«Besser hören» wurde Blanche Schwaller (30) sozusagen in die Wiege gelegt. Bereits als Kind verbrachte die Aargauerin viel Zeit im Geschäft ihrer Grosseltern, einer Praxis für Hörberatung in der Stadt Bern. Inzwischen führt Mutter Birgitte Schwaller (53) den Laden, die Tochter kümmert sich nebenamtlich um Finanzen und Personal, macht Studien zur Marktentwicklung.
Und hat dabei festgestellt, dass die Hörberatung dem allgemeinen Trend zur Digitalisierung stark hinterherhinkt. Das Problem: Die Kundschaft ist meist im Pensionsalter und digital nicht sonderlich affin. Doch das ändert sich gerade: «Der Onlineverkauf von Hörgeräten und die Onlineberatung haben enormes Potenzial», glaubt Blanche Schwaller.
«Diskreter Weg zum Hörgerät»
Deshalb will die Tochter weit mehr als einfach nur das Geschäft dereinst in dritter Generation weiterführen: «Ich will die Hörberatung in der Schweiz revolutionieren», sagt Blanche Schwaller ganz unbescheiden im Gespräch mit Blick TV.
Ein Plan, der aufgehen könnte. Gerade in Zeiten von Corona sind viele Betroffene froh, wenn sie für eine Hörberatung nicht zwingend unter Leute müssen, den ganzen Ablauf online von zu Hause aus erledigen können. «Das ist ein einfacher und diskreter Weg, den Zugang zum Kauf eines Hörgeräts zu finden», erklärt Schwaller. Zudem seien auch ältere Menschen digital immer aufgeklärter: «Ich hatte schon Kunden, die weit über 70 Jahre alt waren.»
Alea lernt mit jeder Frage
Hörgeräte sind digitalisierte Kleinode. Nun sollen also auch Verkauf und Beratung von der analogen in die digitale Welt überführt werden. Dazu hat Blanche Schwaller ihren Job bei einer Bank reduziert und vor rund einem Jahr zusammen mit ihrer Mutter ein Start-up gegründet: Alea Hearing. Zentraler Pfeiler ist die digitale Hörberaterin Alea, die seit März 2020 operativ ist.
Mittels Hörtest, einem Bild des Ohrs und gezielten Fragen findet Alea innert kurzer Zeit das passende Hörgerät. Selbst die Anpassung der Hörgeräte an die Bedürfnisse der einzelnen Kunden ist online möglich. «Ich möchte mit Alea den Kunden so informieren, dass er eigenständig und zu Hause seinen Kaufentscheid treffen kann.» Das sollte mit der Zeit immer besser klappen, denn Chatbot Alea lerne mit jeder Frage dazu.
Allerdings kommt Alea nur mit leichteren Fällen klar, für schwere Hörschäden bleibt der Gang zum Spezialisten unabdingbar: «Ich will weder Akustiker noch Ärzte konkurrenzieren noch die Preise drücken», weist Blanche Schwaller Kritik aus der Branche zurück. «Ich will lediglich die Beratung digitalisieren.» Dafür hat die Jungunternehmerin Programmieren gelernt und das Fachwissen der Mutter angezapft.
Ein Name für alle Sprachen
Ab und zu prallen Welten aufeinander, wird schon mal über die weitere Strategie gestritten: «Meine Mutter denkt vom Produkt her, hat den Hörgerätemarkt im Blick, der sich sehr dynamisch entwickelt», skizziert Blanche Schwaller Zusammenarbeit und Konfliktlinien. «Ich dagegen möchte das Geschäftsmodell viel stärker auf Serviceleistungen ausrichten.»
Noch hat die Mutter das Sagen, die Tochter arbeitet weiter Teilzeit in der Bank: «Ich habe Einblick in zwei grundverschiedene Firmenkulturen: Im Hörgeschäft erlebe ich den Start-up-Groove, bei der Bank tauche ich in die Finanzwelt ein», beschreibt Blanche Schwaller ihre Arbeitswelten.
Im Moment möchte sie keine der beiden missen, doch das könnte sich bei den ehrgeizigen Plänen bald ändern: «Alea Hearing soll die Anlaufstelle Nummer eins für – digitale – Hörberatung in der Schweiz sein.»
Übrigens: Der Name Alea ist der Jungunternehmerin beim Joggen eingefallen – und hat nichts mit dem lateinischen Würfel und Cäsar zu tun: «Mir geht es darum, dass der Name in vielen Sprachen auszusprechen ist», sagt Blanche Schwaller. Und lässt so einfliessen, dass eine Expansion ins Ausland später eine Option sein könnte.