Implenia-Chef Jens Vollmar kämpft gegen fragwürdige Einsprachen und Regulierungen
Wohnungsnot müsste nicht sein!

Der Wohnungsmangel in der Schweiz verschärft sich zusehends. Warum wird aber nicht mehr gebaut? Jens Vollmar, Implenia-CEO, spricht im Interview über Gründe und sagt, wie die Preise womöglich wieder sinken könnten.
Publiziert: 00:34 Uhr
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Aktualisiert: vor 26 Minuten
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Implenia-CEO Jens Vollmar spricht im Interview mit Blick über die Wohnungsnot in der Schweiz.
Foto: Philippe Rossier

Darum gehts

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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Der Wohnungsmarkt sorgt für Resignation. Auch bei Implenia-CEO Jens Vollmar (40). Er empfängt Blick am Hauptsitz des grössten Bauunternehmens in der Schweiz in Opfikon ZH. Im modernen Gebäude wird die Schweiz von morgen mitgeplant. Doch der Nachschub auf dem Wohnungsmarkt stockt, die Not nach Wohnraum wird grösser.

Blick: Herr Vollmar, Sie als Bauunternehmer dürften kaum Schuld daran haben, dass in der Schweiz zu wenig gebaut wird?
Jens Vollmar: Nein, an den Baufirmen liegt es sicher nicht. Die Kapazitäten in der Bauindustrie sind gross genug. Weil die hohe Zuwanderung und Urbanisierung anhalten, führt das zu einer steigenden Nachfrage. Es gibt mehrere Gründe, warum weniger gebaut wird.

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Implenia-CEO Jens Vollmar spricht sich für den Abbau von Regulierungen aus.
Foto: Philippe Rossier

Und welche wären das?
Wir hatten die Unsicherheit, wie sich die Zinsen entwickeln. Mit steigenden Zinsen und höheren Baukosten haben sich viele Projekte nicht mehr gelohnt und wurden nicht umgesetzt. Zudem gab es für institutionelle Investoren dank höherer Zinsen wieder mehr Anlagealternativen gegenüber Immobilien.

Die Zinsen sind ja wieder deutlich gesunken, doch der Bauboom bleibt aus. Weshalb?
Die gesamte Baukonjunktur zieht jüngst wieder deutlich an. Beim Wohnungsbau ist der Anstieg jedoch geringer. Es gibt für Bauherren einfach zu viele Hürden, die sie von Investitionen abhalten. Tiefe Zinsen allein lösen keinen Bauboom aus.

Es gibt keine einfache Lösung?
So ist es. Wir müssen auf eine Vielzahl von Massnahmen setzen. Zum Beispiel durchgängig digital zu planen und so viel effizienter zu bauen. Zudem sicher unbedingt bei den zahlreichen Regulierungen abbauen. Die Schweiz hat sich lange Zeit durch verlässliche Planbarkeit und politische Stabilität ausgezeichnet. Aktuell haben wir zu viel Unsicherheit und behördlich auch Widersprüche.

Die Schweiz habe in den Städten und in der Peripherie noch sehr viel Potenzial für Verdichtung, sagt Jens Vollmar.
Foto: Philippe Rossier

So viel hat sich an den Regulierungen in den letzten zehn Jahren nicht geändert und die Politik will den strenger gewordenen Lärmschutz wieder aufweichen.
Die geplante Lockerung beim Lärmschutz würde sicher helfen. Dann haben wir aber immer noch verschiedene Behörden, die jeweils unterschiedliche Aussagen zu Themen wie Ortsbild- oder Denkmalschutz machen. Teils ändern gar während eines Projekts die Spielregeln. Beispielsweise, indem plötzlich ein höherer Anteil an preisgünstigen Wohnungen gefordert wird. Wir haben das bei Kunden erlebt, deren Bauvorhaben plötzlich wirtschaftlich keinen Sinn mehr machten.

Die Zahl der Einsprachen hat generell massiv zugenommen. Braucht es also strengere Kriterien?
Das Recht, gegen Bauprojekte Einsprache erheben zu können, ist wichtig. Beschwerdeführer können Projekte aber um viele Jahre verzögern. Das ist für Bauherren ein grosses Problem. Sie können und wollen ihr Kapital nicht jahrelang unproduktiv liegen lassen. Fragwürdig ist auch, dass Einsprecher Gründe wie Lärmschutz anführen können, von denen sie nicht einmal selbst betroffen sind. In Zürich wird auch häufig das Bundesinventar für schützenswerte Ortsbilder als Einsprachegrund angegeben. Die Politik hat diese Probleme erkannt. Unter dem Strich haben wir in der Schweiz zu viele fragwürdige Einsprachen.

Zum Beispiel?
Wenn man im Zentrum von Zürich ein Gebäude aufstocken will und es die Sicht auf die ETH Zürich einschränkt, kann das bereits Grund für eine Einsprache aus sehr individuellem Interesse sein. Wir müssen zu mehr Pragmatismus zurückkehren und die Bürokratie vereinfachen.

Einzelne Hochhäuser haben auf die Verdichtung einen begrenzten Effekt. Müsste man in Wohngebieten mit tiefer Wohndichte über die Baureglemente flächendeckend höhere Bauten ermöglichen?
Ja, das wäre zielführend. Die Bevölkerung hat sich mit dem Raumplanungsgesetz klar für eine Innenverdichtung ausgesprochen. Wir haben in der Schweiz noch sehr viel Potenzial in den Städten und in der Peripherie. Könnte man zum Beispiel in der Stadt Zürich flächendeckend eine Etage aufstocken, wäre der Gewinn an Wohnraum enorm. Wir sind auch weit weg von einem Dichtestress, wenn man uns mit grossen europäischen Städten vergleicht.

«Wir sind weit weg von einem Dichtestress», so Vollmar.
Foto: Philippe Rossier

Trotzdem finden immer mehr, es ist genug.
Halten wir am Status quo fest und tun nichts, werden wir zwangsläufig an Wohlstand verlieren. Das Kapital ist mobil und würde einfach in anderen Ländern investiert. Aus meiner Sicht ist das keine Alternative. Deshalb benötigen wir wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen. Nimmt jemand das Risiko auf sich und investiert viel Geld, muss sich das lohnen.

Das hört sich nach noch höheren Preisen an. Die Immobilienpreise sind in diesem Jahrtausend vielerorts deutlich stärker als die Einkommen gestiegen. Junge Familien können sich kaum mehr ein Eigenheim leisten. Die Mieten steigen. Verstehen Sie den Frust?
Ich bin selbst Familienvater und kann das nachvollziehen. Doch es braucht auch hier Kompromisse. Ich nehme beispielsweise einen längeren Arbeitsweg in Kauf. Jede Minute Reisezeit, die man von einer Stadt entfernt wohnt, senkt die Wohnkosten. Es kann nicht jede und jeder in der Zürcher Innenstadt wohnen. In einer Marktwirtschaft wird der Preis über Angebot und Nachfrage geregelt. Und in den Städten sind auch die Löhne am höchsten. Eingriffe führen da zu einem Wohlstandsverlust. Lockert man aber die Regulierungen, könnte viel mehr Wohnraum entstehen und auch die Preise kämen mehr unter Druck.

Die Realität in Zürich ist derzeit eine andere: Günstiger Wohnraum verschwindet für viel teurere Ersatzneubauten. Müssen Familien einfach damit leben, dass sie wegziehen und ihre Kinder die Schule wechseln müssen?
Es braucht konsensfähige Lösungen. Neben der Wirtschaftlichkeit spielen auch die Umwelt und der soziale Aspekt eine zentrale Rolle. Ich kenne viele Bauherren und Investoren, die bereit wären, bei Bauprojekten prozentual deutlich mehr preisgünstige Wohnungen zu erstellen, wenn sie im Gegenzug eine bessere Planbarkeit und kürzere Prozesse erhalten. Da kann Implenia als führender Entwickler oder Totalunternehmer vermitteln und politisch sowie in der Planung die Interessen für gute Projekte vereinen.

Der grösste Kostentreiber sind die hohen Baulandpreise. Im Kanton Zürich wird die Bevölkerung deshalb über ein Vorkaufsrecht für Städte und Gemeinden abstimmen. Die Hoffnung ist, die Preisspirale beim Bauland zu entschärfen. Was meinen Sie?
Ich bin nicht per se dagegen, wenn die öffentliche Hand ein Grundstück zum Marktwert erwerben will. Was aus meiner Sicht nicht ginge, wäre, dass die Behörden bei solchen Käufen selbst einen Preis festlegen und so den Markt ausschalten. Ich glaube aber auch nicht, dass wir beim Baulandpreis ein Marktversagen haben.

Zur Person: Jens Vollmar

Seit April 2025 ist Jens Vollmar (40) CEO von Implenia. Das grösste Schweizer Bauunternehmen ist im Hoch- und Tiefbau tätig und beschäftigt europaweit über 9400 Personen. Vollmar arbeitet seit 2013 bei Implenia, leitete ab 2015 den damaligen Geschäftsbereich Buildings sowie seit 2019 die Division Buildings als Mitglied der Geschäftsleitung. Vor seiner Tätigkeit bei Implenia war er, nach Ausbildung und Promotion in Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen (HSG), als Senior Consultant tätig. Jens Vollmar wohnt mit seiner Familie im Kanton Aargau.

Philippe Rossier

Seit April 2025 ist Jens Vollmar (40) CEO von Implenia. Das grösste Schweizer Bauunternehmen ist im Hoch- und Tiefbau tätig und beschäftigt europaweit über 9400 Personen. Vollmar arbeitet seit 2013 bei Implenia, leitete ab 2015 den damaligen Geschäftsbereich Buildings sowie seit 2019 die Division Buildings als Mitglied der Geschäftsleitung. Vor seiner Tätigkeit bei Implenia war er, nach Ausbildung und Promotion in Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen (HSG), als Senior Consultant tätig. Jens Vollmar wohnt mit seiner Familie im Kanton Aargau.

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