Darum gehts
- Betterhomes-Mitarbeiter berichten von rauen Arbeitsbedingungen und hohem Druck
- Quereinsteiger müssen selbst bezahltes Webinar absolvieren und schnell Erfolge vorweisen
- Makler arbeiten auf reiner Provisionsbasis, 60-Stunden-Wochen keine Seltenheit
Betterhomes nennt sich den «grössten unabhängigen Immobilienmakler» der Schweiz. Das Unternehmen beschäftigt laut eigenen Angaben 123 Maklerinnen und Makler in schweizweit 11 Niederlassungen. Auf der Firmenwebsite stehen 2148 Immobilien im Angebot. Einige der ausgeschriebenen Liegenschaften wurden aber vor Jahren verkauft.
Der «Immobilienfairmittler», wie sich Betterhomes auch nennt, hat sich darauf spezialisiert, Quereinsteiger als Makler anzuheuern. Gelockt wird mit «überdurchschnittlichen Einkommensperspektiven». Alles, was die neu angeheuerten Makler dafür tun müssen: Eigenheime à gogo verkaufen oder Wohnungen vermitteln.
Wer beim Unternehmen einsteigt, muss als Erstes ein Webinar absolvieren. Es besteht aus 5 zweistündigen Videos. Die Absolventen bezahlen für den Weblink mit den Aufnahmen 2200 Franken – aus eigener Kasse. «Das sind vorgefertigte Videos, keine persönlichen Schulungen», sagt Maklerin Nicole Suter* (37). «Danach lässt man diese Leute auf Kunden los!» Suter war selbst Quereinsteigerin bei Betterhomes. Sie will anonym bleiben, weil sie auch heute noch Angst vor ihrem ehemaligen Arbeitgeber hat.
Suter: «Sobald man nicht mehr blind gehorcht, wird man zum Feind». Blick sprach mit zehn weiteren ehemaligen Mitarbeitenden von Betterhomes, die sich alles andere als fair behandelt fühlen und die Aussagen von Suter bestätigen. Sie sagen: «Betterhomes hat uns alle ausgenutzt!» Der Immobilienvermittler bestreitet das vehement, wie er Blick über seinen Anwalt ausrichten lässt.
Schneller Aufstieg oder Fall
Die Ex-Angestellten waren zwischen zwei und zehn Jahre beim Unternehmen tätig. Einige als Makler, andere als Führungskräfte oder im Backoffice. Auch sie wollen anonym bleiben, doch was ihnen widerfahren ist, soll an die Öffentlichkeit. «Sätze wie ‹Ich lasse Sie ausbluten› sind immer wieder gefallen, wenn sich jemand wehrte», sagt Lea Müller* (28).
Die meisten der einstigen Mitarbeiter, mit denen Blick sprach, gehörten einmal zu den erfolgreichsten Angestellten des Immo-Vermittlers. Wurden gefördert und angetrieben, kletterten die Karriereleiter hoch. Bis sie nicht mehr konnten.
Raues Arbeitsklima
Die Erlebnisberichte der ehemaligen Mitarbeiter zeichnen ein einheitliches Bild: Das Arbeitsklima soll rau, die Arbeitsbedingungen zum Teil unzumutbar gewesen sein. Die Führungsriege soll teils kontrollierend, jähzornig und unberechenbar gehandelt haben.
«Der Druck, Kunden an Land zu ziehen, ist schon von Anfang an sehr gross», sagt Daniel Isler* (40). Wer es nach dem kurzen Webinar nicht schafft, innerhalb von drei Monaten 10 bis 15 Objekte im Bestand zu haben, werde direkt wieder entlassen. «Von zehn Quereinsteigern schaffen das vielleicht zwei», sagt Jakob Siegrist* (45).
Blick konfrontiert Betterhomes mit den Vorwürfen. Wer erfolgreich sei, habe bei ihnen beste Karrierechancen und Verdienstmöglichkeiten von bis zu 250’000 Franken, sagt der Anwalt des Immobilienvermittlers. «Wer sich langfristig nicht einfügt, verlässt uns – das ist in jeder Vertriebsorganisation so.»
Lange Arbeitstage, kein Fixlohn
Die Makler arbeiten zu 100 Prozent auf Provision. Sie erhalten keinen Fixlohn. Die gesamte Entlöhnung basiert also darauf, dass sie Immobilien verkaufen oder Wohnungen vermitteln. Das sei in der Branche üblich und aus rechtlicher Sicht in keiner Weise zu beanstanden, so der Anwalt von Betterhomes.
Lohn auf reiner Provisionsbasis, kein Verdienst während der Ferien und ein striktes Konkurrenzverbot – wie weit darf der Arbeitgeber gehen? Für Blick hat Roger Rudolph (55), Professor für Arbeitsrecht an der Universität Zürich, den Arbeitsvertrag von Betterhomes unter die Lupe genommen.
Blick: Die Angestellten von Betterhomes - egal ob Makler oder Teamleiter - haben keinen Fixlohn. Sie arbeiten zu 100 Prozent auf Provision. Ist das erlaubt?
Roger Rudoph: Wer nur auf Provisionsbasis angestellt ist, hat trotzdem Anspruch darauf, dass er durch die Provisionen mindestens ein angemessenes Entgelt erzielt. Ist dies nicht der Fall, können die Mitarbeiter die Differenz einklagen.
Was heisst «angemessenes» Entgelt?
Dessen Höhe müsste im Streitfall ein Gericht entscheiden. Klar ist aber, dass es mehr als nur das Existenzminimum ist.
Was ist mit bezahlten Ferien?
Auch auf Provision angestellte Mitarbeiter haben selbstverständlich Anspruch auf Ferienlohn. Es geht also nicht an, ihnen dann einfach nichts zu bezahlen. In der Regel gilt als Richtwert die durchschnittlich erzielten Zahlen.
Der Arbeitsvertrag von Betterhomes sieht bei Unternehmensaustritt ein zweijähriges Konkurrenzverbot vor. Sonst droht eine Konventionalstrafe. Ist das zulässig?
Nachvertragliche Konkurrenzverbote sind zwar grundsätzlich möglich, aber die Grenzen sind im Gesetz recht eng gezogen. So muss der Mitarbeiter zum Beispiel Einsicht in den Kundenkreis oder in Fabrikationsgeheimnisse gehabt haben. Auch muss eine erhebliche Schädigungsgefahr vorliegen, damit das Verbot zulässig ist. Schliesslich muss das Verbot sachlich, zeitlich und örtlich angemessen begrenzt sein.
Was gilt im Fall einer Kündigung durch den Arbeitgeber?
Wenn die Arbeitgeberin gekündigt hat, dann fällt das Konkurrenzverbot im Grundsatz ohnehin weg. Es kommt also auf den Einzelfall an. Es ist gut möglich, dass im konkreten Fall ein Konkurrenzverbot nicht gilt, obwohl es im Vertrag vereinbart wurde.
Viele der ehemaligen Mitarbeiter wollen oder können die Konventionalstrafe in der Höhe eines halben Jahreslohns nicht bezahlen und müssen vor den Friedensrichter. Wie schätzen Sie ihre Erfolgschancen ein?
Die Rückforderung ist nur zulässig, wenn die eben erwähnten Voraussetzungen erfüllt sind und überhaupt eine Konkurrenzsituation vorliegt. Oft ist dies nicht der Fall. Dann können sich die Mitarbeiter mit guten Gründen wehren, auch vor Gericht. Interview: Dorothea Vollenweider
Lohn auf reiner Provisionsbasis, kein Verdienst während der Ferien und ein striktes Konkurrenzverbot – wie weit darf der Arbeitgeber gehen? Für Blick hat Roger Rudolph (55), Professor für Arbeitsrecht an der Universität Zürich, den Arbeitsvertrag von Betterhomes unter die Lupe genommen.
Blick: Die Angestellten von Betterhomes - egal ob Makler oder Teamleiter - haben keinen Fixlohn. Sie arbeiten zu 100 Prozent auf Provision. Ist das erlaubt?
Roger Rudoph: Wer nur auf Provisionsbasis angestellt ist, hat trotzdem Anspruch darauf, dass er durch die Provisionen mindestens ein angemessenes Entgelt erzielt. Ist dies nicht der Fall, können die Mitarbeiter die Differenz einklagen.
Was heisst «angemessenes» Entgelt?
Dessen Höhe müsste im Streitfall ein Gericht entscheiden. Klar ist aber, dass es mehr als nur das Existenzminimum ist.
Was ist mit bezahlten Ferien?
Auch auf Provision angestellte Mitarbeiter haben selbstverständlich Anspruch auf Ferienlohn. Es geht also nicht an, ihnen dann einfach nichts zu bezahlen. In der Regel gilt als Richtwert die durchschnittlich erzielten Zahlen.
Der Arbeitsvertrag von Betterhomes sieht bei Unternehmensaustritt ein zweijähriges Konkurrenzverbot vor. Sonst droht eine Konventionalstrafe. Ist das zulässig?
Nachvertragliche Konkurrenzverbote sind zwar grundsätzlich möglich, aber die Grenzen sind im Gesetz recht eng gezogen. So muss der Mitarbeiter zum Beispiel Einsicht in den Kundenkreis oder in Fabrikationsgeheimnisse gehabt haben. Auch muss eine erhebliche Schädigungsgefahr vorliegen, damit das Verbot zulässig ist. Schliesslich muss das Verbot sachlich, zeitlich und örtlich angemessen begrenzt sein.
Was gilt im Fall einer Kündigung durch den Arbeitgeber?
Wenn die Arbeitgeberin gekündigt hat, dann fällt das Konkurrenzverbot im Grundsatz ohnehin weg. Es kommt also auf den Einzelfall an. Es ist gut möglich, dass im konkreten Fall ein Konkurrenzverbot nicht gilt, obwohl es im Vertrag vereinbart wurde.
Viele der ehemaligen Mitarbeiter wollen oder können die Konventionalstrafe in der Höhe eines halben Jahreslohns nicht bezahlen und müssen vor den Friedensrichter. Wie schätzen Sie ihre Erfolgschancen ein?
Die Rückforderung ist nur zulässig, wenn die eben erwähnten Voraussetzungen erfüllt sind und überhaupt eine Konkurrenzsituation vorliegt. Oft ist dies nicht der Fall. Dann können sich die Mitarbeiter mit guten Gründen wehren, auch vor Gericht. Interview: Dorothea Vollenweider
Die Makler müssen sechs Tage die Woche arbeiten. Von Montagmorgen bis Samstagabend. «60-Stunden-Wochen waren keine Seltenheit», sagt Isler. Während der Ferien verdienen sie nichts. Das Unternehmen sieht das anders: Die Makler hätten jeweils eine Ferienvertretung, damit ein Arbeitnehmer während des Ferienbezuges keinen Einkommensverlust erleidet, sagt Betterhomes. Der Anwalt: «Sämtliche vertraglich vereinbarten Provisionsansprüche laufen während der Ferienzeit weiter, damit ist sichergestellt, dass auch bei Ferienbezug die verdienten Provisionen erhalten werden.»
«Wie ein Schneeballsystem»
Das Provisionsmodell des Immo-Vermittlers sieht so aus: Pro Hausverkauf erhält die Firma rund 2,5 Prozent des Verkaufspreises. Von diesen 2,5 Prozent erhält der Mitarbeiter anfangs 20 Prozent. Wer aufsteigt, wird mit einem höheren Anteil belohnt. Wer ein Drittel der Provision erhält, ist ganz oben mit dabei.
Die erfolgreichsten Mitarbeiter werden zu Teamleitern einer Region erkoren. Auch sie arbeiten allerdings weiter auf reiner Provisionsbasis. «Man kann das mit einem Schneeballsystem vergleichen», sagt Peter Gubler* (49). Entweder man treibe die Trainees an, sodass sie besser werden und Umsatz generieren. Oder man verdiene an ihnen nichts.
Führung kontrolliert Kalender der Mitarbeiter
Der Arbeitgeber kontrolliert die Kalender der Mitarbeiter jede Woche. Diese müssen ihre geschäftlichen und privaten Termine für die kommende Woche bis jeweils samstags um 18 Uhr eingetragen haben. So steht es im Arbeitsvertrag des Immo-Vermittlers, der Blick vorliegt. «Wer bei Betterhomes arbeitet, hat kein Privatleben mehr», sagt Simon Schmid* (45). Die Angestellten müssten telefonisch immer bis spätabends erreichbar sein.
Der Druck von oben sei so gross, dass er krank mache. Das sagen gleich mehrere der ehemaligen Mitarbeiter. «Betterhomes legt grossen Wert auf eine klare und direkte Feedbackkultur mit regelmässigen Mitarbeitergesprächen», weist der Anwalt die Vorwürfe zurück. Von einem harschen Umgangston oder gar unzumutbaren Arbeitsbedingungen könne keine Rede sein.
Bei Abgang Berufsverbot
«Man schuftet, bis man nicht mehr kann», so Schmid. Wer sich gegen das strikte Regime wehrte, soll umgehend die Quittung dafür erhalten haben. «Die Fluktuation bei Betterhomes ist sehr hoch», sagt Schmid. «Kündigungen wurden zuhauf ausgesprochen», sagt Müller.
Wer geht, muss sich an ein striktes Konkurrenzverbot halten: Zwei Jahre dürfen Makler nicht mehr in ihrer Branche arbeiten. Wer es trotzdem tut, wird von Betterhomes sogar zum Teil verklagt. Der Arbeitsvertrag sieht eine Konventionalstrafe von einem halben Jahreslohn vor.
Gleich mehrere der einstigen Mitarbeiter haben heute Verfahren hängig. Betterhomes sieht das Konkurrenzverbot verletzt und fordert teils Konventionalstrafen. Die Makler müssen vor den Friedensrichter, weil sie nicht bezahlen wollen oder können. Andere fordern vor Gericht ihre Überzeit und die unbezahlten Ferien ein.
*Namen geändert