Gewerkschaftspräsidentin Alleva kritisiert Lohnungleichheit
«Geradezu absurd!»: Chefs verdienen bis 333-mal mehr

Die wirtschaftliche Situation ist angespannt. Noch immer steigen die Löhne von Angestellten mit niedrigen Einkommen deutlich langsamer als jene in den Chefetagen. Die Gewerkschaft Unia prangert diese Zustände an. Doch wie prekär ist die Situation tatsächlich?
Publiziert: 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 07:00 Uhr
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Die Toplöhne in der Schweiz nehmen laut einer Unia-Studia weiterhin überproportional zu.
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Darum gehts

  • Der Novartis-Chef verdient 333-mal mehr als eine Angestellte mit dem tiefsten Lohn
  • Eine Unia-Studie zeigt die weite Lohnschere in Schweizer Unternehmen auf
  • Das durchschnittliche Verhältnis zwischen dem höchsten und tiefsten Lohn beträgt 1:143
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Novartis-Chef Vas Narasimhan (49) verdiente im vergangenen Jahr 19,2 Millionen Franken – oder 1,6 Millionen pro Monat. Das ist 333-mal mehr als ein Angestellter des Basler Pharmamultis mit dem tiefstmöglichen Monatslohn von rund 4800 Franken. Heisst: Dieser müsste für einen einzigen Monatslohn, den sein Chef erhält, fast 27 Jahre schuften.

Dies geht aus der am Montag veröffentlichten jährlichen Lohnscheren-Studie der Gewerkschaft Unia hervor. In der Studie wird das Verhältnis zwischen dem höchsten und dem tiefsten Lohn in einem Unternehmen verglichen und analysiert. Novartis bildet hierbei das krasseste Beispiel; bei Firmen wie dem Vermögensverwalter Partners Group oder dem Pharmaunternehmen Galderma ist die Situation aber ähnlich.

Die Studie hält auch fest, dass sich die Dividendenausschüttungen an die Aktionäre im Jahr 2024 bei den total 39 untersuchten Unternehmen auf 46 Milliarden Franken belaufen hätten. Zudem hätten viele Aktionäre von Aktienrückkäufen profitiert. Das macht laut Unia-Präsidentin Vania Alleva (56) deutlich, dass die Unternehmen genug Geld hätten, um gerade tiefere Löhne zu erhöhen.

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Cheflöhne steigen prozentual stärker als Normallöhne

Wobei: Das Verhältnis zwischen dem höchsten und dem tiefsten Lohn beträgt im Durchschnitt aller 39 untersuchten Firmen 1:143. Das ist etwas weniger als im Vorjahr, als die Differenz noch bei 1:150 lag. Für Alleva jedoch kein Grund für Optimismus, wie sie zu Blick sagt: «Es ist noch immer viel zu viel, geradezu absurd!»

So grotesk kann die Lohnschere sein

Bis in die 70er-Jahre lag in der Schweiz das durchschnittliche Verhältnis zwischen tiefstem und höchstem Lohn bei 1:24. Heute liegt dieses Verhältnis bei 1:143. Und das, obwohl die Löhne generell gestiegen sind. 2024 lagen die Schweizer Medianlöhne laut Unia-Schätzung bei rund 84'000 Franken. Trotzdem müsste eine Person mit diesem Lohn 228 Jahre arbeiten, um auf das Jahresgehalt von Novartis-CEO Vas Narasimhan (49) zu kommen.

Von US-Zuständen ist man aber noch weit entfernt. Elon Musk (54), dessen Vermögen zwischen 2012 und 2024 bereits von 2 auf 436 Milliarden anwuchs, hat kürzlich vom Tesla-Vorstand einen Vorschlag für ein Vergütungspaket erhalten, das ihn zum weltweit ersten Billionär machen könnte, sofern er die gesetzten Unternehmensziele erreicht. Der auf US-Bundesebene festgehaltene minimale Stundenlohn verblieb derweil zwischen 2012 und 2024 bei mickrigen 7.25 Dollar.

Bis in die 70er-Jahre lag in der Schweiz das durchschnittliche Verhältnis zwischen tiefstem und höchstem Lohn bei 1:24. Heute liegt dieses Verhältnis bei 1:143. Und das, obwohl die Löhne generell gestiegen sind. 2024 lagen die Schweizer Medianlöhne laut Unia-Schätzung bei rund 84'000 Franken. Trotzdem müsste eine Person mit diesem Lohn 228 Jahre arbeiten, um auf das Jahresgehalt von Novartis-CEO Vas Narasimhan (49) zu kommen.

Von US-Zuständen ist man aber noch weit entfernt. Elon Musk (54), dessen Vermögen zwischen 2012 und 2024 bereits von 2 auf 436 Milliarden anwuchs, hat kürzlich vom Tesla-Vorstand einen Vorschlag für ein Vergütungspaket erhalten, das ihn zum weltweit ersten Billionär machen könnte, sofern er die gesetzten Unternehmensziele erreicht. Der auf US-Bundesebene festgehaltene minimale Stundenlohn verblieb derweil zwischen 2012 und 2024 bei mickrigen 7.25 Dollar.

Die Gewerkschafterin stört sich vor allem daran, dass der Anstieg bei den Toplöhnen im vergangenen Jahr 18 Prozent betrug, bei Normallöhnen aber nur 1,8 Prozent. «Und jetzt versucht noch eine bürgerliche Mehrheit im Parlament, mit einem Lohnsenkungsgesetz geltende Mindestlöhne auszuhebeln», so Alleva. Würde diese Vorlage umgesetzt, könnten gesetzlich festgelegte kantonale Mindestlöhne künftig durch tiefere Löhne in Gesamtarbeitsverträgen unterboten werden.

Getroffen würden damit Menschen in tiefen Lohnklassen, «während die Cheflöhne weiter steigen».

Mehrere Hebel zur Reduktion der Lohnschere

Alleva führt mehrere Hebel ins Feld, um die Lohnschere wieder zu verringern: Die Unia verlangt eine generelle Lohnerhöhung von 2 bis 2,5 Prozent und höhere Mindestlöhne von 4500 Franken für Ungelernte und 5000 Franken für Arbeitnehmende mit einem Lehrabschluss. Ob das realistisch ist, lässt sie offen, fügt aber an: «Es wäre gerechtfertigt und möglich.»

Dazu müsste man bei Toplöhnen von der individuellen Lohnpolitik wegkommen, die Exzesse erst ermöglicht. Dazu brauche es aber politischen Willen.

Falscher Fokus bei der Unia-Studie?

Für Vergütungsexperte Timon Forrer (44) vom Beratungsunternehmen Kienbaum sind die Forderungen der Unia unrealistisch: «Unsere auf einer Unternehmensbefragung basierende Gehaltsentwicklungsprognose sieht 1,3 Prozent vor, was bei einer Inflationserwartung von 0,5 Prozent über unseren Erwartungen liegt.» In Anbetracht von wirtschaftlichen und geopolitischen Ereignissen der vergangenen Wochen könnte die effektive Lohnrunde laut Forrer sogar tiefer ausfallen. Viele Firmen wollen der Studie zufolge die Personalkosten senken.

Dazu sei die Lohnschere im Vergleich zum Ausland eher enger. «Es würde helfen, den Fokus nicht auf ein paar Konzern-CEOs zu legen, die nicht mit dem lokalen Markt zu vergleichen sind», kritisiert Forrer. Er rechnet mit einer vorläufig stabil bleibenden Lohnschere in der Schweiz.

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