Kampf um die Rohstoffe beschäftigt auch Bundesbern
Die Macht der seltenen Erden

Sie sind ein Druckmittel im globalen Handelskrieg und beschäftigen Bundesbern. Was seltene Erden so begehrt macht – erklärt in fünf Punkten.
Publiziert: 11:15 Uhr
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Aktualisiert: 11:17 Uhr
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Baiyunebo, Mongolei: In einer Mine werden seltene Erden abgebaut. Die Minen stehen immer wieder in der Kritik.
Foto: Keystone

Darum gehts

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Niklas Lang
Handelszeitung

Ohne diese chemischen Elemente funktioniert moderne Technologie nicht, seien es Smartphones, Windturbinen oder E-Autos. Obwohl der Markt der seltenen Erden im Vergleich zu Schwermetallen klein ist, steigen die weltweite Bedeutung und Nachfrage. 2024 lag die Produktionsmenge bei 390'000 Tonnen. Doch gefördert werden seltene Erden nur an wenigen Orten. Die globale Versorgung ist anfällig, der Wettbewerb um Abbau, Raffination und Recycling intensiv. Was genau sind seltene Erden? Welche Rolle spielen sie in der Geopolitik?

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Wie beim Abbau von Schwermetallen als Nebenprodukt ein Hightech-Rohstoff entsteht

17 chemische Elemente, alle mit ähnlichen und zugleich einzigartigen elektronischen, magnetischen und katalytischen Eigenschaften, bilden die Gruppe der seltenen Erden. Die weltweiten Vorkommen werden auf rund 120 Millionen Tonnen geschätzt. Zum Vergleich: Die weltweiten Kupferreserven betragen rund 980 Millionen Tonnen. Trotz ihres Namens sind seltene Erden in der Erdkruste weit verbreitet und kommen – mit Ausnahme des radioaktiven Promethiums – häufiger vor als Gold oder Silber. Die Konzentration ist aber selten so hoch, dass sich ein Abbau wirtschaftlich lohnt. Die weltweit grösste Lagerstätte liegt im chinesischen Bezirk Bayan Obo. Die seltenen Erden sind dort in Karbonatit-Gestein eingeschlossen, das durch erstarrtes Magma entstand. Die Gewinnung seltener Erden erfolgt oft als Nebenprodukt beim Abbau von Schwermetallen. Nachdem diese herausgebrochen, zerkleinert und abgetrennt wurden, bleibt ein Mischkonzentrat übrig, das in aufwendigen chemischen Trennverfahren in die einzelnen seltenen Erden aufgespalten wird.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

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China produziert, der Westen bleibt abhängig

Rund 70 Prozent der globalen Produktion seltener Erden stammen aus China. Zählt man die Raffination importierter Erden und deren Weiterverarbeitung dazu, kontrolliert das Reich der Mitte 90 Prozent der weltweiten Lieferketten. Die meisten Exporte verlassen das Land in Form von Fabrikaten wie Batterien und Magneten. Auf Platz zwei folgen die USA mit einer jährlichen Produktion von 45'000 Tonnen (China: 270'000 Tonnen). Die einst wichtige Mine namens Mountain Pass in Kalifornien wurde 2002 aus Unwirtschaftlichkeit geschlossen, 2010 wurde sie wiedereröffnet, auch um weniger abhängig von China zu sein. Bis heute fehlen aber die Kapazitäten für die Weiterverarbeitung, dazu werden die Rohstoffe nach China verschifft. Myanmar produziert als drittstärkste Kraft acht Prozent, Australien, Thailand und Nigeria je etwa drei Prozent. Die Schweiz verfügt über keine nennenswerten Vorkommen an seltenen Erden. Die Industrie – vor allem die chemisch-pharmazeutische Branche – importiert sie überwiegend in Form von Halbfabrikaten aus EU-Ländern.

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Wieso Chinas Plan aufgeht

Die Dominanz Chinas ist kein Zufall, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger Planung. Seit den 1970er-Jahren investiert das Land massiv in Rohstofftechnologien und hält heute mit Abstand am meisten Patente in diesem Bereich. Im selben Zeitraum kam die Konkurrenzproduktion in den USA und Europa aufgrund strenger Umweltauflagen und hoher Produktionskosten nahezu zum Erliegen. Neue Entwicklungsprojekte sind schwer zu realisieren: Die Investitionszeiträume sind lang, die Umweltauflagen hoch, und chinesische Tiefpreise machen ausländische Projekte unrentabel. Aus der Quasi-Monopolstellung ergeben sich für China ein strategischer Vorteil und zugleich ein beliebtes Druckmittel. So reagierte Peking im Handelsstreit mit den USA prompt mit Exportbeschränkungen auf sieben strategisch wichtige seltene Erden. Die USA wiederum – die allein für den Bau eines F-35-Kampfjets rund 400 Kilo seltener Erden benötigen – bemühen sich, ihre Abhängigkeit zu verringern und alternative Bezugsquellen zu erschliessen, etwa durch ein Rohstoffabkommen mit der Ukraine oder durch Explorationsprojekte in Grönland.

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Wie der Weg zu netto null seltene Erden zur Umweltlast macht

Neodym, Dysprosium und Praseodym werden für die Herstellung von Permanentmagneten benötigt, die in den Motoren von Elektroautos verbaut werden. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass sich der Bedarf an seltenen Erden bis 2040 im Zuge der Netto-null-Strategie verdoppeln wird. Gleichzeitig ist deren Gewinnung eine Belastung für die Umwelt. Beim Abbau werden in den Lagerstätten radioaktive Elemente wie Thorium und Uran freigesetzt, die meist unbehandelt bleiben und in Luft, Wasser und Boden gelangen. Die chemische Trennung der einzelnen seltenen Erden erfordert zudem den Einsatz verschiedener Säuren, deren Rückstände toxisch und nur schwierig zu rezyklieren sind. Pro Tonne gewonnener seltener Erden fallen so bis zu 2000 Tonnen belasteter Abraum an. Und obwohl Technologien zur Schadstoffminderung existieren, werden diese nicht flächendeckend eingesetzt.

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Recycling als Chance für Europa – aber auch hier führt China

Die Recyclingquote seltener Erden beträgt weltweit lediglich etwa ein Prozent. Nebst ineffizienter Sammlung sind komplexe chemische Trennverfahren zur Rückgewinnung dafür verantwortlich. Das soll sich ändern: Die EU beabsichtigt, bis 2030 den eigenen Bedarf von sieben strategisch relevanten seltenen Erden zu 25 Prozent durch Recycling zu decken. Dazu braucht es Forschung und innovative Lösungen, so wie jene der ETH-Doktorandin Marie Perrin: Jüngst mit dem Young Inventors Prize ausgezeichnet, hat sie ein einfaches Verfahren entwickelt, mit dem sich die seltenen Erden Europium und Yttrium aus Leuchtstoffen zurückgewinnen lassen. Der Bundesrat setzt derweil auf offene Märkte und hat in diesem Zusammenhang sämtliche Industriezölle per 2024 aufgehoben; international sollen nachhaltige Wertschöpfungsketten und Recycling gefördert werden. Die meisten Patente im Kampf um die Rückgewinnung der seltenen Erden reicht aber ein anderes Land ein: China.

Das Fazit

Seltene Erden sind gar nicht so selten, jedoch ist ihre Gewinnung sehr aufwendig und kostspielig. Sie sind das Fundament vieler Zukunftstechnologien – und zugleich ihr Risiko. Ihre Förderung belastet zudem Umwelt und Klima, der Bezug ist geopolitisch heikel. Und der globale Wettlauf um Zugang, Verarbeitung und Innovation ist längst im Gang. Während China dominiert, sucht der Westen nach Antworten – mit Recycling, Forschung und besserer internationaler Koordination. Doch bis nachhaltige und vor allem unabhängige Wertschöpfungsketten Realität werden, bleibt die Welt auf einen teuren Rohstoff angewiesen, bei dem China die Schlüsselrolle spielt.

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