Alle waren bereit für den neuen «James Bond»-Film. Die Kinos rüsteten sich für einen Ansturm. Mögliche Handlungsstränge von «No Time to Die» wurden heiss diskutiert. Nach der ersten Verschiebung des Kinostarts war die Vorfreude umso grösser. Dann die Nachricht: Der Filmstart wird ins Frühjahr 2021 verschoben.
Der neuste «James Bond» steht stellvertretend für das aktuelle Problem der Kinobranche: Es fehlen Blockbuster und Besucher. «Unsere Kinos sind sehr stark betroffen. Im Vergleich zum Vorjahr haben wir von März bis Oktober 78 Prozent weniger Besucher», sagen Alexandra (46) und Franziska Sterk (41), Chefinnen von Sterk Cine AG in Baden AG.
Die zweite Welle im Herbst trifft die Kinobetreiberinnen besonders. «Der Zeitpunkt ist jetzt ungünstig, weil wir in der Hauptsaison sind», sagt Andrea Röst (59), Geschäftsleiterin des Kino Roxy in Romanshorn TG. Das Kino hat noch etwa halb so viele Besucher wie in anderen Jahren.
Der Teufelskreis
Seit der Maskenpflicht im Kino sinken die Besucherzahlen stark. Hinzu kommen Einschränkungen der Personenanzahl. Die Unsicherheit spüren die Kinobetreiberinnen direkt. «Es kommen noch die wirklich solidarischen Kunden, sprich neun Besucher pro Vorstellung», führen die Sterks aus.
Das zweite Problem betrifft die Kinos selbst. Die Filmverleiher verschieben die Kinostarts oder verlagern die Filme direkt auf Streaming-Plattformen. «Wir spüren mittlerweile sogar, dass kleine Filmverleiher die Filmstarts verschieben», so Andrea Röst. Deshalb ist das Filmangebot in den Kinos reduziert, was sich erneut negativ auf die Besucherzahlen auswirkt. Ein Teufelskreis also.
Nicht zum Aufgeben bereit
Mit der Reaktion des Bundes und der Kantone auf die Problematik sind nicht alle einverstanden. «Wir verstehen, dass in jedem Kanton Massnahmen getroffen werden müssen. Das föderalistische System funktioniert für unsere Branche aber schlecht, da wir national und international verbunden sind. Die Entscheidungen, die insbesondere der Kanton Bern ohne Absprache mit der Kulturbranche getroffen hat, sind für uns willkürlich und als Attacke gegen die Kulturbranche zu verstehen», sagt Edna Epelbaum (40), CEO von Cinevital, Cinepel, Cinemont und Quinnie Kinos sowie Präsidentin des Schweizerischen Kinoverbandes (SKV). Die Entscheide seien zwar gut gemeint, aber nicht hilfreich. In der Deutschschweiz haben nicht alle Kantone dieselben Corona-Massnahmen getroffen. Einzig der Kanton Bern schickt die Kulturbranche erneut in den Lockdown. «Wir stellen natürlich eine wirtschaftliche Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Kantonen fest», so Epelbaum weiter.
Aus diesem Grund will Epelbaum, dass die Ausfallentschädigungen für Kulturbetriebe ausgedehnt werden. Es soll eine einheitliche Regelung geben, Entschädigungen in den Kantonen gleichberechtigt behandelt und effizienter bearbeitet werden. Auch die Mietfrage soll endlich gelöst werden. «Wir brauchen die Unterstützung jetzt», betont Epelbaum. Wenn alle am selben Strick ziehen, bleibe die Hoffnung bestehen.
Kampfgeist bleibt
Trotz überaus ungewisser Zukunft wollen Alexandra und Franziska Sterk nicht aufgeben: «Trotz Wirbelsturm und Tsunami machen wir weiter, weil wir lieben, was wir tun.» Die beiden wollen dank ihrer Kinos Abwechslung in den sonst eintönigen Pandemie-Alltag bringen. Andrea Röst glaubt weiterhin an die Zukunft des Kinos. «Nur im Kino kann man sich vollends auf das Erlebnis einlassen. Ich glaube weiterhin unerschütterlich an die Kraft des Kinos.»