So hart treffen die Unwetter Gemüsebauer Mosers Ernte
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«Haben sehr viel Ausfall»:So hart treffen die Unwetter den Betrieb von Gemüsebauer Moser

Gemüsebauer Michael Moser (37) hat den Salat
Auf den Feldern ertrinken sogar die Regenwürmer

Die Unwetter der letzten Tage haben Folgen. Die Felder stehen unter Wasser, die Ernte ist kaputt. Im Winter droht jetzt ein Engpass beim Lagergemüse. Das spüren Konsumenten bei den Preisen.
Publiziert: 17.07.2021 um 00:41 Uhr
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Aktualisiert: 17.07.2021 um 08:49 Uhr
Michael Moser auf seinem Kartoffelfeld in Kerzers: Das Gemüse verfault im nassen Boden.
Foto: Peter Gerber
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Marc Iseli und Rachel Hämmerli

Michael Moser (37) steht knietief im Wasser. Seine Kartoffeln verfaulen auf dem Feld. Die Unwetter der letzten Tage sorgen für einen Totalausfall beim Gemüsebauern aus Kerzers FR.

Wo das Feld noch nicht komplett überflutet ist, präsentiert sich ein völlig durchnässter Boden. Die Gummistiefel sinken ein, bleiben im morastigen Schlamm stecken. Unter diesen Bedingungen wächst fast nichts mehr. Die Wurzeln des noch jungen Gemüses verfaulen. Das Ganze ist selbst für die Regenwürmer zu viel. Sie verenden im Wasser, sagt Bauer Moser, und treiben in den Lachen auf dem Feld oder den Pfützen am Wegrand. Land unter im Berner Seeland.

«Das ist ein Jahrhundertereignis», sagt Moser. Zuerst der Hagel Ende Juni, dann der grosse Regen. «So etwas habe ich noch nie erlebt.» Bitter: «Der Hagel hat alles niedergemäht, den Mais zerhauen, den Lauch und den Salat durchlöchert.» Was überlebt hat, ertrinkt mit den Würmern jetzt im Wasser. «Das Gemüse verfault im nassen Boden», sagt Moser. Die Ware eignet sich nicht einmal zum Viehfutter.

Bauer Moser ist kein Einzelfall in der Region

Die meisten Bauern aus der Region teilen das Schicksal von Moser, zeigt eine Umfrage von Blick. Ihre Felder sind verwüstet. Und das hat Folgen für die Konsumenten im ganzen Land, denn das Seeland ist die Gemüsekammer der Schweiz. 25 bis 30 Prozent des inländischen Gemüses wächst im Boden rund um den Murten-, den Bieler- und den Neuenburgersee. Es landet in den Regalen aller grossen Händler.

Tatsächlich sind Migros, Coop, Aldi, Lidl und die anderen Händler bereits jetzt vermehrt auf Importgemüse angewiesen, sagt Markus Waber (31), stellvertretender Direktor vom Verband Schweizer Gemüseproduzenten. Betroffen sind die typischen Sommergemüse wie etwa Broccoli, Blumenkohl oder Salat.

«Bei dem Gemüse auf dem Feld gibt es besonders hohe Ausfälle», so Waber. Nur Tomaten, Gurken oder Auberginen wachsen in Gewächshäusern und waren dort vor den Unwettern geschützt. Aber selbst unter der Glaskuppel gibt es Probleme: Der verregnete Sommer sorgte für lichtarme Verhältnisse, das Gemüse wuchs nur verzögert. Die Migros sagt, dass sie momentan mehr importieren muss als in anderen Jahren. «Fast alle Kulturen sind betroffen», so ein Sprecher.

Wie stark der Preisanstieg ist, zeigt sich noch

Der Mangel an Schweizer Gemüse könnte bis zum Frühling anhalten. Im Juli sollten die Gemüsebauern Karotten und Zwiebeln säen, um damit das Lager für die Wintermonate zu füllen. «Jetzt sind die Böden aber noch zu nass dafür», sagt Waber. Und je später die Gemüsegärtner säen können, desto mehr reduziert sich erfahrungsgemäss der Ernteertrag.

«Das kann sich auch auf den Preis niederschlagen», so Waber. Wird das Angebot kleiner, steigt der Preis. «Wie hoch, kann man aber noch nicht beziffern.»

Er hofft jetzt auf das Verständnis von Detailhandel und Konsumenten. «Es kann sein, dass das Gemüse nicht perfekt aussieht oder man den Salat vielleicht einmal mehr waschen muss.» Wenn das Konsumenten und Detailhandel akzeptieren, könnte ein Teil der Ernte doch noch verkauft werden.

Kartoffeln nicht versichert

Bauer Moser bleibt derweil auf seinem Schaden sitzen. Die Hagelversicherung zahlt nur für den zerschlagenen Lauch und den zerlöcherten Salat. Die verfaulten Kartoffeln sind nicht versichert.

«Wir haben mit einem Ertrag von 30 bis 40 Tonnen gerechnet», sagt er – und zeigt auf ein Feld mit Frühkartoffeln. Das Wasser bedeckt grosse Teile davon. Möwen aus dem nahen Murtensee schwimmen darin, essen die toten Würmer. Die Kartoffeln im Boden sind uneinbringbar. Der Verlust für Bauer Moser: 40’000 bis 50’000 Franken.

Moser hat drei Kinder. 50 Angestellte arbeiten für seinen Betrieb. Der Hofladen im Dorfkern ist eine Anlaufstelle für alle Einwohner der 5000-Seelen-Gemeinde im Kanton Freiburg. «Eigentlich müsste ich jetzt Leute entlassen», sagt Moser, «Kosten senken.» Aber er hält an seinem Personal fest und sitzt das schwierige Jahr aus.

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Hoffnung für das Lagergemüse

Immerhin: Die Frühkartoffeln sind geerntet, das Gemüse in den Gewächshäusern ist unversehrt – ein Glück für Moser. Er hofft darauf, dass er beim Verkauf einen guten Preis erzielen kann.

Der Betrieb ist seit Generation in Familienbesitz. Sein Grossvater war schon Bauer, der Vater ebenfalls. Er war es auch, der das Unternehmen ganz auf Gemüse ausgerichtet hat, weg vom Vieh. Produziert wird sowohl konventionell als auch biologisch.

Die letzten Rüebli gräbt Moser im November oder im Dezember aus. Es ist das berühmte Lagergemüse, der wichtige Nährstofflieferant für die langen Wintermonate. Damit könnte es noch was werden, sagt Moser. Aber für den Kabis sieht es schlecht aus. Auch dem habe das Unwetter den Garaus gemacht.

Wie ist das möglich?

Gewitter oder Starkregen können für Regenwürmer tödlich sein. Der Wurm wird durch die Vibration der Regentropfen aus seiner Wohnröhre an die Oberfläche gelockt. In Pfützen und stehenden Gewässern fehlt ihm dann der Sauerstoff, den er über die Hautatmung aufnimmt. Hier sprechen Naturschützer vom Tod durch Ertrinken beziehungsweise durch Ersticken. Andere erklären in Pfützen treibende, tote Würmer mit dem UV-Licht, dass die empfindliche Haut der an die Oberfläche gelockten Regenwürmer verbrannt hat, sodass die Hautatmung versagte.

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