Ist das rechtens?
Angestellter erhält Kündigung – wegen zu langer WC-Pausen

Dieses Kündigungsschreiben sorgt für grosse Debatten im Netz: Ein Mitarbeiter soll in Deutschland fristlos entlassen worden sein, weil er zu lange auf dem WC sass. Wäre das auch in der Schweiz möglich? Ein Arbeitsrechtler ordnet ein.
Publiziert: 17:26 Uhr
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Aktualisiert: 18:06 Uhr
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Dieses anonyme Kündigungsschreiben sorgt online für Furore.
Foto: Screenshot

Darum gehts

  • Ein deutscher Angestellter erhält offenbar die fristlose Kündigung wegen zu langer Toilettenaufenthalte
  • Auf Social Media sorgt das Schreiben für Gesprächsstoff
  • Wird dagegen geklagt, stehen die Chancen vor Gericht für den Angestellten gut, sagt ein Experte der Uni Zürich
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Nathalie BennRedaktorin Wirtschaft

Während der Arbeit ab und zu das stille Örtchen aufzusuchen, ist das Normalste der Welt: kurz aufs WC, durchatmen und dann konzentriert weiterarbeiten. Doch wer zu oft und zu lange wegbleibt, sollte aufpassen. Denn genau das ist offenbar einem Angestellten in Deutschland zum Verhängnis geworden. Er erhielt eine fristlose Kündigung – wegen zu langer WC-Pausen.

Das Kündigungsschreiben kursiert zurzeit in den sozialen Medien. Darin heisst es: «Trotz vorheriger Hinweise kam es wiederholt zu unangemessen langen Toilettenaufenthalten während der Arbeitszeit.» So habe besagter Angestellter an drei Tagen im September jeweils 42, 46 und 48 Minuten auf dem WC verbracht.

Auf Social Media schlägt das Schreiben hohe Wellen – und spaltet die Gemüter. «Da schleppt man sich mit Durchfall zur Arbeit und wird dann entlassen, weil man zu viel Zeit auf dem Klo verbracht hat», empört sich ein User unter einem entsprechenden Post auf der Plattform Reddit. Andere schlagen vor, den Arbeitgeber zu verklagen. Jemand spekuliert: «Wenns als Arbeitszeitbetrug gewertet wird, könnte es schon rechtmässig sein.»

Wie lange darf ich während der Arbeit aufs WC?

Manche hegen den Verdacht, dass es sich bei dem Schreiben um einen dummen Scherz und nicht um eine echte Kündigung handelt. Tatsächlich lässt sich nicht unabhängig überprüfen, um welche Person oder welchen Betrieb es sich genau handelt.

Klar ist aber: Das Schreiben – egal, ob echt oder fake – entfacht die Debatte um Arbeits- und Pausenzeit neu – auch in der Schweiz. Denn hierzulande sorgte ein ähnlicher Fall vor rund einem Jahr für heisse Diskussionen. Beim Uhrenhersteller Jean Singer et Cie aus Neuenburg müssen Angestellte bei der WC-Pause ausstempeln. Das Kantonsgericht entschied Anfang Oktober 2024, dass dies rechtens ist.

Im neuen Fall aus Deutschland geht es nun darum, dass der Angestellte während der Arbeitszeit offenbar viel zu lange auf dem WC war. Auch in der Schweiz gilt: Ein Mitarbeiter kann deswegen den Job verlieren. In einem Arbeitsverhältnis hat ein Arbeitnehmer verschiedene Pflichten – unter anderem die Pflicht, zu arbeiten.

Wer ohne einen triftigen Grund mehrmals fast eine Stunde lang aufs WC geht, verletzt seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Je nach Schweregrad kann das bis zur Kündigung führen. Auf Anfrage von Blick stellt Roger Rudolph (55), Professor für Arbeitsrecht an der Universität Zürich, jedoch klar: «Es gibt im Schweizerischen Arbeitsrecht keine spezifischen Vorschriften zur Dauer oder Häufigkeit von WC-Pausen.» Wenn ein Angestellter muss, dann darf er laut Gesetz aufs WC.

So stehen die Chancen vor Gericht

Darf der Arbeitgeber den Angestellten aber sofort auf die Strasse stellen, wie es in Deutschland passiert sein soll? «Die fristlose Kündigung kann dann zulässig sein, wenn der Toilettengang tatsächlich für private Tätigkeiten wie Lesen oder Social Media missbraucht wird», erklärt Rudolph. Wenn es aber aus körperlichen oder gesundheitlichen Gründen länger dauert, ist eine fristlose Entlassung laut dem Experten klar ungerechtfertigt. Es obliegt laut Rudolph dem Arbeitgeber, vor Gericht zu beweisen, dass ein solcher Missbrauch stattgefunden hat.

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