Dagegen sei der Druck von den Kantonen doch einiges höher, wenn es plötzlich ein Loch im Budget habe, so Müller. Denn diese setzen das SNB-Geld oft für Steuersenkungen ein oder verzichten deswegen auf Steuererhöhungen.
Fabio Canetg (36) ist ein ausgewiesener Kenner der Nationalbank und der Geldpolitik. «Mein grösstes Problem mit der Idee von Avenir Suisse ist die Ausschüttung pro Kopf. Das heisst, Sergio Ermotti (64) bekäme gleich viel wie eine Kassiererin oder ein Buschauffeur», so der Ökonom und Moderator des geldpolitischen Podcasts «Geldcast».
Das ist unter den Ökonominnen und Ökonomen unbestritten: Je unabhängiger eine Zentralbank vom Staat ist, desto erfolgreicher ist ihre Geldpolitik. Das zeigt sich gerade auch im Beispiel der Schweizerischen Nationalbank (SNB), die die Schweiz erfolgreich durch die jüngste Welle der Inflation geführt hat.
Deshalb ist es für die Denkfabrik Avenir Suisse klar: Die Unabhängigkeit der SNB muss gestärkt werden. Diese ist zwar in der Bundesverfassung verankert, nicht aber das geldpolitische Mandat mit dem Ziel, mittel- und langfristig für stabile Preise in der Schweiz zu sorgen. «Das Mandat der Nationalbank in der Verfassung zu verankern, hat auch eine symbolische Wirkung», sagt Jürg Müller (40), Direktor von Avenir Suisse. «Gerade in Zeiten von Krisen ist so die Hürde einiges höher. Die Verfassung zu verletzten – das schreckt ab.»
Denn in den letzten Jahren haben nicht nur die Gewinne der Nationalbank für Begehrlichkeiten gesorgt, sondern auch ihre Anlagepolitik. Diese sollte sich aber – so Avenir Suisse – strikt am geldpolitischen Auftrag und nicht an gesellschaftlichen Strömungen orientieren.
Das ist unter den Ökonominnen und Ökonomen unbestritten: Je unabhängiger eine Zentralbank vom Staat ist, desto erfolgreicher ist ihre Geldpolitik. Das zeigt sich gerade auch im Beispiel der Schweizerischen Nationalbank (SNB), die die Schweiz erfolgreich durch die jüngste Welle der Inflation geführt hat.
Deshalb ist es für die Denkfabrik Avenir Suisse klar: Die Unabhängigkeit der SNB muss gestärkt werden. Diese ist zwar in der Bundesverfassung verankert, nicht aber das geldpolitische Mandat mit dem Ziel, mittel- und langfristig für stabile Preise in der Schweiz zu sorgen. «Das Mandat der Nationalbank in der Verfassung zu verankern, hat auch eine symbolische Wirkung», sagt Jürg Müller (40), Direktor von Avenir Suisse. «Gerade in Zeiten von Krisen ist so die Hürde einiges höher. Die Verfassung zu verletzten – das schreckt ab.»
Denn in den letzten Jahren haben nicht nur die Gewinne der Nationalbank für Begehrlichkeiten gesorgt, sondern auch ihre Anlagepolitik. Diese sollte sich aber – so Avenir Suisse – strikt am geldpolitischen Auftrag und nicht an gesellschaftlichen Strömungen orientieren.
Für Müller ist es ein Vorteil, dass mit der Ausschüttung ans Volk das Risiko der Lobbybildung für neue Begehrlichkeiten – und damit der Druck auf die SNB – stark sinkt. Zudem: Welcher Finanzdirektor kann schon dagegen sein, wenn der Gewinn der Nationalbank nicht an ihn, sondern an die Bewohnerinnen und Bewohner seines Kantons ausgeschüttet werden soll? Sein politisches Schicksal wäre schnell besiegelt.
Es braucht regelmässige Diskussion
Canetg glaubt nicht, dass mit der Idee der Denkfabrik die Diskussion um die Verwendung der Nationalbankgewinne enden wird. «Die Stimme des Volkes ist zwar zersplittert, aber wer garantiert, dass die eine oder andere Partei nicht trotzdem fordert, es könnte etwas mehr sein», gibt er zu bedenken. Und fügt an: «Ich finde es gar nicht schlecht, wenn regelmässig darüber diskutiert wird, wie hoch die Gewinnausschüttungen sein sollten – und was damit passiert. Das ist doch gerade die Aufgabe der gewählten politischen Vertreter.»
So radikal der Vorschlag von Avenir Suisse ist, er wird die Diskussion um die Verwendung künftiger Gewinne der Nationalbank weiter anfachen. Und wohl kaum zur Beruhigung der Gemüter führen.