Darum gehts
- Cyclelab: Erste digitale Velowerkstatt der Schweiz in Zürich eröffnet
- Online-Buchung, Abholung und Lieferung des reparierten Velos nach Hause
- Expansion geplant: Basel soll noch dieses Jahr dazukommen
Morgens um halb elf Uhr bringt ein Mitarbeiter Arbeitsnachschub für die erste digitale Velowerkstatt der Schweiz. Das Cyclelab in Zürich Altstetten sieht aus wie eine normale Velowerkstatt, wenn auch noch etwas chaotisch, da seit der Eröffnung vor knapp drei Wochen noch keine Zeit blieb, das Ladenlokal fertig einzurichten.
Cyclelab verbindet die analoge Welt der Werkstatt mit der digitalen des Onlineshoppings. Genau wie Kleider von zu Hause aus einzukaufen oder eine Reise von unterwegs zu buchen, lässt sich die Reparatur des Velos beim Zürcher Start-up online buchen. Zum vereinbarten Termin wird das Velo abgeholt und nach der Reparatur wieder zum Kunden nach Hause gebracht.
Veloboom nach Corona
«Ich bin ein begeisterter Biker, doch das Velo flicken zu lassen, hat mir immer den letzten Nerv geraubt», erzählt Philipp Tholen (46), der die Idee für die neuartige Velowerkstatt hatte. Nach einer erfolgreichen Karriere in der Life-Science-Branche beschliesst Tholen, umzusatteln und aus seiner Leidenschaft eine Geschäftsidee zu machen.
Schnell ist klar, dass er keine Velos verkaufen will, da in der Branche immer noch ein Überangebot herrscht, Velofirmen immer mal wieder Stellen abbauen müssen. «Das Einzige, das läuft, ist die Werkstatt. Denn all die während und nach Corona gekauften Velos müssen regelmässig geflickt werden», so der Jungunternehmer.
Besonders jetzt ist der Ansturm auf die Velowerkstätten riesig, die Wartezeiten lang. «Als Velohändler müsste der Tag im Frühling 48 Stunden haben, im Herbst und Winter würden drei Stunden reichen», sagte Martin Platter (60), Geschäftsführer des Branchenverbands Velosuisse schon letztes Jahr im Blick. Die Situation hat sich nicht verbessert, im Gegenteil: «Bedingt durch das schöne Wetter der letzten Wochen sind die Wartezeiten noch länger als im letzten Jahr.»
Abholung in der Stadt gratis
Auch bei Cyclelab gibt es erst am Freitag den nächsten freien Abholtermin, der Donnerstag ist bereits ausgebucht. Dann allerdings geht es schnell: «Unser Ziel ist es, das Velo innert drei Arbeitstagen wieder beim Kunden abzuliefern», so Tholen.
Innerhalb der Stadt Zürich kostet der Transport – entweder mit einem Lieferwagen oder einem E-Bike mit Anhänger – in den meisten Stadtkreisen nichts. Abgeholt werden defekte Velos aber auch im Limmattal oder aus Gemeinden am Zürichsee. Je nach Distanz kann das bis zu 45 Franken kosten. Ein weiterer Vorteil: Die meisten Aufträge sind für Cyclelab lukrativ – nur, um eine Klingel anschrauben zu lassen, ruft niemand den Velomech.
Zürich ist nur der Anfang
Obwohl in der Branche Fachkräftemangel herrscht, musste die Firma nicht lange nach Velomechanikern suchen: «Schon in der Aufbauphase hatten wir 20 bis 30 Bewerber pro Monat», sagt Tholen. «Bei uns können die Mitarbeiter das tun, was sie am liebsten machen: Schrauben! Und müssen nicht noch nebenbei Handschuhe oder Helme verkaufen.» Zudem bezahlt Cyclelab etwas mehr als in der Branche üblich, dafür gehört die Online-Werkstatt auch zu den eher teureren Anbietern von Veloreparaturen. «Wir bewegen uns preislich im oberen Drittel», so Tholen. Was aber die Kunden in der auch sonst nicht günstigen Stadt Zürich längst gewohnt sind.
Das Cyclelab in Zürich soll nur der Anfang sein, noch in diesem Jahr soll eine weitere Werkstatt in Basel aufgehen, weitere Standorte in «klassischen Velostädten» wie Bern, Winterthur oder Luzern sollen folgen. Selbst aus dem benachbarten Ausland gibt es bereits Interesse am Konzept. «In fünf Jahren wollen wir in vier Ländern präsent sein», umreisst Tholen die ambitionierten Ziele einer Firma, die noch keinen Monat am Markt ist.