Tolle Stimmung bei AWSL-Auftakt in St. Gallen
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Nur YB-Trainerin poltert:Tolle Stimmung bei AWSL-Auftakt in St. Gallen

Was ist beim Saison-Start der Frauen noch übrig von der EM-Euphorie?
Nur eine ist trotz Fan-Aufmarsch und Stimmung stinksauer

Vor nicht ganz einem Monat ging die Frauen-EM in der Schweiz zu Ende. Was ist zurückgeblieben vom wunderbaren Grossanlass? Ein Augenschein in St. Gallen zum Saisonstart zeigt: recht viel. Nur eine war stinksauer.
Publiziert: 09:39 Uhr
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Aktualisiert: 12:10 Uhr
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YB-Trainerin Imke Wübbenhorst liest ihren Spielerinnen nach dem Remis in St. Gallen die Leviten.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Darum gehts

  • Frauenfussball boomt in St. Gallen und Bern, Zuschauerzahlen steigen nach der EM
  • Trainerin Wübbenhorst unzufrieden trotz guter Stimmung im Espenmoos
  • 700 Fans offiziell anwesend, doppelt so viele wie zum Saisonstart im Vorjahr
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Eine geschlagene halbe Stunde dauert sie, die Parkplatzsuche. Rund ums Espenmoos wars schon früher schwierig, als St. Gallen Meister wurde. Das war im Jahr 2000. Nun ist es zu einer Mission impossible geworden.

Die Migros macht um 17 Uhr das Parkhaus dicht. Blaue Zone nützt nichts. Ein Fussballspiel dauert länger als eine Stunde. Und die vielen Unternehmen drohen auf ihren Parkplätzen mit bis zu lebenslangem Olma-Bratwurst-Entzug …

Der Frauen-Fussball mag boomen. Aber wenn man von 1000 Fans träumt, sollte man für deren Autos auch irgendwo Platz schaffen. Keine Parkplätze. Dafür muss man für die Bratwurst nicht anstehen. Espenmoos vs. Kybunpark 1:0.

Doppelt so viele Fans wie im Vorjahr

Dieses schiessen auch die YB-Frauen. Yael Aeberhard (22) trifft. «Ich bin immer glücklich, wenn ich dem Team helfen kann. Ich musste ihn ja nur noch einschieben.»

Die Fans jedenfalls freuts. Es ist Stimmung in der Bude. 700 sind offiziell da. Mit all jenen, die auf dem Nebenplatz das Juniorinnen-Spiel anschauen und später den Kopf Richtung Women’s Super League wenden, sind es vielleicht tausend. Eine schöne Zahl. Mehr als doppelt so viele wie zum Saisonstart im Vorjahr. «Die Euro hat sicher einen Einfluss gehabt», sagt Aeberhard. «Man hat gemerkt, dass es viel mehr Leute waren als im Vorjahr» so die 22-Jährige.

Yael Aeberhard hatte beim 1:0 für St. Gallen leichtes Spiel: «Ich bin froh, konnte ich dem Team helfen.»
Foto: BENJAMIN SOLAND

Hüppi: «Haben klaren Business-Plan dahinter»

Doch den Klubverantwortlichen greift die Euro-Begründung zu kurz. «Wir haben die Zuschauerzahlen in den letzten Jahren immer weiter steigern können», sagt St.-Gallen-Präsident Matthias Hüppi. Er fügt das darauf zurück, dass die Frauen zu einem wichtigen Teil des Klubs geworden seien. «Wir haben das in den letzten Jahren richtig vorangetrieben. Da ist eine Entwicklung drin, wir haben einen klaren Business-Plan. Das Ganze soll organisch wachsen. Wir wollen die Grossen immer mehr ärgern.»

Das gelingt. Gegen Meister YB spielte man schon letzte Saison zweimal Remis. Und auch zum Saisonstart gibts ein Unentschieden. 1:1.

Mit ein Grund für die Steigerung: In St. Gallen haben die Frauen eine echte Homebase: das Espenmoos. «Unser Team hat selbst Hand angelegt, im Kraftraum. Im Garderobenbereich. Das Stadion ist sehr geeignet, auch von der Grösse her, und es hat einen legendären Ruf. Das passt.»

Aber man habe auch sehr viel Werbung gemacht, ergänzt die fürs Sponsoring zuständige Manuela Hartmann. «Es ist das erste Saisonspiel. Und die Meisterinnen kommen. Aber ich spüre auch ganz generell eine Bewegung im Frauenfussball. Auch dank der Euro.»

Ein KMU kann sich die Grossen nicht leisten, aber das Frauenteam

Und so weckt das Frauenteam allmählich auch das Interesse von Sponsoren. Wie von Weinhändler Kajo Bischof, der das Patronat für Sina Cavelti, die Assistgeberin des Espentores, übernommen hat. Für tausend Franken pro Jahr. «Wir haben zwar unser Ladengeschäft gleich neben dem Kybunpark. Aber als kleines KMU können wir uns ein Spielerpatronat der Grossen nicht leisten. So unterstützen wir die Frauen, die quasi die zweite Mannschaft des FCSG sind.»

Die Augen des Zugers glänzen, als er von der alten Zeit erzählt, in welcher er mit seinem Grossvater die Spiele im Espenmoos besuchte. «Nun lebt das wieder auf.» Sagts und genehmigt sich einen grossen Schluck Schützengarten-Bier. Es muss nicht immer Wein sein.

Graf: «Der Stellenwert des Frauenfussballs ist bei YB da»

Auch bei YB ist der Frauenfussball wichtiger, aktueller denn je. Die Berner haben 2500 Saisonkarten verkauft. Das ist mehr als GC bei den Männern. «Fantastisch!», sagt der Zürcher Ernst Graf, der im YB-Verwaltungsrat für die Frauen zuständig ist. «Aber wir haben auch immer im Wankdorf spielen können, zum Beispiel mit zweimal über 10'000 Zuschauenden gegen GC. Und wir haben Erfolg.»

Man investiere aber auch viel. «Der Stellenwert ist im ganzen Klub da und die Entwicklung spürbar.» Und das Team löse auch Emotionen und Begeisterung aus mit seiner Art Fussball zu spielen.

Nun, in St. Gallen ist es zum Start nicht das Gelbe vom Ei. Das Fehlen der weggezogenen Stars Iman Beney und Naomi Luyet ist klar spürbar. Da fehlt Tempo auf den Seiten. Und so ist eine so richtig stinksauer: Trainerin Imke Wübbenhorst. Sie kommt zum Interview, sagt dann aber: «Sorry, ich muss zuerst schnell zur Mannschaft.» Die Frauen besammeln sich im Kreis – und kriegen sowas von die Leviten gelesen. War sie laut? «Konnte ich gar nicht, weil ich krank bin», sagt die Deutsche. «Ich hätte sie aber gerne angeschrien.» Puh!

Wübbenhorst: «Es tut mir leid für jeden, der sich das ansehen musste»

Die Meister-Trainerin weiter: «Wenn man keine Bereitschaft zeigt, die Räume zu schliessen, im Trab-Tempo anläuft, dann gewinnt man keine Bälle. Das war nichts! Wir sind dem Anspruch, den wir an uns selbst haben, kein bisschen gerecht geworden.»

YB-Trainerin Imke Wübbenhorst will mehr von ihrem Team.
Foto: Claudio Thoma/freshfocus

Nicht mal die wunderbare Stimmung konnte Wübbenhorst versöhnlich stimmen. «Es tut mir leid für jeden, der hier war, dass er ein derart schlechtes Spiel gesehen hat. Die Stimmung war super, aber wenn die Leute schlechten Fussball sehen, werden sie nicht mehr kommen. Und das müssen wir auf dem Platz verhindern.» Man könne nicht immer nur fordern und einfordern, wenn man nicht in der Lage sei, leidenschaftlichen sowie technisch und taktisch guten Fussball zu spielen.

Grünweiss und Gelbschwarz bunt gemischt

Na ja. Da malt Wübbenhorst doch ein bisschen schwarz. Die Fans gehen jedenfalls zufrieden nach Hause. Fans mit Kind und Kegel. Grünweiss und Gelbschwarz bunt gemischt. «Hopp YB» und «Hopp Sanggalle» fast im gemischten Chor. Und genau null Polizisten.

Der allererste Augenschein nach der EM hat gezeigt: Der Weg des Frauenfussballs Richtung mehr Nachhaltigkeit stimmt. Und der Meister wird im nächsten Spiel vielleicht auch die Meistertrainerin wieder zufriedenstellen.

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