Es ist 22.36 Uhr, als in Bern der Wahnsinn ausbricht. Als Géraldine Reuteler (26) gegen Island das erlösende 1:0 gelingt, gibt es unter den knapp 30'000 Fans auf den Rängen kein Halten mehr. Spätestens jetzt wird das Wankdorf zur Festhütte. Die fantastische Stimmung trägt die euphorisierte Nati nicht nur zum Sieg, sondern auch zum 2:0 in der 90. Minute, was die Ausgangslage für das Finale am Donnerstag gegen Finnland noch vielversprechender macht.
«Erstklassig», sagt Pia Sundhage (65). «Einfach nur erstklassig.» Sie habe seit ihrer Ankunft in der Schweiz immer davon gesprochen, dass dieses ganze EM-Projekt eine Reise sei, eine Once-in-a-Lifetime-Erfahrung. «Aber ich habe nicht geglaubt, dass die Schweizer Bevölkerung eine solche Atmosphäre schaffen kann», so die Schwedin, die als Trainerin schon mit ihrem Heimatland 2013 ein Heim-Turnier erlebt hat.
Riesen: «Als wären wir 12 Spielerinnen»
Bereits vor dem Spiel gleicht die Bundesstadt einer rot-weissen Partymeile. Offiziell 14'000 Fans – und damit so viele wie noch nie – nehmen am Fanmarsch teil, der vom Bundesplatz zum Stadion führt. Die Bilder erreichen vor Anpfiff auch die Spielerinnen – und sorgen bei der einen oder anderen für feuchte Augen.
Nadine Riesen (25) hatte vor dem Startspiel noch darauf verzichtet, auf ihr Handy zu schauen, um die Nervosität nicht noch grösser werden zu lassen. «Heute war das nicht vermeidbar. Es sind so viele Videos gekommen», so die Schweizer Torschützin im Startspiel. «Verdammt geil trifft es am besten. Wir sagen uns vor jedem Spiel, dass wir das aufsaugen, aber auch allen etwas zurückgeben wollen. Es fühlt sich an, als wären wir 12 Spielerinnen auf dem Platz.»
Jetzt soll die Euphorie das Team in die Viertelfinals tragen, was eine Frauen-Nati noch nie geschafft hat. «Ich hoffe, wir machen einen guten Job gegen Finnland und erreichen die Viertelfinals», sagt Sundhage. «Das wäre fantastisch. Nicht nur für uns, sondern für das ganze Land, denn die Entwicklung des Frauenfussballs hier ist nicht zu stoppen.» Zieht die Nati in die K.o.-Phase ein, wäre der Viertelfinal wiederum in Bern – und die nächste rot-weisse Party garantiert.