Kehren neue Besen besser?
Zweifel am Effekt eines Trainerwechsels

In keiner Jahreszeit müssen Fussballtrainer mehr um ihren Job fürchten als im Herbst. Wie viel diese wirklich bringen, fragt sich Oliver Görz im Newsletter Steilpass.
Publiziert: 02.11.2023 um 17:15 Uhr
Fabio Celestini ist neuer Übungsleiter beim FC Basel.
Foto: Pius Koller
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Der Herbst ist statistisch gesehen die Jahreszeit mit den meisten Trainerentlassungen. Klar, vielerorts haben sich in der Anfangsphase der Saison die ersten Trends herausgebildet, und wo diese nicht mehr in Einklang mit der eigenen Zielsetzung zu bringen sind, wird gehandelt. Erschwerend mag hier und da hinzukommen, dass die zunehmend tristen Tage so manchem Klubboss aufs Gemüt schlagen. Gegen beides – schlechte Trends und Herbstblues – scheint es ein probates Allheilmittel zu geben: den Trainerrauswurf.

Über die aktuelle Gemütslage von Basel-Präsident David Degen dringt nicht viel Fundiertes nach aussen. Aber das ist auch nicht nötig, denn der Abwärtstrend beim FCB ist seit Wochen eindeutig. Schon die Trennung von Timo Schultz Ende September durfte nach dem miserablen Saisonstart niemanden überraschen. Und nach einem Oktober mit null Punkten und nicht mal einem einzigen Tor in vier Spielen war auch die Entlassung von Heiko Vogel alternativlos.

Auch Ajax greift zum neuen Besen

Zu behaupten, dass der Trend nach dem gestrigen Basler 1:0 im Cup bei Drittligist Kriens gebrochen ist, wäre wohl noch etwas verfrüht. Denn in den nächsten Wochen kann der Fokus des neuen Trainers Fabio Celestini nur auf der Super League und dem dortigen Abstiegskampf liegen. Aber ein bisschen Rückenwind durch den ersten Pflichtspielsieg seit Mitte September kann ja nicht schaden.

Gar seit August wartet ein anderer Traditionsklub auf ein Erfolgserlebnis. Ajax Amsterdam hat auf nationaler und internationaler Bühne zehnmal in Folge nicht gewonnen, steht in der Eredivisie als Letzter historisch schlecht da und hat deshalb: na klar, den Trainer gewechselt. Der Neue, Ex-Ajax-Profi John van ‘t Schip, kann heute Abend bei seinem Debüt gegen Volendam den nächsten Beweis antreten, dass im Trainergeschäft neue Besen immer erstmal gut kehren.

Wobei die Statistik in dieser Hinsicht nicht eindeutig ist. Untersuchungen, nach denen im Durchschnitt neue Trainer auf Dauer nicht mehr Punkte holen als ihre Vorgänger, gibt es ebenso, wie solche, die zumindest einen kurzfristigen Effekt belegen sollen. Eine neuere Studie von Sportwissenschaftlern an der Technischen Universität Kaiserslautern sieht tatsächlich in den meisten Fällen von Trainerwechseln einen spontanen Leistungsanstieg, der laut den statistischen Erhebungen teilweise mehrere Wochen anhalten soll.

Bei Lyon kehrte der neue Besen gleich wie der alte

Einer, der sich um solche Rechenexempel scheinbar nicht schert, ist Ex-Sion-Coach Fabio Grosso. Der 46-jährige Italiener übernahm Mitte September den französischen Spitzenklub Olympique Lyon. Der einstige Serienmeister (sieben Titel zwischen 2002 und 2008) hatte nach schwachem Saisonstart als Tabellenletzter Trainer Laurent Blanc entlassen und steht mit Grosso fünf Spiele später: kein Stück besser da.

Das wiederum könnte Union Berlin interessieren. Denn die «Eisernen» suchen händeringend nach Gründen, ihren jahrelangen Erfolgstrainer Urs Fischer nicht zu entlassen. Da die Resultate der letzten Wochen wenig gute Argumente liefern – die letzten 11 Spiele hat der Ostberliner Kultklub allesamt verloren – sind Beispiele von komplett wirkungslosen Trainerwechseln eine willkommene Bestätigung.

Und überhaupt: Einen Trainer zu hinterfragen, der in den fünf Jahren seines Schaffens bei Union die Meilensteine Aufstieg 2019, souveräner Klassenerhalt 2020, Erreichen der Conference League 2021, Qualifikation für die Gruppenphase der Europa League 2022 und Beitritt in den Olymp mit Namen Champions League 2023 vorzuweisen hat, verbietet sich eigentlich von selbst. Beim FC Basel jedenfalls denken sie noch immer mit Grauen an jenen Tag im Sommer 2017 zurück, als man sich nach zwei Jahren mit zwei Meistertiteln und einem Cupsieg von Fischer trennte.

Wenn aber alles nichts mehr nützt, dann kann vielleicht ein Blick nach England helfen. Der dortige Tabellenletzte der Premier League, Sheffield United, ist mit einem Punkt aus zehn Spielen sozusagen das aktuelle Schlusslicht Europas. Kein anderer Klub steht in einer Eliteliga mieser da. Und doch sitzt Trainer Paul Heckingbottom immer noch fest im Sattel. Aber gut, wer in seinem Namen «Mist» (heck) und «unten» (bottom) vereint, darf wahrscheinlich ewig weiter verlieren.

Für alle anderen gilt: Auch dieser Herbst geht vorbei, und dann steigt die Wahrscheinlichkeit wieder, seinen Job behalten zu dürfen.

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9
6
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Servette FC
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FC St. Gallen
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FC Basel
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FC Sion
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Yverdon Sport FC
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