Mont-Ventoux-Drama
Ex-Rad-Ass Pfenninger über den Tod von Simpson (†30)

Der Tod von Tom Simpson am Mont Ventoux erschütterte 1967 die Radsportwelt. Der britische Radprofi starb während der Tour de France, vollgepumpt mit Amphetaminen und Alkohol. Der Zürcher Louis Pfenninger erinnert sich an den dramatischen Tag.
Publiziert: 17:06 Uhr
|
Aktualisiert: 17:20 Uhr
Teilen
Schenken
Anhören
Kommentieren
1/12
Der Mont Ventoux, ein Mythos der Tour de France. Eine Steinwüste, kahl und unbarmherzig. Hier liess Tom Simpson 1967 sein Leben.
Foto: Getty Images

Darum gehts

Die Zusammenfassung von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast.
RMS_Portrait_AUTOR_485.JPG
Mathias GermannReporter Sport

Es war der Tag, an dem der Radsport seine Unschuld verlor. Der Tag, an dem der Brite Tom Simpson starb, vollgepumpt mit Amphetaminen und dazu stark alkoholisiert. Der Tag, an dem der Mythos des Mont Ventoux, dieser Feuerberg inmitten der Provence, auf grässliche Weise geboren wurde. Heute fährt der Tour-Tross erneut auf den kahlen Berg, vorbei an der Simpson-Gedenkstätte, hoch hinaus zum Ziel auf 1910 Metern. 

«Als ich an Tom vorbeifuhr, fiel er vom Velo», erinnert sich Louis Pfenninger (80) an jenen dramatischen 13. Juli 1967 zurück. Der Bülacher war damals erst 22 Jahre alt und Simpson, Weltmeister und mehrfacher Klassikersieger, bereits 30 – und trotzdem noch Siebter der Gesamtwertung, einer der Favoriten und motiviert, die Tour de France auf dem obersten Podest zu beenden. Er sollte auf die schlimmstmögliche Weise scheitern – indem er mitten im Rennen sein Leben liess.

Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Rückblick: Es ist ein sonniger Tag im Sommer 1967, als Simpson und 103 weitere Fahrer die 211 Kilometer in Angriff nehmen. «Wenn sie etwas nehmen, dann halte ich einen Toten im Arm», warnt Tour-Arzt Pierre Dumas schon beim Start im Marseille. Genau so kommt es.

42 Grad zeigt das Thermometer an, als Simpson im Anstieg zum Mont Ventoux auf einmal beginnt, eine Zickzacklinie zu fahren. Er ist angeschlagen, kaputt. Und vor allem: gedopt und betrunken. «Damals gab es nicht einfach Wasser aus dem Teamauto heraus, sondern lediglich zwei Verpflegungsposten. Wir sind darum regelmässig in Restaurants gerannt, um etwas zu holen. Toms Teamkollegen taten genau das und reichten ihm eine Flasche – dumm nur, dass es offenbar Weisswein war. Weil er am Verdursten war, trank er alles in einem Zug», so Pfenninger. 

«Put me back on my bike!»

Die Folgen sind fatal. Simpson kippt drei Kilometer vor dem Ziel erstmals vom Velo. «Put me back on my bike!», ruft er den Zuschauern zu. Setzt mich wieder auf mein Rad! Das tun sie, doch er fällt wieder hin. Pfenninger erlebt das Drama, als er vorbeifährt. «Was genau geschah, wusste ich nicht. Ich war selbst völlig kaputt, meine Füsse brannten und mein Hintern auch. Kein Baum, kein Schatten, nichts. Es war eine Tortur», so der spätere Tour-de-Suisse-Sieger (1972). 

Während «Pfänni» leidet, kämpft Simpson um sein Leben. Erfolglos. Auch die Wiederbelebungsmassnahmen von Tour-Arzt Dumas nützen nichts. «Offenbar flog der Helikopter, der ihn ins Spital nach Avignon brachte, zu schnell nach unten. Tom verkraftete das nicht. Ob das stimmt, weiss ich aber nicht. Am Abend erhielten wir jedenfalls die Nachricht, dass er gestorben war.» Die offizielle Todesursache: Herzversagen. 

Pfenninger: «Man musste immer damit rechnen»

War Pfenninger schockiert? Er zögert. Es war bekannt, dass illegale Mittel im Umlauf sind. «Damals musste man immer damit rechnen, dass einer stirbt. Er war voll mit Doping und hatte Alkohol getrunken. Diese Mischung war zu viel des Schlechten.»

Sicher ist: Der 80-Jährige wird auch am Dienstag daheim in Winterthur am TV sitzen und sich die Etappe hinauf zum Mont Ventoux genau anschauen. «Ich verfolge den Radsport noch sehr genau. Auf diese Erinnerungen in meinem Leben hätte ich aber gern verzichtet.»

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?