Darum gehts
Red Jets nennen sie sich. Es ist ein Hauch von Patrouille Suisse in der Leichtathletik. Die Sprintstaffel der schnellsten Frauen des Landes. Präzision und viel Teamspirit sind gefragt, um in Zukunft wieder Spektakel zu liefern.
Genau darauf legt Kim Beytrison (33) Wert. Der Lausanner, der früh eine Trainerlaufbahn eingeschlagen hat, ist der neue Kopf des Schweizer Frauen-Teams. Er bringt frischen Wind in das Prestigeprojekt. Zu Beginn dieser Saison hat er das Ruder übernommen. Nun spricht er mit Blick erstmals über die Neuausrichtung.
«Wichtig, dass wir uns regelmässiger sehen»
Beytrisons Plan: «Ziel ist, ein Team zu haben, das aus Athletinnen besteht, die eng zusammenarbeiten möchten. Es soll tendenziell mehr Trainings und Aktivitäten geben. Mir ist wichtig, dass wir in einem Individualsport einen Teamspirit aufbauen und uns regelmässiger sehen.»
Anfang April gab es einen Kick-off-Event im Wankdorf in Bern. Als Team erarbeitete Beytrison mit den Athletinnen gemeinsam die Prinzipien. Sind Sonderrollen weiterhin erwünscht? Ist das Team einverstanden damit, wenn Schweizer Spitzen-Sprinterinnen erst im Final einsteigen? In welchen Fällen darf man ausnahmsweise bei Trainings fehlen? Solche Fragen. Abwesend bei dieser Auftakt-Zusammenkunft in ihrem Heimstadion: Mujinga Kambundji (32).
Sehen wir die Grand Dame der Schweizer Leichtathletik nicht mehr in der 4x-100-m-Staffel? Diese Frage steht weiterhin im Raum. Zumal die Tendenz bei der Bernerin, die bislang elf internationale Titel geholt hat, eher in Richtung eines weniger dichten Einsatzplans geht. Als 32-Jährige muss sie zwar weniger trainieren als früher, braucht im Gegenzug aber mehr Erholung. «Wir müssen die Starts dosieren», erklärte ihr Trainer und Lebenspartner Florian Clivaz (30) Anfang Jahr.
Die Tür ist noch offen!
Nun ist klar: Im ersten Teil der Outdoor-Saison wird Kambundji dem Staffel-Team definitiv fehlen. Sie reist nicht zur anstehenden WM-Quali nach China (World Relays am 10./11. Mai). Auch an den Teamzusammenkünften nimmt sie vorerst nicht teil, wie man hört.
Setzt man die beiden Seiten wie ein Puzzle zusammen, könnte dies nach einem nahenden Abschied klingen. Aber klar ist auch: Im Juli wollen beide Seiten die Situation nochmals beurteilen. Von Kambundjis Management ist zu vernehmen, dass sie jetzt zuerst schauen wolle, wie ihr Körper auf den ersten Teil der Outdoor-Saison reagiere. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass sie die Signale ihres Körpers respektieren müsse und wolle. Deshalb seien verfrühte Zusagen gar nicht sinnvoll.
Und im Staffel-Team ist eine erneute Diskussion ebenfalls wichtig. Goutiert es im Hinblick auf Highlights wie die Athletissima Lausanne im August oder die WM im September auch sporadische Einsätze einzelner Athletinnen, wie es bei grossen Sprint-Nationen üblich ist? Trainer Beytrison ist es wichtig, dass solche Entscheide im Sinne des Teams gefällt werden. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.
Zürich 2014
Für die Heim-EM 2014 in Zürich gleist der Verband ein Staffel-Projekt auf. Mujinga Kambundji, Marisa Lavanchy und die Sprunger-Schwestern Ellen und Léa rasen in den Final. Dort kommts zum Drama: Startläuferin Kambundji gleitet nach zwei Schritten der Stab aus der Hand, das Aus.
Amsterdam 2016
An der EM schrammen Ajla Del Ponte, Salome Kora, Sarah Atcho und Ellen Sprunger auf Rang 4 an den Medaillen vorbei.
London 2017
Ein WM-Kracher: Rang 5 hinter den USA, Grossbritannien, Jamaika und Deutschland zeigt der kleinen Schweiz, dass eine Staffel-Medaille auch global realistisch ist.
Berlin 2018
Wieder EM-Rang 4, wieder direkt hinter Deutschland. Kambundji, Del Ponte, Kora und Atcho erleben ein Hundertsteldrama, es fehlen nur 0,07 Sec. auf Bronze.
Doha 2019
Kambundji hat WM-Bronze über 200 Meter gewonnen und führt fast auch die Staffel zum Coup. Rang 4. Nur 0,08 Sec. fehlen ihr mit Atcho, Del Ponte und Kora zum Podest.
Tokio 2021
Die Sternstunde: Im Olympia-Final holen Kambundji, Kora, Del Ponte und Riccarda Dietsche Rang 4. Die Zeit von 42,05 sec aus dem Vorlauf ist bis heute Schweizer Rekord.
München 2022
Der Staffel-Tiefpunkt. Mit einer unterirdischen Zeit von 43,93 Sec. scheiden Del Ponte, Kora, Géraldine Frey und Melissa Gutschmidt im EM-Halbfinal aus.
Budapest 2023
An der WM gelingt ein versteckter Coup. Kora, Frey, Gutschmidt und Kouni laufen mit 42,62 Sec. in den Final, das ist die schnellste Zeit jemals (ohne Kambundji/Del Ponte).
Rom 2024
Sarah Atcho-Jaquier weint bittere Tränen. Als Schlussläuferin verliert sie kurz vor dem Ziel den Stab, es passierte im Kampf um EM-Bronze.
Paris 2024
Olympia-Final: Der letzte Wechsel von Pointet zu Kambundji passiert zu spät, Disqualifikation.
Zürich 2014
Für die Heim-EM 2014 in Zürich gleist der Verband ein Staffel-Projekt auf. Mujinga Kambundji, Marisa Lavanchy und die Sprunger-Schwestern Ellen und Léa rasen in den Final. Dort kommts zum Drama: Startläuferin Kambundji gleitet nach zwei Schritten der Stab aus der Hand, das Aus.
Amsterdam 2016
An der EM schrammen Ajla Del Ponte, Salome Kora, Sarah Atcho und Ellen Sprunger auf Rang 4 an den Medaillen vorbei.
London 2017
Ein WM-Kracher: Rang 5 hinter den USA, Grossbritannien, Jamaika und Deutschland zeigt der kleinen Schweiz, dass eine Staffel-Medaille auch global realistisch ist.
Berlin 2018
Wieder EM-Rang 4, wieder direkt hinter Deutschland. Kambundji, Del Ponte, Kora und Atcho erleben ein Hundertsteldrama, es fehlen nur 0,07 Sec. auf Bronze.
Doha 2019
Kambundji hat WM-Bronze über 200 Meter gewonnen und führt fast auch die Staffel zum Coup. Rang 4. Nur 0,08 Sec. fehlen ihr mit Atcho, Del Ponte und Kora zum Podest.
Tokio 2021
Die Sternstunde: Im Olympia-Final holen Kambundji, Kora, Del Ponte und Riccarda Dietsche Rang 4. Die Zeit von 42,05 sec aus dem Vorlauf ist bis heute Schweizer Rekord.
München 2022
Der Staffel-Tiefpunkt. Mit einer unterirdischen Zeit von 43,93 Sec. scheiden Del Ponte, Kora, Géraldine Frey und Melissa Gutschmidt im EM-Halbfinal aus.
Budapest 2023
An der WM gelingt ein versteckter Coup. Kora, Frey, Gutschmidt und Kouni laufen mit 42,62 Sec. in den Final, das ist die schnellste Zeit jemals (ohne Kambundji/Del Ponte).
Rom 2024
Sarah Atcho-Jaquier weint bittere Tränen. Als Schlussläuferin verliert sie kurz vor dem Ziel den Stab, es passierte im Kampf um EM-Bronze.
Paris 2024
Olympia-Final: Der letzte Wechsel von Pointet zu Kambundji passiert zu spät, Disqualifikation.
Ohne Kambundji sind die Chancen der Staffel auf dem Papier kleiner. Oft hat die Bernerin die Schweiz in die Finals oder sehr nahe an Medaillen getragen. Aber die Eingespieltheit ist im Staffellauf eben auch ein Faktor, wie zum Beispiel der Olympiafinal 2024 zeigte. In Paris misslang die Stabübergabe zu ihr als Schlussläuferin im ohrenbetäubend lauten Stade de France. «Unser Experiment ist zur Hälfte nicht aufgegangen», bilanzierte der abtretende Peter Haas (70) danach. Er hatte 2023 und 2024 im Co-Amt gemeinsam mit Raphael Monachon (52) das Staffel-Projekt geleitet und ist früherer Leistungssportchef des Verbands. Sicher auch wegen solcher Erfahrungen setzt Beytrison als neuer Coach auf mehr Vorbereitung und regelmässigere Treffen.
Nicht nur Kambundji fehlt für wichtige Quali
In den am kommenden Wochenende anstehenden World Relays ebenfalls nicht zur Verfügung steht Géraldine Frey (27), eine weitere Topsprinterin. Bei ihr ist allerdings der Abschluss ihres ETH-Studiums der besondere, unausweichliche Grund. «Danach wird sie aber zu 100 Prozent zum Staffel-Team gehören», sagt Beytrison.
Und sind die Riesentalente schon ein Thema, die den etablierten Sprinterinnen gehörig einheizen? Xenia Buri (17) zum Beispiel sprintete an den Schweizer Hallen-Meisterschaften bis auf eine Hundertstel an Frey heran. Timea Rankl (16) wurde mit der U20-Staffel als 15-Jährige Vize-Weltmeisterin. Bei ihnen ist Trainer Beytrison noch vorsichtig: «Ihre Karriereplanungen haben verschiedene Stufen. Zuerst sollen sie in U-Klassen Erfahrung sammeln. Aber sie sind definitiv grosse Zukunftshoffnungen.»
Die traditionsreiche Patrouille Suisse, die Flugstaffel der Armee, steht vor dem Aus. Viel positiver sehen die Aussichten der Red Jets in der Leichtathletik aus – aber es muss noch die grosse Kambundji-Frage geklärt werden.