Darum gehts
- Banknoten sind mehr als Zahlungsmittel, sie spiegeln die nationale Identität wider
- Viele Banknoten verzichten auf umstrittene Porträts und setzen auf Symbolisches
- Über 300 Designer bewarben sich für die 10. Banknotenserie der Schweiz
Banknoten sind weit mehr als nur Zahlungsmittel, sie sind Symbole nationaler Identität und stille Chronisten des Zeitgeists. Ihre Gestaltung verrät oft mehr über ein Land, als man auf den ersten Blick vermutet. Die Persönlichkeiten und Symbole auf dem Papiergeld sind nationale Selfies, Ausdruck der eigenen Wahrnehmung, staatliche Visitenkarten. Das war nicht immer so.
Die ersten Banknoten glichen eher signierten Quittungen. Es waren handschriftliche Zettel, nummeriert, signiert und mit Siegel oder Wappen versehen. Sie waren wie heutige Banknoten übertragbar, aber sehr funktional gestaltet, also ohne künstlerische Designs oder Porträts. Noch waren sie einfache Zahlungsmittel und keine standardisierten, staatlich garantierten Wertträger wie heutige Banknoten. In Schweden (1661) waren sie mit Kupferplatten abgesichert, in England (1694) mit Staatsanleihen (staatlichen Schuldtiteln) und in Frankreich (1716–1718) mit Silber.
Mit dem ersten Papiergeld in den Bankrott
Erst mit dem Aufstieg der Nationalstaaten und Zentralbanken im 19. Jahrhundert wurden Banknoten zum Zeichen staatlicher Autorität. Sie sollten Identität stiften, gemeinsame Mythen beschwören – und vor allem Vertrauen schaffen. Denn die ersten Experimente – wie das Papiergeld des schottischen Finanzgenies, Duellanten und Womanizers John Law of Lauriston (1671–1729) – hatten Frankreich in den Bankrott getrieben. Die meisten Menschen teilten danach die Ansicht des französischen Philosophen Voltaire (1694–1778), wonach jedes Papiergeld früher oder später zu seinem inneren Wert zurückkehrt – nämlich null.
Mit aufgedruckten Porträts von Königen, Wissenschaftlern, Staatsgründern, Kriegshelden, Forschern und Künstlern versuchte man, das verlorene Vertrauen in Papiergeld zurückzugewinnen. So wurden Banknoten zur stolzen Visitenkarte einer Nation.
Auf der Note zeigt sich der Zeitgeist
Bereits in den 1830er- und 1840er-Jahren tauchten in den USA die ersten Geldscheine mit prominenten Köpfen auf. In Frankreich setzte die Banque de France ab den 1860er-Jahren zunächst auf Grafiken, die Handel, Industrie oder Verkehr symbolisierten. Später dominierten reale Persönlichkeiten wie Kardinal Richelieu (1941), Mikrobiologe Louis Pasteur (1942), König Henri IV. (1942), Philosoph René Descartes (1942) oder Napoleon (1945) das Design. Mit dem Dramatiker Molière (1953) und dem Literaten Victor Hugo (1959) wurden erstmals auch Persönlichkeiten aus der Kultur gewürdigt.
Im Unterschied zum eher nüchtern gestalteten US-Dollar wurden französische Banknoten zu kleinen farbigen Kunstwerken mit Vignetten und komplexen Zeichnungen. Sie trugen zum kulturellen Gedächtnis bei, denn wer auf einem Geldschein erscheint, wird zum offiziellen Teil eines kollektiven Erinnerns – und genau das machte Banknoten zu einem Seismografen politischer Veränderungen. Aber auch zum Gegenstand heftiger Debatten. Der Zeitgeist setzte mit der Neubewertung von historischen Ereignissen und Personen immer wieder neue Kriterien. Helden von damals waren plötzlich Bad Boys – und ihr Porträt auf der Banknote wurde zum Symbol ihres Scheiterns.
Irgendjemand hat immer Grund zum Motzen
Banknoten sind nie neutral. Es gibt heute bei der Illustration neuer Geldscheine kaum noch Entscheide, die nicht kontrovers diskutiert werden. Irgendjemand fühlt sich immer übergangen oder benachteiligt. Selbst auf den Philippinen löste der philippinische Adler auf der neuen polymeren 1000-Peso-Note hitzige Debatten aus, weil er die drei heldenhaften Freiheitskämpfer José Abad Santos, Vicente Lim und Josefa Llanes Escoda ersetzte.
Würde man alle Porträtwünsche berücksichtigen, wären neue Banknoten länger als die Zürcher Bahnhofstrasse. Und dann käme noch die Frage, wer die 20er-Note und wer die 1000er-Note ziert – denn es gibt je nach Serie nur fünf bis sechs Notenwerte. Aus diesem Grund verzichten weltweit immer mehr Nationalbanken auf das Abbilden von Menschen und wählen stattdessen Tiere, Pflanzen oder Abstraktes.
Heute geht es um Design statt Geschichte
Auch die Schweiz folgt diesem Trend. In der achten Banknotenserie (1995) sahen wir noch historische Persönlichkeiten wie den Kunsthistoriker Jacob Burckhardt, Alberto Giacometti, Sophie Taeuber-Arp oder Le Corbusier. Doch ab der neunten Serie (2016) wollte man offiziell nicht mehr die Vergangenheit thematisieren, sondern die Zukunft. Design statt Historie. Porträts wurden ersetzt durch mehrheitsfähige Themen wie Zeit, Licht, Wasser und Kommunikation, visualisiert durch symbolische Elemente.
Auch bei der geplanten zehnten Banknotenserie bleibt die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihrer neuen Gestaltungsvorgabe treu. Thema ist «Die Schweiz und ihre Höhenlagen». Die Serie soll die unterschiedlichen Höhenlagen der Schweiz darstellen, vom Jura über das Mittelland bis zu den Alpen, von den Gipfeln zu den Tälern, und das Leben darin.
Die SNB schrieb im Herbst 2024 einen Designwettbewerb aus. Bis Mitte Dezember 2024 reichten über 300 Gestalterinnen und Gestalter ihre Bewerbung ein. Zwölf erhielten den Auftrag zur Ausarbeitung der Skizzen, Eingabefrist war der 31. Juli 2025. Die mit Spannung erwarteten Ergebnisse liegen nun vor, sie werden in den nächsten Wochen dem Publikum vorgestellt.
Public Voting – die Bevölkerung kann mitbestimmen
Wer entscheidet, welche Skizze das Rennen für die Gestaltung der zehnten Banknotenserie macht? Die Nationalbank vertraut einem Beirat aus den Bereichen Kunst, Gestaltung und Banknotenentwicklung. Aber auch die Meinung der Schweizer Bevölkerung zählt. Mittels Onlineumfrage werden alle für ihren Favoriten stimmen können.
Neue Banknotenserien erscheinen etwa alle 15 Jahre. Nach dieser Zeitspanne erreichen Noten ihr Verfalldatum und sind nur noch für Sammler interessant. Für die Nationalbank bietet sich jeweils die Gelegenheit, die Fälschungssicherheit auf den neusten Stand zu bringen, denn auch das kriminelle Gewerbe lernt laufend dazu. Doch die SNB ist ihm stets einen Schritt voraus.
Schweizer Banknoten sind mit ihren 15 Sicherheitsmerkmalen weltweit führend und gelten als die fälschungssichersten der Welt. Durchsichtfenster, Mikrotext, Farbwechseldruck, UV- und Infrarotmerkmale, taktile Prägung für Sehbehinderte und Sicherheitsstreifen mit Bewegungseffekt (Globus) sind für Trickser eine Nummer zu gross. Entsprechend selten werden Schweizer Geldscheine gefälscht und entsprechend häufig international ausgezeichnet.
Sicher vor Fälschungen, gewappnet für jedes Klima
Neben Gestaltung und Sicherheit gibt es ein weiteres Kriterium: die klimatischen Verhältnisse im Einsatzgebiet. In Kanada sind Polymernoten seit 2011 mit Eisschutz in Umlauf. Sie halten Temperaturen von –40 bis +40 °C stand. Im feuchtheissen Nigeria mussten die Kleinwertnoten aus Baumwolle – anfällig für Bakterien und Schimmel – durch Polymernoten ersetzt werden. Auch in Singapur und auf den Philippinen setzt man auf tropenresistente Polymerscheine. In Chile waren wegen der Höhenlagen und der damit verbundenen UV-Strahlung kontrastreiche Farbnoten notwendig. In Ländern mit geringen Hygienestandards sind seit Covid-19 Banknoten mit antibakterieller Beschichtung im Umlauf.
Die zehnte Schweizer Banknotenserie muss all diesen Vorgaben gerecht werden. Wie die Finalisten diese grosse Aufgabe gemeistert und das Thema der Höhenlagen visuell umgesetzt haben, werden wir im August, spätestens September erfahren.
Claude Cueni ist Schriftsteller und lebt in Basel. In seinem internationalen Bestseller «Das Grosse Spiel» (Heyne) schildert er das abenteuerliche Leben des Finanzgenies, Gamblers, Duellanten und Womanizers John Law of Lauriston, der Geld aus Papier erfand und damit das Fundament unseres heutigen Finanzsystems legte.