Darum gehts
Es beginnt mit öligen Händen auf viel nackter weiblicher Haut, dazu geheimnisvolle Musik. Dann sagt eine Frau in die Kamera: «Am letzten Tag am Morgen hiess es: So, und jetzt machen wir Analfisting.»
Im gleichen Stil geht es weiter. Rund dreissig Minuten lang werden in der SRF-Sendung «Impact Reportage» happige Vorwürfe erhoben gegen die Tantramassage-Schule Bodywork Center und deren Gründer und Leiter Dietmar Liebold. Es geht um Machtmissbrauch, Grenzüberschreitungen und «sektenartige Strukturen».
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
Da nützt es kaum etwas, dass der Titel des Beitrags («Machtmissbrauch in der Tantra-Szene?») mit einem Fragezeichen versehen wurde. «20 Minuten», «Nau» und auch Blick übernahmen die Vorwürfe weitestgehend.
Das Bodywork Center ist die älteste und grösste Tantramassage-Schule der Schweiz. Liebold selbst gilt als einflussreiche Figur in der Szene. Er ist überzeugt, dass er deswegen einigen ein Dorn im Auge ist. «Man versucht mit allen Mitteln, den Ruf von mir, meiner Partnerin und den der Schule zu schädigen», sagt er zum Beobachter.
90 Beanstandungen bei der Ombudsstelle der SRG
Tatsächlich gibt es zumindest erhebliche Zweifel an der Darstellung von SRF. So gingen bereits 90 Beanstandungen gegen die Sendung ein, wie die Ombudsstelle der SRG auf Anfrage bekannt gibt. So viele wie keine andere Sendung im gesamten letzten Jahr.
Kritisiert wird etwa, dass die beiden Hauptbelastungszeugen, Patrick Angele und Patricia Heierli, von SRF als unabhängige Tantramasseure dargestellt werden. Dabei ist Angele Co-Präsident des Berufsverbands Tantramassage Schweiz. Zudem sind die beiden Geschäftspartner. Heierli arbeitet in der Praxis von Patrick Angele. Auch dies verschwieg SRF.
Angele sei in der Sendung als «Privatperson» aufgetreten, verteidigt sich die Sendungsverantwortliche auf Anfrage des Beobachters. Er habe «persönliche Erfahrungen» geschildert und gebe «keine Einschätzung aus der Sicht des Berufsverbands».
Doch der Auftritt von Angele in der SRF-Sendung sorgte innerhalb des Berufsverbands gehörig für Unruhe. Inzwischen ist ein Mitglied des vierköpfigen Vorstands zurückgetreten. Und für die nächste Mitgliederversammlung wurde ein Misstrauensvotum eingereicht: Angele sowie die beiden anderen verbleibenden Vorstandsmitglieder sollen ebenfalls abtreten.
Inhaltlich wurden dem Bodywork Center in der SRF-Sendung pauschal Grenzüberschreitungen vorgeworfen. Einen der wenigen konkreten Vorwürfe erhob Patricia Heierli. Sie ist die Frau, die zu Beginn des TV-Beitrags den Eindruck erweckt, in einem Kurs sei Analfisting praktiziert worden. Bodywork-Center-Leiter Liebold weist das zurück. «Es ging im Kurs um eine Analmeditation, bei der achtsame Berührungen geübt werden.»
Eine Teilnehmerin aus dem kritisierten Kurs, die anonym bleiben möchte, widerspricht Heierlis Darstellung ebenfalls. Heierli sei damals direkt von einer Fetischparty gekommen. Sie soll erzählt haben, wie dort Männer den Frauen «mit den ganzen Fäusten in den After gehen» und wie schockiert sie darüber sei. «Ich denke, sie hat da in ihrem Erleben diese Party mit dem Kurs vermischt.»
Analfisting-Vorwurf plötzlich nicht mehr so gemeint
Heierli reagierte nicht auf eine Anfrage des Beobachters zu diesem Vorwurf. Sie verwies lediglich auf den Blick-Podcast «Sichtbar», in dem sie sich zur Sendung äusserte. Sie rudert nun plötzlich vom Vorwurf zurück: Analfisting sei im Kurs «letztlich nicht praktiziert, sondern nur so angekündigt worden», sagte sie.
SRF schreibt, die Reportage fokussiere darauf, dass die Grenzen der Protagonistin nicht respektiert worden seien. «Es wurde nicht behauptet, dass Analfisting tatsächlich durchgeführt wurde.»
Für Liebold und seine Schule ist der Schaden jedenfalls angerichtet. Die letzten Monate seien äusserst belastend und schlimm gewesen für ihn und seine Partnerin, sagt er. «Die einseitigen, haltlosen und anonymen Vorwürfe aus einer Spanne von 18 Jahren Berufstätigkeit machten uns fassungslos, und wir fühlten uns ohnmächtig.»
Was ihn am meisten störe: «Die Sendung baut lediglich auf subjektiven Eindrücken auf, und das SRF hat sich bewusst dagegen entschieden, Gegenstimmen zu senden, obwohl es von diesen gewusst hat.»
Das SRF schreibt dazu, man habe insgesamt mit 15 Personen gesprochen. «Die Kritikpunkte sind breit abgestützt und werden von mehreren Personen unabhängig voneinander geäussert.» Es sei an zwei Stellen im Beitrag erwähnt, dass es auch zufriedene Kursteilnehmende gibt. Die Reportage fokussiere auf das Bodywork Center, «da die Schule als grösste ihrer Art in der Schweiz besondere Verantwortung trägt. Ziel war es, Missstände aufzuzeigen und dem Beschuldigten vorzulegen.»