Darum gehts
- Jungfrau-Region auf Fodor's «No List» wegen Massentourismus-Bedenken
- Tourismusorganisation weist Vergleich mit anderen Destinationen zurück
- 1,06 Millionen Gäste besuchten 2025 das Jungfraujoch
Einmal im Jahr veröffentlicht der US-Reiseführer Fodor’s seine berüchtigte «No List». Es sind jene Destinationen, von denen man laut den amerikanischen Reiseexperten lieber die Finger lassen sollte. Die Hauptgründe jeweils: Massentourismus, überlastete Ökosysteme, genervte Einheimische. Auf der Liste 2026 stehen kaum überraschende Touri-Hochburgen wie die Kanarischen Inseln, Mexiko-City oder die Region rund um das Montmartre-Quartier in Paris. Doch dieses Jahr trifft es erstmals auch die Schweiz.
Die Jungfrau-Region im Berner Oberland wurde in die globale Negativliste des Fodor’s aufgenommen. Die Amis begründen den Schritt mit der explodierenden Anzahl Besucherinnen und Besucher. «Die Menschen sind gierig darauf, den Gipfel zu besuchen, den die Schweizer als Top of Europe bezeichnen. Aber sie belasten die schwindenden Gletscher, die natürlichen Ressourcen und das tägliche Leben der Schweizer Bevölkerung.»
«Das ist Äpfel mit Birnen verglichen»
Die Reaktion aus dem Berner Oberland auf die zweifelhafte Ehre? Deutlich. «Man kann nicht Orte wie die Kanarischen Inseln oder Mexico-City mit Besucherströmen in zweistelliger Millionenhöhe mit einer alpinen Destination wie der Jungfrau-Region vergleichen. Das ist, wie wenn man Äpfel mit Birnen vergleicht», regt sich Marc Ungerer (57), Tourismusdirektor der Jungfrau Region, im Gespräch mit Blick auf.
«Unsere Besucherströme bewegen sich selbst mit dem Tagestourismus deutlich im einstelligen Millionenbereich», sagt er. Das stimmt. Im vergangenen Jahr besuchten 1,06 Millionen Gäste das Jungfraujoch – quasi der Kassenschlager in der ganzen Region. Das ist zwar der zweithöchste Wert in der Geschichte. Aber wenig im Vergleich zu Paris: Das Montmartre-Quartier zählte 2024 über 11 Millionen Besucherinnen und Besucher.
«Die ganze Region profitiert»
Der amerikanische Reiseführer führt mit den Kanarischen Inseln eine logische Destination auf. Schliesslich protestierten in diesem Sommer in ganz Spanien Einheimische gegen den Übertourismus, Mietpreisexplosionen wegen Airbnb und Ferienwohnungen sowie überfüllte Strände. In Mexiko-Stadt kam es im Sommer 2025 sogar zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen ausländische Zuzüger.
In der Jungfrau-Region sind die Einheimischen bislang nicht auf die Barrikaden gegangen. Dazu gibt es laut Ungerer auch gar keinen Grund. «Unser Tourismus ist sicher nicht mit einem Massentourismus vergleichbar, wie er an prominenten Orten derzeit weltweit festzustellen ist. Gerade der ÖV und unsere Bergbahnen konnten dank der hohen Besucherzahlen in eine unvergleichliche Infrastruktur investieren, wovon nun die ganze Region profitiert.»
Kein Besucherrückgang
Die grosse Frage für die Saison 2026: Schadet das Erscheinen auf der «No List» von Fodor's der Jungfrau-Region? Ungerer glaubt nicht daran. Wegen Massentourismus-Bedenken konnte man bislang keinen Besucherrückgang feststellen.
«Selbstverständlich gibt es Gäste, welche die stark besuchten Ausflugsziele weniger schätzen und sich auch entsprechend einbringen», sagt Ungerer. «Aber auch für diese Gäste existieren mehr als genug Freiräume und ebenso attraktive Ausflugsvarianten abseits der bekannten Gästeströme, die sie sehr zu schätzen wissen.» Seine Meinung ist klar: Der Ami-Reiseführer kann schreiben, was er will. Die Jungfrau-Region lässt sich das lukrative Geschäft mit den Touristen deswegen nicht verderben.