Darum gehts
- Schweden scheidet im Viertelfinal gegen England nach dramatischem Elfmeterschiessen aus
- Trainer Gerhardsson lobt die Emotionen und Unvorhersehbarkeit des Fussballs
- Torhüterin Falk hält vier Elfmeter, verschiesst aber selbst einen entscheidenden
In all dem Drama. In all den extremen Gefühlen. In all diesen Menschen, die entweder jubelten oder weinten oder sich ganz einfach an den Kopf griffen, weil sie nicht glauben konnten, was sie da gerade erlebt haben. In all diesem Tumult also, da fand einer tatsächlich die Ruhe, ein paar sehr kluge Gedanken zu fassen.
Peter Gerhardsson (65) sass weit nach Mitternacht vor den Medien und hatte eine undankbare Aufgabe. Schwedens Trainer sollte etwas erklären, was nicht zu erklären war. Etwas, das ihm und seinen Spielerinnen die Herzen gebrochen haben muss. Ein Ausscheiden im Viertelfinal gegen England nach einer 2:0-Führung. Nach einem Elfmeterschiessen, in dem vier Engländerinnen scheiterten. Aber halt noch eine Schwedin mehr. Und das die Frage aufkommen liess: War das das skurrilste Penaltyschiessen der Fussballgeschichte?
Goalie hält vier Penaltys – und verschiesst einen
Da war die Geschichte von Jennifer Falk (32), die ihre Arbeit als Torhüterin ganz hervorragend verrichtete. Aber am Ende trotzdem zu den tragischen Verliererinnen gehörte. Sie wehrte zwar unfassbare vier englische Penaltys ab. Aber zwischendurch trat sie auch noch selber an – und vergab die erste Chance, Schweden in den Halbfinal zu schiessen.
«Peter hat mich gefragt, ob ich es schaffen würde, und ich sagte ja», erzählte sie danach: «Ich dachte: Atme ein paarmal durch und schiess nach links. Aber das tat ich nicht, es war totale scheisse.» Falks Schuss flog nicht nach links, sondern weit nach oben. Zu weit.
Und dann war da das Schicksal von Smilla Holmberg (18). An diesem Abend blieb ihr die schlimmste aller Rollen vorbehalten: Sie trat den letzten, entscheidenden Ball des Abends über das englische Tor in den Zürcher Nachthimmel. Das Zucken ihrer Schultern kurz darauf machte ihre tiefen Schluchzer bis auf die entferntesten Ränge des Letzigrunds sichtbar.
Holmberg ist Teenager, sie hat trotz ihres vergebenen Elfmeters eine grosse Zukunft vor sich. Für Gerhardsson dagegen war es der letzte Schuss in seinem letzten Spiel mit Schweden. Er geht in Pension. Und vielleicht hilft das, mitten im Gefühlschaos die höhere Ebene nicht aus den Augen zu verlieren.
Der Verlierer schwärmt von der Schönheit des Spiels
Also haderte Schwedens Trainer nicht mit dem Schicksal. Stattdessen sprach er über die Schönheit dieses Spiels, dessen brutalste Seite er soeben erlebt hatte. Er sagte: «Auch wenn wir uns oft in Statistiken und Analysen verlieren: Im Kern berührt uns Fussball emotional. Das ist der Grund, warum wir alle hier sind. Es geht um Gefühle, um das Drama, darum, dass Fussball unvorhersehbar ist.»
Für jemanden, der so denkt, sind Penaltyschiessen keine Ungerechtigkeit, sondern Teil des Schauspiels: «Immerhin besser als Schere-Stein-Papier oder ein Münzwurf.» Schliesslich waren Gerhardsson und sein Team 2023 gegen die USA im WM-Achtelfinal auch bloss weitergekommen, weil sich Lina Hurtigs Penalty einen oder zwei Millimeter hinter die Linie geschmuggelt hatte.
Englands «Stirb niemals»-Haltung
Diesmal blieb den Schwedinnen die Rolle der Verliererin. Stattdessen durfte Englands Ella Toone von der «Stirb niemals»-Haltung ihres Teams erzählen. «Niemand wollte nach Hause, also haben alle Zusatzschichten geschoben», sagte Toone.
Auch die Engländerinnen wissen, dass sie an diesem Donnerstagabend vermutlich alles Glück verbrannt haben, das einem Team an einem Turnier zusteht. Aber sie haben gegen Italien gute Chancen, das Endspiel in Basel zu erreichen.