BLICK: Alain Sutter, Sie haben mit dem FC St. Gallen in der Vorrunde ein schönes Märchen geschrieben und jetzt das Jahr mit einem traurigen Kapitel, dem 1:3 gegen den FCZ, abgeschlossen. Wie fest hat das Einfluss auf die Zukunft?
Alain Sutter: Das hat keinen Einfluss. Es war auch kein trauriges Kapitel am Samstag.
Doch, St. Gallen hat zu Hause verloren, das ist man sich nicht mehr gewohnt.
Das gehört zur G eschichte dazu. Du hast immer auch einen Gegner, wir können nicht davon ausgehen, dass wir jedes Spiel gewinnen. Das war überhaupt keine Tragödie. Auch in der Art und Weise war das völlig in Ordnung. Der FCZ war sehr effizient. Wir waren in den letzten Spielen, die wir gewinnen konnten, auch sehr effizient. Man muss immer das Gesamte sehen, diese Hinrunde war okay ...
... nur okay, nicht besser?
Nein, das Heimspiel gegen Sion, das war mein Massstab, so sollte Fussball aussehen bei St. Gallen. Wir wissen alle, dass wir uns noch weiterentwickeln müssen. Es gibt viele Dinge, die wir noch besser machen können. Aber das ist normal in dieser Konstellation, in der wir uns befinden. Das hat man gegen Zürich auch gesehen, und das hat dazu geführt, dass wir nicht gewonnen haben. Beim einen oder anderen fehlten vielleicht die letzten Körner. Weil es Spieler sind, die sich den Rhythmus noch nicht gewohnt sind. Sie haben noch nicht so viele Trainingsjahre und Spiele in ihren Beinen, da zahlst du einen gewissen Tribut. Darum kommt diese Winterpause zum richtigen Zeitpunkt. Jetzt können wir die Batterien aufladen. Von all dem profitiert jeder Einzelne und damit auch die Mannschaft. Darum bin ich überzeugt, dass wir uns weiterentwickeln werden.
Haben Sie schon einmal erlebt, dass Verlierer, wie Ihre Mannschaft letzten Samstag, gefeiert werden?
Schon vom ersten Tag an habe ich gesagt, es geht primär darum, den Leuten Freude zu bereiten. Auch in der Art, wie du spielst. Du kannst nicht versprechen, jedes Spiel zu gewinnen, aber du kannst dafür sorgen, dass du in jedem Spiel dem Zuschauer gewisse Freude bereitest. Wir sind Teil der Unterhaltungsindustrie. Die Leute zahlen Geld, sie wollen unterhalten werden. Wenn du das versuchst, kann es eben auch passieren, dass sie nach einem negativen Resultat enttäuscht sind, aber trotzdem sagen, es war unterhaltend. Auch das Spiel am Samstag war zu keiner Zeit langweilig. Es stand eine Mannschaft auf dem Platz, die zeigte, dass sie gewinnen will, vorwärtsging, sich viele Chancen erarbeitete, nie aufgesteckt hat. Am Schluss wird das honoriert. Unabhängig vom Resultat. Natürlich kannst du dir nicht erlauben, jedes Spiel zu verlieren.
Wie viele Anfragen erhielten Sie bisher für Ihre Spieler?
Keine.
Und jetzt machen Sie Büroschluss und fliegen in die Ferien?
Nein, als Sportchef musst du immer erreichbar sein. Schauen wir mal, was kommt.
Gabs auch keine Anfrage für Trainer Peter Zeidler?
Nein.
Wie sind Sie auf Zeidler aufmerksam geworden?
Ich kannte ihn von seiner Arbeit bei Sion. Ich habe sein Auftreten extrem gut gefunden, sehr sympathisch, gut artikuliert.
Zeidler ist ein Menschenfänger ...
... auf eine natürliche Art und Weise. Nicht berechnend. Er geht sehr positiv und gewinnend mit den Leuten um. Und wie er Fussball spielen lässt, die Leipzig- und Hoffenheim-Schule, das gefällt mir einfach, diesen Fussball finde ich sehr attraktiv. Und dann hat sich die Möglichkeit ergeben, dass er aus seinem Vertrag in Sochaux rauskonnte. Beim ersten Treffen war für mich schnell klar, dass es gut passen würde, für ihn wohl auch. Der Trainer ist sicher unser bester Transfer.
Wie hoch ist Ihre Meisterprämie?
Ich habe keine.
Wie viele Spieler haben Meisterprämien?
Alle. Das ist heute Standard.
Wie findet man einen Spieler wie Victor Ruiz Abril in der 3. spanischen Liga auf der Baleareninsel Formentera?
Durch einen Tipp.
Von einem FCSG-Mitglied, das dort ein Haus besitzt?
Genau.
Wie findet man einen Spieler wie Jordi Quintilla in der 2. US-Liga auf der Karibikinsel Puerto Rico?
Quintilla ist ein schönes Beispiel, wie bei uns alle Transfers Teamwork sind. Von seiner Beraterin erhielt ich eine Liste mit Spielern, die sie betreut. Die gab ich wie immer unserem Chefscout Nnamdi Aghanya weiter, der sie filtert. Bei Jordi stand «zu gut, um wahr zu sein». Also schaute ich ihn an. Er war bereit, zu uns ins Probetraining zu kommen. Für mich war rasch klar, dass er Potenzial hat. Aber bei keinem, weder bei Victor noch bei Jordi, hast du die Garantie, dass es am Schluss passt. Die Jungs spielten nicht auf diesem Niveau, hatten länger keine Ernstkämpfe, machten aber beide einen guten Eindruck. Jordi ist ein Verdienst des Chefscouts.
Zurück zu Ihrer Rasselbande. Gleich mit sieben U21-Spielern aufzulaufen, ist höchst riskant, oder? Hatten Sie nie Angst wegen eines möglichen Einbruchs?
Angst ist selten ein guter Ratgeber.
Bedenken?
Ich habe von Anfang an gesagt: Ich bin auf der Suche nach Bravehearts (Ritter mit mutigen Herzen, die Red.). Nach Leuten, die den Mut haben, Risiken einzugehen. Aber auch zu scheitern. Die Dinge machen, die total in die Hose gehen können. Wo du mit fliegenden Fahnen untergehen kannst und dich alle auslachen. Aber ein Mut, der auch die Chance birgt, etwas Aussergewöhnliches zu erreichen. Genau darum geht es. Wir versuchen, mit unseren Mitteln das Maximum herauszuholen. Die Mannschaft ist, seit ich hier bin, in der Lohnsumme um 1,3 Millionen günstiger geworden. Und das bereits auf einem tiefen Niveau. Das war die Vorgabe, die ich hatte. In diesem Rahmen müssen wir uns bewegen, dabei musst du kreativ sein. Dann musst du auch ein gewisses Risiko eingehen. Gestandene Spieler haben zu Recht andere Lohnvorstellungen. Ruiz und Quintilla waren froh, dass sie einen Verein fanden. Die eigenen Jungen ohnehin, die haben einen relativ tiefen Lohn. Babic sass bei Vaduz nur auf der Tribüne. Ja, es war hohes Risiko. Damit kannst du völlig auf die Nase fallen. Aber wir sind überzeugt, dass wir damit erfolgreich sein können. Wie es am Schluss rauskommen wird, das werden wir sehen.
Wohnen Sie immer noch im Aargau und fahren jeden Tag nach St. Gallen und wieder zurück?
Ja.
Das sind über 200 Kilometer pro Tag.
Nicht ganz. Knapp 100 Kilometer ein Weg.
Und Ihr ökologischer Fussabdruck ist Ihnen egal?
Auch ich trage zur Belastung des Klimas bei.
Wollten Sie nie nach St. Gallen zügeln?
Nein, der Sohn ist in der Ausbildung. Er ist mittendrin, ich will ihn dort nicht rausholen. Es ist für mich wichtig, dass ich bei der Familie bin, ich verbringe gerne Zeit mit meiner Familie. Ich habe noch eine WG mit zwei St. Galler Kollegen, wo ich auch übernachten kann.
Die feine St. Galler Bratwurst haben Sie schon mal probiert?
Ja, selbstverständlich.
Wie bitte, Sie sind doch Vegetarier?
Ich war mein Leben lang noch nie Vegetarier. Das war eher eine Mediengeschichte. Ich habe gerne Fleisch.
Nehmen Sie Senf zur Bratwurst?
Nein, das würde schlecht ankommen in St. Gallen.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Basel | 34 | 44 | 64 | |
2 | Servette FC | 34 | 5 | 55 | |
3 | BSC Young Boys | 34 | 6 | 53 | |
4 | FC Lugano | 34 | 3 | 52 | |
5 | FC Luzern | 34 | 8 | 51 | |
6 | FC Lausanne-Sport | 34 | 9 | 50 |
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC St. Gallen | 34 | 3 | 48 | |
2 | FC Zürich | 34 | -5 | 47 | |
3 | FC Sion | 34 | -9 | 39 | |
4 | Yverdon Sport FC | 34 | -24 | 34 | |
5 | Grasshopper Club Zürich | 34 | -13 | 33 | |
6 | FC Winterthur | 34 | -27 | 33 |