Brisante These eines Ökonomen
Unsere Bequemlichkeit bremst die Wirtschaft aus

Der Schweiz droht ein massiver Arbeitskräftemangel. Der Ökonom Johannes von Mandach hat berechnet, dass die Überalterung der Bevölkerung die Wirtschaft viel weniger bremst als der unbändige Wunsch nach mehr Freizeit.
Publiziert: 24.07.2025 um 18:11 Uhr
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Aktualisiert: 14:12 Uhr
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Lieber im Park als im Büro oder hinter der Werkbank: Der Schweizer Wirtschaft gehen die Arbeitskräfte aus.
Foto: Keystone

Darum gehts

  • Schweizer Wirtschaft fehlen Arbeitskräfte
  • Wunsch nach Freizeit bremst das Wirtschaftswachstum
  • Sinkende reguläre Arbeitszeit hat den grösseren Effekt als die Alterung der Bevölkerung
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Der Schweiz gehen die Arbeitskräfte aus: In zehn Jahren fehlen unserer Wirtschaft rund 400’000 Angestellte, so eine Studie der Schweizerischen Nationalbank. Schweizerinnen und Schweizer kriegen zu wenige Kinder. Die SNB geht zudem von einer tieferen Zuwanderung aus, da das Durchschnittsalter in allen Industrieländern rasch steigt. Auch in der Schweiz gehen in den nächsten Jahren reihenweise Menschen aus den geburtenstarken Babyboomerjahrgängen in Pension. Immer mehr Rentner und immer weniger Arbeitskräfte, die die Rente finanzieren und die Wirtschaft am Laufen halten: Das hemmt langfristig die Entwicklung der Wirtschaft.

Doch es gibt noch einen weiteren Hemmschuh: «Der Wunsch nach mehr Freizeit bremst das Wirtschaftswachstum stärker als die Alterung», sagt Johannes von Mandach (30), leitender Ökonom bei Wellershoff & Partners.

Wer es sich leisten kann, arbeitet weniger

Die Zahlen zur Arbeitsmoral der Schweizerinnen und Schweizer sorgen für Diskussionen. Gerne wird die wenig aussagekräftige durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Arbeitskräfte ins Feld geführt. Beschäftigte leisten noch 30 Stunden pro Woche. 1980 waren es noch 38 Stunden. Kritiker wittern darin einen Trend zur Faulheit. Im Vergleich zu damals nehmen heute jedoch viel mehr Frauen am Erwerbsleben teil – und das oft in Teilzeit. Die Jahresarbeitszeit pro Person im Erwerbsalter hat sich in den letzten 15 Jahren kaum verändert.

Von Mandach hat die reguläre Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten unter die Lupe genommen. Diese hat in den letzten zehn Jahren um 2,5 Prozent abgenommen. Die Gründe dafür: Mehr Ferientage, die Wochenarbeitszeit ist gesunken und die Angestellten fallen öfters krank aus. «Ab einem gewissen Wohlstandsniveau verzichtet man zugunsten von mehr Freizeit auf zusätzliches Einkommen», so von Mandach.

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Allerdings könnte etwas mehr Freizeit ein anderes Problem entschärfen: «Die krankheitsbedingten Arbeitsausfälle haben zugelegt. Besonders in körperlichen Berufen», sagt Adrian Wüthrich (45), Präsident von Travailsuisse, dem Dachverband der Arbeitnehmenden. «Die hohe Arbeitsbelastung sorgt bei den Angestellten für ein hohes Stresslevel und Ausfälle», ergänzt er. 

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Wie in vielen anderen Ländern sinkt auch in der Schweiz die reguläre Arbeitszeit – schon seit längerem. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts fiel sie auf noch 42 Stunden, heute gilt in der Schweiz in vielen Jobs eine 40-Stunden-Woche.

KI könnte Situation entschärfen

Das sei natürlich positiv, so von Mandach, bringe aber auch negative Folgen mit sich. Er hat nachgerechnet: Der Wachstumsverlust durch die Verkürzung der regulären Arbeitszeit ist 3,5-mal so gross wie der demografische Effekt. «Wir sprechen immer nur über die Alterung der Bevölkerung. Doch wir sollten uns bewusst sein, dass die Reduktion der Arbeitszeit einen viel grösseren Effekt hat», führt er aus. 

Aus Sicht der Bevölkerung ist die zusätzliche Freizeit ein Gewinn an Wohlstand. Für die Wirtschaft sind die fehlenden Arbeitskräfte aber eine Wachstumsbremse. Fehlt es in der Schweiz an Personal, können die Unternehmen nicht wie gewünscht wachsen. «Der angenehmste Weg wäre natürlich, dass die Produktivität stark steigt und das Wachstum auf diesem Weg stattfindet», so von Mandach.

In den letzten Jahren gelang es jedoch nur der Pharmaindustrie, produktiver zu werden, wie eine Analyse von Wellershoff & Partners zeigt. «Die meisten anderen Branchen haben stagniert», so der Ökonom. Künftig könnte die künstliche Intelligenz helfen. 

Um die drohende Riesenlücke bei den Arbeitskräften zu schliessen, schlägt die Nationalbank in ihrer Studie folgende Massnahmen vor: längere Arbeitstage, höheres Rentenalter oder mehr Zuwanderung. «Doch alle drei Ansätze stossen politisch auf Widerstand», dämpft von Mandach die Hoffnungen der Wirtschaft.

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