Darum gehts
- Schwimm-WM in Singapur: Käfer legten US-Team lahm, Ledecky jagt Phelps
- 12-jährige Chinesin Yu Zidi sorgt für Aufsehen mit starken Leistungen
- Léon Marchand unterbietet Weltrekord über 200 Meter Lagen um 1,31 Sekunden
Die Schwimm-WM in Singapur hat viele interessante Kapitel geschrieben. Aufregung gab es bereits vor dem Start. Käfer legten das halbe US-Team ins Bett. Attackiert haben die fiesen Dinger bereits im Trainingslager im thailändischen Phuket. «Akute Gastroenteritis» wurde danach diagnostiziert. Ein paar Athleten ging es gar so schlecht, dass sie die Reise nach Singapur verschieben mussten. Den Käfern kann man sicherlich eine Mitschuld daran geben, dass das Abschneiden des US-Teams weniger dominant ausfiel wie in anderen Jahren.
Ledecky jagt Phelps
Den Käfern getrotzt hat die 28-jährige Freistilschwimmerin Katie Ledecky. Die US-Amerikanerin, neunfache Olympiasiegerin, holte in Singapur ihre 22. und 23. WM-Goldmedaille auf der Langbahn. Nur Überschwimmer Michael Phelps (USA), der im Juni 40 geworden ist, kann diese Zahl mit seinen insgesamt 26 WM-Goldmedaillen übertrumpfen. Ledecky wird noch einige Jahre weiter schwimmen. Auf den Rekord angesprochen sagt sie: «Das ist nichts, was ich verfolge. Michael ist der Beste. Er ist das Mass aller Dinge im Schwimmsport. Ich nehme einfach Rennen für Rennen und versuche, mein Bestes zu geben. Was auch immer passiert, passiert.»
12-Jahrige lässt aufhorchen
Am meisten zu reden gab aber eine Chinesin: die 12-jährige Yu Zidi. Zweimal schwamm sie in Singapur auf Rang vier. In der 4x200-Meter-Staffel wurde sie im Halbfinal eingesetzt, im Final nicht mehr. Dort gewann China Bronze und auch Zidi bekam eine Medaille. Die Frage, die sich alle stellen: Wie sind diese Leistungen in solch einem jungen Alter möglich? Antworten geben die Chinesen selber: Da steckt ganz viel, sehr harte Arbeit dahinter. Zudem sei Yu Zidi ein Wunderkind.
Zweifel bleiben. Das Thema Kinderdoping im DDR-Sport ist verjährt, aber nicht vergessen. Aber anzumerken ist auch, dass es schon immer Wunderkinder im Schwimmsport gab. Dass zum Beispiel Katie Ledecky mit 15 bereits Olympiagold gewann, dass sich Franziska van Almsick mit 14 bei den Spielen in Barcelona vier Medaillen umhängen konnte, dass Inge Sørensen in Berlin 1936 zwölfjährig Olympiabronze gewann. Den Jugendrekord hält übrigens Alzain Tareq (20) aus Bahrain. Sie stand an der WM 2015 zehnjährig über 50 Meter Delfin am Start.
Pontis lockere Vorbereitung
Noè Ponti verriet ein kleines Geheimnis aus dem inneren Zirkel, zu dem Zuschauer und Medien keinen Zutritt haben. Er beschrieb die Stimmung im Warteraum vor dem Final über 50 Meter Delfin. «Alle waren sehr konzentriert und in sich gekehrt», erzählte Ponti nach dem Rennen. «Man hat die Nervosität gespürt. Nur Thomas Ceccon und ich haben locker miteinander geplaudert.»
Der Italiener Ceccon und der Tessiner Ponti sehen sich nicht nur ähnlich, sie sind beste Freunde, die auch die Ferien zusammen verbringen. Dass die beiden ihre Nervosität vor dem Final weggeplaudert haben, war offensichtlich genau die richtige Vorbereitung aufs Rennen. Ponti gewann kurz darauf die Silber-, Ceccon die Bronzemedaille. Der Tessiner: «Gemeinsam mit Thomas auf dem Podest zu stehen, das war ein sehr gutes Gefühl.»
Enttäuschung über die Goldmedaille
Wenn die Konkurrenz keine Rolle mehr spielt, weil man so überlegen ist, dann kann es zu solchen Szenen kommen. Über 200 Meter Delfin siegte die kanadische Superschwimmerin Summer McIntosh mit drei Sekunden Vorsprung auf die zweiplatzierte Amerikanerin Regan Smith. Es war bereits der dritte Sieg von McIntosh in Singapur. Doch die 18-Jährige schlug noch im Wasser die Hände vor den Kopf und fluchte für alle sichtbar. «Fuck, fuck, fuck.»
McIntosh erklärte danach das, was zuvor für die Zuschauer so irritierend wirkte: «Mein Ziel war der Weltrekord, darauf habe ich mich zusammen mit meinem Trainer vorbereitet.» Erst bei der Siegerehrung konnte sie wieder lächeln: «Ich bin happy mit der Goldmedaille und eine persönliche Bestzeit zu schwimmen, ist immer schön. Aber es tut weh, sein Ziel so knapp zu verpassen. Leider waren meine letzten Meter nicht perfekt.» McIntosh wollte eigentlich fünf Goldmedaillen gewinnen – es wurden am Ende «nur» vier. Denn über 800 Meter Freistil wurde sie von Ledecky und der Australierin Lani Pallister geschlagen. Sehr zum Ärger der verwöhnten Kanadierin, die mit tiefsaurer Miene und ohne den Kontrahentinnen zu gratulieren, das Bassin verliess.
Sponsoren-Logo auf der Brust
Aufgefallen ist Summer McIntosh in Singapur nicht nur mit ihrem Gehabe und ihren Leistungen. Auf dem Badeanzug der Kanadierin prangte unter dem Ahornblatt das Logo ihres persönlichen Sponsors. Das ist bisher ein sehr seltener Anblick im Schwimmsport. Wer weiss, welche Türen sie damit aufgemacht hat. «Summer McIntoshs Karriere steigt in die Stratosphäre», hiess es danach auf der Website des Red-Bull-Konzerns. Eine etwas unglückliche Formulierung, so kurz nach dem Todesunglück des österreichischen Extremsportlers Felix Baumgartner (†56). Der Red-Bull-Athlet wurde 2012 mit seinem Sprung aus der Stratosphäre weltbekannt.
Das Kirgistan-Wunder
Da stand er plötzlich als Dritter über 100 Meter Brust auf dem Podest. Denis Petrashov, 25-jähriger Schwimmer aus Kirgistan. Kein unbeschriebenes Blatt hat er doch bereits drei Mal bei Olympia teilgenommen. Doch dieser WM-Coup hat ihm keiner zugetraut. Nicht mal er selber. «Ich bin ja eigentlich kein emotionaler Mensch, aber das ist für mich sehr berührend. Die erste Medaille für mein Land bei den Weltmeisterschaften, ich bin sehr stolz und glücklich. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet.» In seiner Heimat Kirgistan hat es kein einziges 50-Meter-Becken. Petrashov: «Vielleicht ist das der grosse Schritt, dass sich das jetzt endlich ändert und es bald mehr Ressourcen für das Schwimmen gibt.»
Der Fabel-Weltrekord
Léon Marchand hat mal wieder alle in den Schatten gestellt. Der vierfache Olympiasieger aus Frankreich unterbot im Halbfinal über 200 Meter Lagen die Fabelzeit von Ryan Lochte aus dem Jahr 2011 um 1,31 Sekunden. Das sind Welten im Schwimmsport. Bereits vor den Jubel-Spielen von Paris begegnete der 23-Jährige dem Druck gelassen, getreu seinem Motto: «Du hast dafür geschuftet, also pack dein Geschenk aus.» Nun hat er in Singapur ein weiteres ausgepackt.
Marchand schwamm im Final dann zwar eine Sekunde langsamer als bei seinem Weltrekord im Halbfinal, die 1:53,68 waren aber immer noch die zweitschnellste Zeit aller Zeiten über 200 Meter Lagen. Lochte verlor damit bereits seinen zweiten Weltrekord innerhalb weniger Monate an den Franzosen. Im November 2024 unterbot Marchand die Rekordzeit des Amerikaners über 200 Meter Lagen bereits auf der Kurzbahn um eine Sekunde. Der Weltrekord hatte zuvor zehn Jahre Bestand.
Marchand startete auch über 400 Meter Lagen. Der Franzose deklassierte die Konkurrenz, schwamm auf Bahn 1 ein eigenes Rennen weit voraus, blieb dann aber am Ende doch über zwei Sekunden über seinem eigenen Weltrekord, den er 2023 an der WM in Fukuoka aufgestellt hatte. Der Überschwimmer zeigte zum Abschluss der WM doch noch ein paar menschliche Züge.