«Schweizer Finanzinstitute können viel Stress aushalten»
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Finma-Chef Stefan Walter:«Schweizer Finanzinstitute können viel Stress aushalten»

Finma-Direktor warnt vor Risiko-Verschärfung
Warum sind unsere Banken für Sie zu lasch bei der Hypotheken-Vergabe, Herr Walter?

So kompetente Leute wie hier habe er in seiner ganzen Karriere noch nie gesehen, lobt der Finma-Direktor die Schweiz. Stefan Walter ortet erhebliche Risiken im Immo-Markt und bei der Bankenregulierung. Mit der UBS-Spitze stehe er in Kontakt.
Publiziert: vor 24 Minuten
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Finma-Chef Stefan Walter.
Foto: Thomas Meier

Darum gehts

  • Finma-Direktor warnt vor verschärften Risiken im Schweizer Finanzsektor
  • Hypothekenrisiko steigt, Banken lockern interne Kreditvergabekriterien zu stark
  • 25 bis 40 Prozent der Hypotheken werden ausserhalb interner Richtlinien vergeben
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Direktoren der Finanzmarktaufsicht (Finma) werden normalerweise nicht nach ihrem Namen, sondern nach ihren Kompetenzen ausgewählt. Doch es ist ein lustiger Zufall, dass Blick Stefan Walter (60) zum Interview ausgerechnet am Fusse des Waltersteigs trifft, wo die Finma ihre Zürcher Büros hat. Ein Gespräch über Banken, Risiken, Hypotheken und die UBS. Wobei aus seiner Sicht zur letzten Schweizer Grossbank vieles schon gesagt ist.

Blick: Herr Walter, schlafen Sie noch gut, wenn Sie die Risiken auf dem Finanzplatz anschauen?
Stefan Walter:
Grundsätzlich schlafe ich gut. Aber ja, wenn Sie die Risiken ansprechen, dann hat sich die allgemeine Lage weiter zugespitzt. 

Das heisst konkret?
Die externen Gefahren haben sich verschärft: Sanktionen, Staatsverschuldung, geopolitische Auseinandersetzungen, die hohen Preise an den Aktienmärkten, die Risikoaufschläge auf Unternehmens- oder Staatsanleihen – all das kann gefährlich sein für den Finanzplatz Schweiz. 

Haben Sie nicht die US-Zölle vergessen?
Ja, wir haben kurz nach dem «Liberation Day» Anfang April gesehen, wie schwankungsanfällig die Finanzmärkte sein können. Deshalb ist Resilienz – also Widerstandsfähigkeit – das Gebot der Stunde für alle Finanzinstitute in der Schweiz. Denn Krisen und Schocks kommen normalerweise von aussen. 

Ausser bei der Credit Suisse …
… der Auslöser kam aus den USA, von einer Krise mittelgrosser Banken, die Verwerfungen und Schockwellen rund um den Globus auslöste. 2008 war es die Hypothekenkrise, die aus dem Ausland kam. Solche Schocks sind jederzeit möglich, deshalb müssen die Banken und andere Finanzinstitute gut geführt sein und die Risiken im Griff haben. Das ist die Kernbotschaft unseres jährlichen Risikomonitors. 

Diese Botschaft scheint aber nicht überall anzukommen, etwa bei den Tragbarkeitskriterien für die Vergabe von Hypotheken?
Das Risiko bei den Hypotheken ist gross, die Preise steigen weiter, und die Gefahr einer Korrektur ist entsprechend hoch. Wir haben festgestellt, dass der Spielraum bei der Vergabe von Hypotheken von diversen Banken übermässig ausgenutzt wird. Das heisst, die bankinternen Kriterien sind zu locker oder es gibt einen hohen Anteil an Finanzierungen jenseits der selbst festgelegten Tragbarkeitskriterien. 

Wie hoch ist dieser Anteil?
Die Ausnahmen von den internen Kreditvergabekriterien liegen bei vielen Banken zwischen 25 und 40 Prozent. Wenn wir das feststellen, warnen wir diese Institute, dass dies weder im Interesse der Bank noch ihrer Kunden ist. 

Raiffeisen, UBS oder Kantonalbanken, welche Banken haben Sie im Visier?
Wir geben keine Namen bekannt, da wir ja Zugang zu vertraulichen Informationen haben. Zudem wollen wir ein Problem lösen und nicht ein neues auslösen. Erst wenn ein zusätzlicher Kapitalpuffer nötig würde, könnten wir das öffentlich machen. 

Den zu laschen Umgang mit den Vergabekriterien haben Sie schon in vorhergehenden Risikoanalysen festgestellt. Wieso ändert sich nichts?
Der Konkurrenzdruck ist gross, Wachstum in einem gesättigten Markt schwierig. Die Kosten für die Finanzierung von Häusern sind angestiegen. Die Versuchung der Finanzinstitute ist gross, gewisse Ausnahmen zu machen, weil es in der Vergangenheit auch gut gegangen ist. Wenn wir merken, dass eine Bank diesbezüglich zu weit geht, greifen wir ein. 

Haben Sie genügend Personal, um bei allen Schweizer Banken genau hinzuschauen?
Mein Ziel ist es, die Kapazität der Finma für mehr eigene Vorort-Kontrollen auszubauen, um die erhöhten Risiken besser abzudecken. Auch um sich etwas weniger auf externe Wirtschaftsprüfer zu stützen, die auch die Finanzprüfungen machen. Zum Beispiel ist deren Anreiz, ihre eigenen Bewertungen und Empfehlungen zu Rückstellungen zu hinterfragen, nicht gerade hoch. Wir müssen vor Ort selber hinschauen. Das ist gerade beim grössten Risiko der Banken, dem Kreditrisiko, zentral. 

Hilft es bei der Personalsuche, dass die Banken gerade viele Stellen abbauen?
Ja, wir können uns die guten Leute schon aussuchen. Viele sehen den Sinn hinter ihrer Arbeit bei der Aufsicht, sind stolz darauf, dass sie mitarbeiten können, die Widerstandsfähigkeit des Finanzplatzes zu stärken. 

Sie waren bei der Fed und bei der EZB – hätten sie gerne die Feuerkraft dieser grossen Institutionen?
Jede Aufsichtsbehörde hat ihre Vor- und Nachteile. Die Stärke der Finma ist ihre Professionalität und die Qualität der Mitarbeitenden. So kompetente Leute wie hier habe ich in meiner ganzen Karriere noch nie gesehen.

Stefan Walter im Interview mit den Blick-Wirtschaftsredaktoren Christian Kolbe und Ulrich Rotzinger.
Foto: Thomas Meier

Kurz vor Weihnachten: Welche Wünsche hat der Finma-Direktor auf seiner Liste?
Das wäre eine lange Liste, angefangen beim Verantwortlichkeitsregime, der Möglichkeit, Enforcement-Verfahren nach Abschluss öffentlich zu machen, der Kompetenz, Bussen verteilen zu können. Wir sind eine der wenigen Aufsichtsbehörden, die diese Kompetenz nicht hat. 

Wieso will auch die Finma Bussen verhängen können – bei der CS haben Milliardenbussen zu keiner Änderung im Geschäftsgebaren geführt?
Es ist ein grosser Unterschied, ob Bussen im Ausland bezahlt werden müssen oder im Heimmarkt, direkt an die verantwortliche Aufsichtsbehörde. Zudem muss die Busse genügend hoch sein und veröffentlicht werden können, damit sie eine abschreckende Wirkung hat. Und sie sollte sich negativ auf die Höhe der Boni auswirken können. Wichtig ist, dass dies für alle Banken gilt und nicht nur für die systemrelevanten. Sonst könnte der Eindruck entstehen, wir schauten nur bei den Grossen genau hin. 

In der Schweiz tobt die Debatte vor allem um die Regulierung der UBS. Wie gehen Sie mit diesem Druck um?
Ich arbeite seit 35 Jahren für Aufsichtsbehörden. Da habe ich so ziemlich alles an Kampagnen der globalen Lobbyindustrie erlebt, was denkbar ist. Etwa im Nachgang zur Finanzkrise von 2008. Was gab es da nicht alles für Warnungen: Einbruch des Wachstums oder einer Wirtschaftskrise, wenn die Aufsichtsbehörden stärkere Kapitalregeln verhängen. Was ist passiert? Nichts! Und in der Covid-Krise war der Bankensektor dann ein wichtiger Pfeiler bei der Bewältigung der Pandemie.

Thomas Meier
Persönlich: Stefan Walter

Stefan Walter hat am 1. April 2024 die Leitung der Finanzmarktaufsicht Finma übernommen. Der 60-jährige Deutsche war während zehn Jahren Generaldirektor der Europäischen Zentralbank (EZB). Zuvor hatte Walter während zwei Jahren die Rolle als «Global Bank Regulatory and Supervisory Policy Network Leader» bei Ernst & Young inne. Von 2006 bis 2011 war er Generalsekretär des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht. Davor bekleidete er während dreizehn Jahren verschiedene Positionen bei der Federal Reserve Bank (FED), zuletzt als Senior Vice President, verantwortlich für Supervisory Policy, Financial Analysis und Financial Stability. Walter lebt in Zürich und hat noch eine kleine Wohnung in Bern.

Thomas Meier

Stefan Walter hat am 1. April 2024 die Leitung der Finanzmarktaufsicht Finma übernommen. Der 60-jährige Deutsche war während zehn Jahren Generaldirektor der Europäischen Zentralbank (EZB). Zuvor hatte Walter während zwei Jahren die Rolle als «Global Bank Regulatory and Supervisory Policy Network Leader» bei Ernst & Young inne. Von 2006 bis 2011 war er Generalsekretär des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht. Davor bekleidete er während dreizehn Jahren verschiedene Positionen bei der Federal Reserve Bank (FED), zuletzt als Senior Vice President, verantwortlich für Supervisory Policy, Financial Analysis und Financial Stability. Walter lebt in Zürich und hat noch eine kleine Wohnung in Bern.

In der Schweiz geht eher die Angst um, dass wir zu viel tun könnten, während alle anderen die Regeln lockern …
… das Gegenteil ist der Fall. In der Schweiz haben wir eine Art negatives Swiss Finish. Erst wenn die Schweiz das Too-big-to-fail-Paket umsetzt, wären wir auf Augenhöhe mit dem Ausland. Selbst wenn andere Finanzplätze wie die USA, Grossbritannien oder Europa inzwischen ihre Regeln wieder etwas lockern. 

Das sieht die UBS anders, vor allem in Bezug auf die Erhöhung der Kapitalanforderungen.
Die Bilanzsumme der UBS ist deutlich grösser als die jährliche Wirtschaftsleistung der Schweiz. In anderen Ländern erreicht die Bilanz der grössten Bank höchsten die Hälfte des BIP. Deshalb braucht es in der Schweiz hier höhere Standards. 

Sind sie im Austausch mit der Spitze der UBS, gibts da auch mal ein Whatsapp, wir sollten wieder mal reden?
Wir haben ein sehr umfangreiches Aufsichtsprogramm für die UBS definiert, und der Austausch findet auf allen Ebenen statt. 

Ein Shitstorm in den sozialen Medien hat den Untergang der CS beschleunigt. Sind die Banken für solche Attacken inzwischen besser gewappnet?
Es sind ja nicht die sozialen Medien allein, sondern auch die Möglichkeit, heute über digitale Kanäle schnell viel Geld abziehen zu können. Die beste Versicherung dagegen ist ein funktionierendes Geschäftsmodell. Deshalb setzt sich die Finma so stark für einen resilienten Finanzplatz ein. 

Wie gefährlich sind Cyberattacken für diesen Finanzplatz?
Da haben die Banken Fortschritte gemacht. Die Gefahr geht vor allem von der Zusammenarbeit mit Drittanbietern aus, also zum Beispiel von Datenbanken oder Cloud-Lösungen. Wir fordern die Banken auf, bei ihren Lieferanten dafür zu sorgen, dass die Verteidigungsmechanismen genauso gut sind wie bei der Bank selbst.

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