Fashion-Branche in der Krise
«Wer nur auf Nachhaltigkeit setzt, hat verloren»

Viele Shops mit nachhaltigen Fashion-Produkten mussten schliessen. Plastikindustrie-Subventionen machen Fast Fashion günstiger als Fair Fashion.
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«Wir wissen von vielen Mitbewerbern und Lieferanten, die in den letzten zwei Jahren schliessen mussten», sagt Sebastian Lanz vom Fair-Fashion-Store Rrrevolve

Darum gehts

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Caroline Freigang
Beobachter

Nachhaltige Mode hat es nicht leicht am Markt. Für viele steht sie für hohe Preise («Die Jeans ist zwar teurer, aber fairer produziert!»). Sie setzt voraus, dass man sich mit seinem Konsum auseinandersetzt («Wie fair ist das Shirt wirklich hergestellt? Wie recycle ich es?»). Und sie zwingt uns, uns festzulegen («Der Mantel war so teuer, der muss mindestens fünf Winter halten!»).

Im Vergleich dazu hat Fast Fashion leichtes Spiel. Sie garantiert den sofortigen Dopaminkick – hyperbillig, bald achtlos weggeworfen, Qualität irrelevant. Arbeitsbedingungen? Egal. Neuer Kauf, neues Glück. 

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Dabei fing es so gut an für die Fair-Fashion-Branche. Gleichzeitig mit dem Erstarken der Klimajugend und einem grünen Shift in der Politik kauften immer mehr Kundinnen und Kunden «conscious» ein. Etliche vermeintlich nachhaltige Brands entstanden. Sogar die Grossen wie H&M, C&A oder Zara entdeckten Nachhaltigkeit für sich.

Viele mussten schliessen

Die Corona-Pandemie gab der Bewegung nochmals ordentlich Schub. Plötzlich sassen alle zu Hause, viele hatten mehr Budget und Zeit, um ausgiebig zu recherchieren, welches T-Shirt aus besonders ökologischer Baumwolle und garantiert ohne Kinderarbeit gefertigt war. 

Fair Fashion hat gegen die Kleiderberge von Fast-Fashion-Anbietern einen schweren Stand.
Foto: Dan Cermak

Doch der Hype endete im Jahr 2022, wie Sebastian Lanz vom Fair-Fashion-Store Rrrevolve sagt. «Am 24. Februar, als Russland den Krieg gegen die Ukraine startete, fand abrupt ein Mindshift statt. Man redete plötzlich über Sicherheit, Aufrüstung, steigende Kosten. Nachhaltigkeit rutschte aus dem Fokus», sagt er. «In unsicheren Zeiten wollen Leute ihr Geld zusammenhalten. Und nachhaltige Mode wird mit höheren Preisen verbunden.»

Vor 2023 sei Rrrevolve jährlich um 50 Prozent gewachsen. Damit war plötzlich Schluss. Mittlerweile hat sich sein Geschäft stabilisiert, sagt Lanz. Aber: «Wir wissen von vielen Mitbewerbern und Lieferanten, die in den letzten zwei Jahren schliessen mussten.» Mehrere kleinere Geschäfte bestätigen diese Einschätzung. «Wir expandieren mit unserer Marke aktuell nach Deutschland. Dort ist der Fair-Fashion-Markt aber noch unter viel grösserem Druck als in der Schweiz», sagt etwa Oliver Balsiger von Lavie.

Doch auch hierzulande wird es schwieriger, die Leute für nachhaltige und fair produzierte Produkte zu begeistern. Lavie versucht dies über gute Beratung.

Plastiksubventionen sind schuld

Christian Kägi, Gründer von Qwstion, eines Brands für nachhaltige Taschen, sieht noch einen anderen Grund für die Krise: die Plastikindustrie. 70 Prozent aller Kleider enthalten heute Polyester und Polyamid, während der Naturfaseranteil mehr oder weniger konstant geblieben ist.

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«Die Erdölindustrie wird heute mehr denn je subventioniert, durch Investitionshilfen und Steuererleichterungen – und fast das gesamte Plastik wird aus Erdöl hergestellt», so Kägi. Das zeigt auch ein neuer Bericht des Internationalen Währungsfonds. «Eigentlich wurde mit dem Pariser Klimaabkommen beschlossen, dass die Subventionierung und Bevorteilung dieser schädlichen Industrie enden muss. Das Gegenteil ist passiert», konstatiert Kägi.

Die externen Kosten der Plastikproduktion würden zudem der Gesellschaft aufgebürdet. «Die Auswirkungen auf die Gesundheit wegen des Mikroplastiks, die Klima- und Entsorgungskosten – all das wird den zukünftigen Generationen weitergegeben.» Dies mache plastikhaltige Produkte gegenüber Naturfasern viel günstiger. «Das hat Fast Fashion erst ermöglicht», so Kägi. 

Sebastian Lanz von Rrrevolve hat in diesem schwierigen Umfeld seine Lehren gezogen. «Wer nur auf Nachhaltigkeit setzt, hat verloren», sagt er. Der Begriff sei ausgehöhlt. «Wir kommunizieren andere Aspekte: Qualität, Beratung in den Läden, Zirkularität.» Ob die Rechnung aufgeht, wird sich zeigen. Lanz jedenfalls hofft, dieses Jahr wieder mit einem Plus abzuschliessen.

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