Ex-Tasmania-Captain Becker
«Ich bin stolz auf unseren Sieglos-Rekord!»

Diesen Samstag kann Christian Gross mit Schalke den Sieglos-Rekord von Tasmania Berlin einstellen. Deren Captain Hans-Günter Becker erklärt, warum er sich das nicht wünscht und weshalb sie die Erfinder der Geisterspiele sind.
Publiziert: 08.01.2021 um 20:01 Uhr
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Aktualisiert: 10.01.2021 um 15:35 Uhr
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Die erfolgloseste Bundesliga-Mannschaft aller Zeiten: Tasmania Berlin in der Saison 1965/66.
Foto: imago images/Horstmüller
Daniel Leu

Hans-Günter «Atze» Becker kann es kaum glauben. «Sie rufen tatsächlich aus der Schweiz an? Das ist aber schön!» Und bevor man die erste Frage stellen kann, redet der 82-Jährige schon drauf los. Berliner Schnauze halt. Jedes Detail so präsent, als ob es gestern gewesen wäre.

Dabei liegt die Sieglos-Serie von Tasmania Berlin schon mehr als ein halbes Jahrhundert zurück. 1965/66 war es, als der Verein mit Becker als Captain 31-mal in Serie in der Bundesliga nicht gewinnen konnte. Ein Rekord für die Ewigkeit. Dachte man, doch diesen Samstag kann Schalke mit Trainer Christian Gross mit den Berlinern gleichziehen.

Herr Becker, wem drücken Sie im Spiel Schalke gegen Hoffenheim die Daumen? «Eindeutig Schalke, denn ich bin schon ein bisschen stolz auf unseren Sieglos-Rekord und möchte den behalten. Ich werde noch heute regelmässig darauf angesprochen. Das ist doch witzig.»

Vom Strandkorb in die Bundesliga

Dass Tasmania 1965 überhaupt in der Bundesliga auflaufen durfte, wurde am grünen Tisch entschieden. Weil Hertha damals gegen die Finanzstatuten des DFB verstossen hatte, kam Tasmania kurzfristig zum Handkuss. «Ich war mit meiner Familie in Scharbeutz an der Ostsee im Urlaub», erinnert sich Becker. «Eines morgens kam mein Strandkorbnachbar aufgeregt zu mir und sagte: ‹Warum bist du noch hier? Du musst sofort zurück nach Berlin, ihr seid aufgestiegen! Das Radio hat das vermeldet.›»

Becker konnte es zuerst nicht glauben. Er rief deshalb seinen Klub an, die dies bestätigten. Trotzdem blieb er noch einige Tage an der Ostsee. «Ich hatte den Urlaub ja schon bezahlt. Erst nach ein paar Tagen sagte ich meiner Familie, dass wir jetzt zurück müssen. Die haben dann ganz schön geknurrt.»

Wenige Tage nach seiner Rückkehr begann dann schon das Abenteuer Bundesliga. Mit Spielern, die das eine oder andere Kilo Übergewicht mit sich trugen und die zuvor fast alle in der zweitklassigen Oberliga gekickt hatten. Trotzdem glückte der Start, 2:0-Sieg gegen den Karlsruher SC vor 81’000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion.

«Doch von da an ging es nur noch abwärts», erzählt Becker. Der Tiefpunkt? «Das 0:9 gegen den Meidericher SV und das letzte Heimspiel gegen Gladbach. Da kamen nur noch 827 Zuschauer ins riesige Olympiastadion. Wir sind quasi die Erfinder der Geisterspiele.»

«Da musst du den Opa fragen»

31 Spiele ohne Sieg! Klar, dass es in den Zeitungen auch Häme gab. «Ich kann mich an eine Glosse erinnern, in der ein Sohn den Vater fragte, wann Tasmania das letzte Mal gewonnen habe. Seine Antwort: ‹Da musst du den Opa fragen.›»

Becker lacht noch heute herzhaft über diesen Witz. Die Pleite-Serie habe die Mannschaft zusammengeschweisst. Noch heute trifft er regelmässig seine früheren Teamkollegen. Und die sind ihm bis heute dankbar, dass er damals auf das Vereinsangebot mit einem tiefen Grundgehalt, dafür aber einer hohen Siegesprämie nicht eingegangen ist. «Nach unserem ersten Sieg waren sie noch sauer auf mich und sagten, ich hätte sie um viel Geld gebracht. Doch spätestens nach einem Saisondrittel und all den Niederlagen sind sie mir beinahe um den Hals gefallen. So haben wir wenigstens trotz der Sieglos-Serie anständig verdient.»

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