Journalist warnte in deutscher Zeitung vor Arbeit in der Schweiz
Jetzt spricht das «Lästermaul» des «Südkuriers»

Die Zeitung «Südkurier» warnte Deutsche davor, in der Schweiz zu arbeiten – und löst damit heftige Reaktionen aus. Nun nimmt der Autor des Artikels im Blick Stellung. Amüsant: Er ist selbst Schweizer!
Publiziert: 22.07.2022 um 17:09 Uhr
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Aktualisiert: 22.07.2022 um 19:04 Uhr
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Die Grenze zwischen der Schweiz und Deutschland im Naherholungsgebiet Lange Erlen bei Basel – hier während des Lockdowns.
Foto: keystone-sda.ch
Martin Schmidt

Der Meinungsbeitrag eines Journalisten im «Südkurier» hat die Schweizer Volksseele mitten ins Herz getroffen. Er lässt kaum ein gutes Haar an der Schweiz und zählt gleich mehrere Gründe auf, warum Deutsche nicht hier arbeiten sollten. Sein Beitrag kommt in der Schweiz nicht gut an.

«Alle, die über die Schweiz lästern, sollen zurück nach Deutschland gehen», so einer der zahlreichen emotionalen Kommentare auf Blick.ch. Vereinzelt erntet der Autor aber auch Zuspruch: «Wo er recht hat, hat er recht. Das wollen die Schweizer aber nicht hören, für sie ist hier alles heile Welt.»

«Das war nicht böse gemeint»

Verfasst hat den Artikel Journalist Rolf Hohl (35). Gegenüber Blick betont er, dass er den Meinungsbeitrag mit einem Augenzwinkern geschrieben habe: «Das war nicht böse gemeint.»

Hohl ist selbst Schweizer, hat in Deutschland studiert und bereits in beiden Ländern gelebt und gearbeitet. «Ich kenne also beide Seiten», betont er. Aktuell wohnt er wieder in der Schweiz und arbeitet für den «Südkurier» in Konstanz (D). «Wir haben viele Leser im deutschen Grenzgebiet, die sich unter der Schweiz einfach hohe Löhne vorstellen und sonst kaum etwas über das Land wissen.»

Familienplanung sollte abgeschlossen sein

Für diese Leute beginne ein neuer Job in der Schweiz oftmals mit einem Schock. Hohl zählt die teuren Arztbesuche und die wenigen Ferientage auf. Arbeitskräfte würden in der Schweiz auch jede Menge Überstunden entrichten, zum Teil gar ohne Bezahlung.

Man dürfte in der Schweizer Arbeitswelt auch nicht zu viel Dankbarkeit erwarten. Hohl stört sich auch an der fehlenden Kritikfähigkeit in der Schweiz. Beispielsweise, wenn es um den Ursprung des Schweizer Wohlstands geht. «Das sollte man durchaus kritisch hinterfragen können, ohne dass das heisst, dass man das ganze Land in ein negatives Licht rücken will.»

Hohl relativiert aber auch: «Die Aussagen sind sicher zugespitzt und wie gesagt, auch nicht ganz ernst gemeint, sie sollen Interessierten aber aufzeigen, dass in der Schweiz neben dem Lohn auch einige Stolperfallen berücksichtigt werden sollten.»

Schweiz ist bei der Arbeitszeit Europameister

Doch halten die Kritikpunkte des Journalisten einer näheren Betrachtung statt? Ein Blick auf die Arbeitszeiten der europäischen Länder zeigt, dass Schweizerinnen und Schweizer europaweit tatsächlich an der Spitze stehen und teilweise unbezahlte Überstunden leisten. Doch auch in Deutschland ist nicht alles Gold, was glänzt. So leisten die Deutschen durchschnittlich 20 Überstunden pro Jahr, ohne dafür einen Cent zu sehen.

Auch für die Kinderbetreuung muss in der Schweiz weitaus tiefer in die Taschen gegriffen werden. Während in Deutschland der Staat den Grossteil der Kosten übernimmt, müssen Eltern in vielen Schweizer Gemeinden selbst zwei Drittel der Kosten berappen.

Hohl wird mit Rückmeldungen eingedeckt

Beim Selbstbehalt der Krankenkassen hat Hohl hingegen zu stark zugespitzt: In der Regel würde sich dieser auf 2000 Franken belaufen. Stimmt so nicht, die tiefste Franchise liegt bei 300 Franken, die teuerste bei 2500 Franken.

Auch bei Hohl sind zahlreiche Rückmeldungen eingegangen. «Dass es so viele werden, hätte ich dann doch nicht erwartet», sagt er. Einige hätten ihm zugestimmt, andere seien empört gewesen. «Und ich habe auch E-Mails von Grenzgängern erhalten, welche die Schweiz ganz anders erleben.»


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