Hoch über dem Dorf thront der Sportplatz des SV Mühlbach am Hochkönig. Anfang Juni des letzten Jahres traf der Klub aus der 2. Klasse Süd des Salzburger Fussballverbands auf den USV Zederhaus. 230 Zuschauer wollten sich an jenem Freitagabend das letzte Spiel der Saison nicht entgehen lassen. Es wurde gejubelt (4:1-Heimsieg), gefeiert und ordentlich getrunken.
Als ein angesäuselter Teenager realisierte, dass hier ein Schweizer vor Ort war, gab es für ihn nur noch ein Fussball-Thema. Es war so kurz vor der EM in Deutschland aber nicht Granit Xhaka, Xherdan Shaqiri oder Yann Sommer, über den er etwas loswerden wollte, sondern … Alisha Lehmann. Hören wir kurz rein in den unzensierten Originalton. «Hey, die Lehmann, einen feschen Hintern hat sie aber schon», sagte er aus dem Nichts und widmete dann anschliessend seine volle Aufmerksamkeit wieder dem Bier.
Diese Episode zeigt eindrücklich, wenn auch plumpe Art und Weise: Alisha Lehmann ist ein Phänomen und gibt nicht nur in der Schweiz bei vielen Fans zu reden. 59 Länderspiele hat die erst 26-Jährige schon für die Nati bestritten. Doch da gibt es eben auch noch dieses «Aber»: «Hey, die Lehmann, einen feschen Hintern hat sie aber schon.» Es suggeriert, dass sie sportlich Mittelmass sei, ihr Aussehen, ihre Art und Attitüde aber schon ausserordentlich.
Sie stand bereits mit 16 zum ersten Mal im Rampenlicht
Auch in diesen Tagen ist der Name Alisha Lehmann mal wieder in aller Munde. Ab Freitag gibt der SFV sein 23-Frau-Kader für die Heim-EM bekannt. Schafft Lehmann, die 2022 wegen mentalen Problemen auf die Euro in England verzichtete, 2025 den Sprung an die Endrunde? Die Meinungen sind geteilt. Für die einen gehört sie auf jeden Fall dazu, für die anderen gibt es mindestens 23 Bessere.
Wer Lehmanns bisherige fussballerische Leistungen und ihr Palmarès studiert, der kann tatsächlich zum Schluss kommen, dass ihre Leistungen auf dem Platz nur Durchschnitt sind und sie gegen die aufstrebenden Jungen wie Sydney Schertenleib, Alayah Pilgrim oder Iman Beney kaum noch eine Chance hat.
Vor dieser Saison suchte man in ihrem sportlichen Lebenslauf vergebens einen Titelgewinn. 2018 wurde die damalige YB-Spielerin bloss zur inoffiziellen Torschützenkönigin im Schweizer Cup gekürt. Dies, weil sie unter anderem in der 1. Runde gegen Concordia Basel (2. Liga) zweimal getroffen und in der 2. Runde gegen Courgevaux (1. Liga) vier Tore erzielt hatte. Doch in diesem Frühjahr hatte Lehmann gleich mehrfach Grund zum Jubeln: Mit Juventus Turin gewann sie das Double und lief auch in der Champions League auf. Von den insgesamt 39 Spielen, in denen sie im Kader stand, lief sie aber nur deren achtmal von Beginn an auf.
Ein erstes Mal im Rampenlicht stand die einstige Juniorin des FC Konolfingen bereits 2015. Damals spielte die U17-Nati an der EM in Island gross auf und schaffte es bis in den Final. Lehmann, damals erst 16, kam dabei in allen Spielen zum Einsatz. Und ihre Trainerin Monica Di Fonzo schwärmte: «Eines unserer Küken. Sie ist immer positiv, hat immer ein Lächeln im Gesicht. Ein Energiebündel, das kaum zu stoppen ist.»
Foto-Magnete mit erotischen Bildern
Via West Ham, Everton und Aston Villa landete Lehmann 2024 bei Juventus Turin, wohl auch wegen ihres damaligen Freunds, dem brasilianischen Fussballer Douglas Luiz, der kurz zuvor ebenfalls zur alten Dame gewechselt war. Lehmanns Marktwert liegt gemäss «Soccerdonna», dem weiblichen Pendant zu «Transfermarkt», zurzeit bei 65’000 Euro. Klingt nach wenig, doch zuvor soll sie bei Aston Villa jährlich einen umgerechnet sechsstelligen Jahreslohn erhalten haben. Das ist wiederum sehr viel Geld für eine Schweizer Fussballerin.
Warum sie so gut verdient? Da sind wir zurück beim «Aber». Meist die blonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, die Wimpern und Augen stark geschminkt – so präsentiert sich Lehmann auf dem Platz. Meist wenig an, die Pose lasziv – so präsentiert sich Lehmann regelmässig auf den sozialen Netzwerken.
Ein Plan, der aus ihrer Sicht aufgeht. Gemäss dem Datenanalysten «Gracenote Nielsen» kann ein einzelner Post von ihr auf Instagram an ihre 16,7 Millionen Follower bis zu unglaublichen 272’000 Franken wert sein.
Wer will, kann auf der Plattform «Fantime» auch exklusive Fotos von ihr anschauen. Vorausgesetzt, er (oder sie) löst ein Abo. Den Monat gibts für 10 Dollar, das Jahr für schlappe 84 Dollar. Oder man kauft über ihre Website Fotomagnete mit erotischen Bildern drauf für 23 Franken oder die Kaffeetasse zum Schnäppchenpreis von 13 Franken. Auch darauf eine leicht bekleidete Alisha Lehmann.
«Sie ist geschminkt, ja und?»
Dass Lehmann weit mehr als eine Fussballerin ist und mittlerweile meist abseits des Platzes für Schlagzeilen sorgt, belegt auch folgende Tatsache: Wer bei Google ihren Namen eingibt, dem schlägt die Suchmaschine folgende Wörter vor: «Früher, ungeschminkt, Partner, Gehalt, vorher nachher, Freundin.»
Würde man nur diese Wörter lesen, käme wohl keiner auf die Idee, dass es sich hier um eine Profifussballerin handeln muss. Doch sie selbst sieht das anders. Vor einem Jahr sagte sie dazu: «Ich bin keine Influencerin. Mein Beruf ist Fussballerin. Nur Fussballerin. Viele Leute vergessen das oft.» Sie nutze diese Plattformen nur, um den Menschen den Frauenfussball näherzubringen. Wie man das mit einer Kaffeetasse mit einem sexy Foto drauf schafft, verriet sie indes nicht.
Schützenhilfe bekam Lehmann kürzlich von ihrer Mutter Sarah Guggisberg, die ihre Tochter auf Instagram leidenschaftlich verteidigte und so mit den Kritikern und deren Hasskommentaren abrechnete. «Schade, dass ihr immer so negativ über meine Tochter lästern müsst. Sie ist geschminkt, ja und? Sie spielt seit Jahren in der höchsten Liga. Ganz sicher nicht, weil sie sich nur schminkt. Ihr kennt sie überhaupt nicht und wisst nicht, wie ein wunderbarer Mensch sie ist. Sie ist auch ohne Schminke eine schöne, junge Frau, aber noch wichtiger, sie hat ein sehr gutes Herz. Also liebe Mitmenschen, überlegt euch, was und wie ihr über einen Menschen schreibt, bevor ihr über sie lästert.»
«Alisha ist ein Geschenk»
Dass Alisha Lehmann mit ihrer Art und ihrem Geschäftsmodell aneckt, dürfte sich wohl auch die Bernerin bewusst sein. So zum Beispiel auch bei Jasmina Covic. Sie gründete einst die Women's Football Agency, die erste Spieleragentur für Fussballerinnen. 2022 antwortete sie auf die Blick-Frage, ob sie auch Lehmann gerne beraten würde: «Ehrlich geantwortet nein. Wir beraten Frauen, die Fussball spielen wollen, und nicht solche, für die der Fussball vor allem ein Marketinginstrument ist. Ich nehme ihr das nicht übel, aber Alisha ist das perfekte Beispiel für ‹Sex sells›.»
Da wären wir wieder beim «Aber». Ein «Aber», das längst nicht alle teilen. Kathrin Lehmann, einst Nati-Goalie, sieht das völlig anders: «Meine Namensvetterin ist eine grossartige Persönlichkeit. Sie ist so wichtig für den weltweiten Fussball und ein Geschenk.» Warum das so ist? «Wenn sie es mit ihrem Influencertum schafft, dass mehr Mädchen und Frauen Fussball spielen wollen und mehr Menschen dem Frauenfussball folgen, hat sie alles richtig gemacht. Dass es mittlerweile sogar Bikinis und Wimpernverlängerungen von ihr gibt, ist doch grossartig. Ich kann nicht verstehen, dass manche ein Problem damit haben.»
Hinzu komme, dass sich Alisha Lehmann total ins Nati-Team einfüge. «Würde der SFV sie nicht für die EM nominieren, wäre das daher aus meiner Sicht ein grosser Fehler. Sie ist völlig integriert und akzeptiert auch ihre Rolle als Joker.»
Das scheint tatsächlich zu stimmen. Während es früher immer mal wieder Gerüchte gab, Lehmann sei ein Fremdkörper im Team, sind diese Stimmen mittlerweile verstummt. Lehmann hat offenbar ihre Rolle gefunden. Viele in der Nati mögen ihre Art.
Captain Wälti verteidigt Lehmann
Das bestätigte kürzlich auch Nati-Captain Lia Wälti in der SRF-Sendung «Gredig direkt»: «Ich finde, man urteilt immer sehr schnell und legt sich eine Geschichte zurecht, obwohl man die Wahrheiten gar nicht kennt. Alisha hat einen enormen Ehrgeiz, und ihre Priorität liegt auf dem Fussball. Wir sehen, dass sie genau so viel investiert wie alle anderen.»
Ihre Social-Media-Aktivitäten hätten definitiv keinen Einfluss aufs Team, erklärte Wälti weiter. «Ehrlich gesagt, ist sie nicht unter den ersten fünf Spielerinnen, an die ich denke, die am meisten am Handy sind. Es gibt andere, die viel mehr auf Tiktok und Social Media scrollen. Wenn wir zusammen sind, dann ist sie mit uns und macht das genau Gleiche wie wir und nichts für Social Media.»
Für Wälti sei deshalb die Kritik an Lehmann fehl am Platz. «Ich schreibe auch nebenbei ein Kinderbuch, studiere und mache meine Trainerlizenz. Aber niemand sagt etwas über mich, weil ich Dinge tue, die vielleicht etwas besser angesehen sind.»
Sie nimmt sich viel Zeit für ihre Fans
Ähnlich tönt es bei Johan Djourou, seit 2024 Sportlicher Koordinator der Frauen-Nati. Auch er lobt gegenüber Blick Lehmann. «Über Alisha wird natürlich immer viel gesprochen. Ich kenne sie gut, sie hat eine tolle Einstellung, und sie gibt im Training und im Spiel immer 100 Prozent. Ihre Stärken sind ihre Schnelligkeit und ihre Torgefährlichkeit, aber sie kann auch den Ball gut halten. Von der Qualität her hat sie sicherlich gute Chancen, an der EM dabei zu sein, aber natürlich muss das letztlich Pia Sundhage entscheiden.»
Würde man die Fussballfans entscheiden lassen, ob Lehmann mit zur EM soll oder nicht, wäre die Antwort wohl klar, denn egal, wo sie auftritt, der Andrang und das Geschrei sind bei ihr stets mit Abstand am grössten. So zum Beispiel auch vergangene Woche beim öffentlichen Training in Grenchen, bei dem Lehmann einmal mehr im Mittelpunkt stand und man immer wieder «Alisha, Alisha»-Rufe hörte. Ausserdem nimmt sie sich nach Trainingseinheiten regelmässig viel Zeit, um die unzähligen Selfie- und Autogrammwünsche der Fans zu erfüllen.
Würde man hingegen die Journalisten entscheiden lassen, dann wäre die Antwort wohl weniger eindeutig, denn das Verhältnis zwischen ihr und den Medien ist kompliziert. Das liegt auch an ihrer englischen Managerin, wohl aber auch an ihr selbst. Lehmann gibt selten Interviews, und wenn doch, dann ähneln die meist eher einer Publireportage, weil sie dann vorwiegend über irgendwelche Projekte oder Produkte redet. So zum Beispiel über die Baller League, in der sie mittlerweile auch involviert ist.
Wie schwierig es mit Lehmann sein kann, zeigte sich zum Beispiel auch im November 2023. Damals war die Nati auf Einladung im Bundeshaus, und der SFV war froh um jeden Journalisten, der an dieser PR-Veranstaltung teilnahm. Als Blick die Spielerinnen bat, ihre Tipps für die anstehende EM-Auslosung der Männer abzugeben, machten alle ohne zu zögern mit, bis auf eine Ausnahme: Alisha Lehmann. Am gleichen Anlass brach sie auch ein Interview mit einer Westschweizer Journalistin nach wenigen Minuten einfach wieder ab.
Ob Lehmann nun in den nächsten Wochen als EM-Fahrerin Interviews geben darf oder muss, entscheidet sich ab Freitag. Einer würde sich aber bestimmt sehr darüber freuen: der junge Fussballfan des SV Mühlbach am Hochkönig.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Finnland | 0 | 0 | 0 | |
1 | Island | 0 | 0 | 0 | |
1 | Norwegen | 0 | 0 | 0 | |
1 | Schweiz | 0 | 0 | 0 |
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Dänemark | 0 | 0 | 0 | |
1 | Deutschland | 0 | 0 | 0 | |
1 | Polen | 0 | 0 | 0 | |
1 | Schweden | 0 | 0 | 0 |
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | England | 0 | 0 | 0 | |
1 | Frankreich | 0 | 0 | 0 | |
1 | Niederlande | 0 | 0 | 0 | |
1 | Wales | 0 | 0 | 0 |