Blick-Benoits verrückteste F1-Erlebnisse mit dem Sauber-Rennstall
«Ich deckte Villeneuve mit nicht jugendfreien Worten ein»

Was für ein Jubiläum! In Imola feiert Sauber seinen 600. GP. Hier verrät Blick-Formel-1-Experte Roger Benoit, weshalb er mal Jacques Villeneuve erzürnte. Und warum Patron Peter Sauber einst aus einem Frauen-Etablissement rauskam.
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Auf eine Zigarre mit Blick-Benoit: Saubers 600. Formel-1-GP

Darum gehts

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Daniel LeuStv. Sportchef
Publiziert: 16:31 Uhr
|
Aktualisiert: 16:40 Uhr

Lieber Roger, ich möchte heute mit dir über den Sauber-Rennstall reden. «Das war einer meiner grössten Tage im Leben», hast du einst über den 28. Mai 1996 gesagt. Weisst du noch warum?
Roger Benoit: Das liegt ja nun schon bald 30 Jahre zurück. Sag du es mir.

Damals wurden Peter Sauber und du zusammengerechnet exakt 100 Jahre alt.
Das war wirklich ein grossartiger Tag. Wir machten an jenem Datum gemeinsam eine Töff-Tour. Er steuerte seine BMW-Nobelkarrosse, und ich sass hinten drauf. Wir fuhren damals über den Klausenpass. Dort ass ich zum ersten Mal in meinem Leben Älplermagronen. Die waren echt fein.

28. Mai 1996: Peter Sauber und Roger Benoit feiern mit einer Töff-Tour ihren zusammengerechnet 100. Geburtstag.
Foto: Blick

Weisst du noch, wie ihr euch eigentlich kennengelernt habt?
Als sein Team in der Langstrecken-WM fuhr, in der sie zweimal Weltmeister wurden und einmal Le Mans gewannen, machte ich gelegentlich eine Meldung darüber. Mehr aber nicht. Irgendwann hatte er gemeinsam mit Hans-Jörg Degen, damals Chef Administration, einen Besuch auf der Blick-Redaktion angekündigt.

Was wollten die zwei von dir?
Sauber sagte mir: «Herr Benoit, wir planen vielleicht einen Einstieg in die Formel 1. Was halten Sie davon?»

Was war deine Antwort?
Ich antwortete ihm: «Um Himmels willen. Na dann viel Glück im Haifischbecken.» Ich konnte das schliesslich beurteilen, denn als Sauber 1993 diesen mutigen Schritt wagte, war ich schon 23 Jahre in der Formel 1 aktiv.

Hätte ich dich damals gefragt, wie lange Sauber in der Formel 1 überleben wird, was hättest du mir geantwortet?
Das Gleiche, das mir Peter Sauber nach einem Jahr Formel 1 erzählt hat: «Wenn wir das Zehnjährige schaffen, dann ist es gut.» Doch es kam anders, was auch Bernie Ecclestone erstaunt hat. Er hat mir schon oft gesagt: «Der Sauber-Rennstall ist für mich das grösste Wunder in der Formel 1.» Eigentlich konnte es nicht gutgehen, dass einer auf einer Insel, und das ist die Schweiz im Motorsport, ein kompetitives Formel-1-Auto baut und einsetzt.

Auf eine Zigarre mit Blick-Benoit

Er kennt die Formel 1 wie kein anderer Journalist: Blick-Reporter-Legende Roger Benoit. Seit 1967 schreibt er für Blick, ab 1970 vorwiegend über die Formel 1. Mittlerweile hat er von 813 Rennen berichtet, verfasste weit über 100 GP-Berichte aus Zürich und war bei rund 1000 Testtagen dabei.

In unserer Serie «Auf eine Zigarre mit Blick-Benoit» blickte der heute 76-Jährige auf über ein halbes Jahrhundert Formel-1-Erfahrung zurück. Frauen, Partys, Streiche – was der leidenschaftliche Zigarrenraucher in dieser Zeit erlebt hat, ist heute unvorstellbar.

Mit dieser 12. Folge über den Sauber-Rennstall endet unsere Serie «Auf eine Zigarre mit Blick-Benoit».

Er kennt die Formel 1 wie kein anderer Journalist: Blick-Reporter-Legende Roger Benoit. Seit 1967 schreibt er für Blick, ab 1970 vorwiegend über die Formel 1. Mittlerweile hat er von 813 Rennen berichtet, verfasste weit über 100 GP-Berichte aus Zürich und war bei rund 1000 Testtagen dabei.

In unserer Serie «Auf eine Zigarre mit Blick-Benoit» blickte der heute 76-Jährige auf über ein halbes Jahrhundert Formel-1-Erfahrung zurück. Frauen, Partys, Streiche – was der leidenschaftliche Zigarrenraucher in dieser Zeit erlebt hat, ist heute unvorstellbar.

Mit dieser 12. Folge über den Sauber-Rennstall endet unsere Serie «Auf eine Zigarre mit Blick-Benoit».

Es ging gut. Deshalb feiert Sauber nun am Wochenende in Imola den 600. GP. Wie blickst du auf dieses Jubiläum?
Ich hatte in diesen 32 Jahren journalistisch sicher einen der schwierigsten Jobs in der Schweiz.

Warum?
Weil beim Team oft sehr lange die Erfolge, sprich Punkte, fehlten und in Hinwil fast jedes kritische Wort auf die Goldwaage gelegt wurde. Dass Blick fast jeden Tag über Sauber berichtete, wurde selten geschätzt.

Weisst du noch, wie du über die ersten Testfahrten des Sauber-C12, mit dem sie 1993 in die Formel 1 eingestiegen sind, berichtet hast?
Nein.

«
«IWC schickte mir eine 20'000 Franken teure Uhr als Ersatz»
»

Mit vier Zeilen: «Gestern rollte der Formel-1-Sauber erstmals in Frankreich. Es wurden noch keine Probleme gemeldet.» Das wars.
Dafür gibt es nur zwei mögliche Erklärungen: Entweder es war ein seltsamer Blattmacher am Werk, oder ich fand, vier Zeilen würden ausreichen. Möglich ist beides. Mein oberstes Gebot war es immer, niemanden vorschnell hochzujubeln. Ist doch rückblickend betrachtet eine tolle Schlagzeile: Das Sauber-Abenteuer in der Formel 1 begann mit vier Blick-Zeilen.

Bei der Premiere 1993 in Südafrika sass Karl Wendlinger am Steuer. Gegen den Österreicher sollst du mal eine lustige Wette gewonnen haben.
Während des GP Kanada in Montreal war es Tradition, dass fast der ganze Formel-1-Zirkus in der legendären Sainte Catherine Street eines der vielen Frauen-Etablissements besuchte. Im Vorfeld sagte Karl zu mir: «Ich wette mit dir um 500 Franken, dass mein Chef Peter Sauber nie ein solches Lokal betreten wird.» Zwei Tage später hatte er die Wette verloren … Ich sah, wie Sauber aus einem Schuppen rauskam und sagte ihm: «Danke, Peter, jetzt hab ich grad 500 Franken gewonnen.»

Peter Sauber 1993 mit seinem Fahrer Karl Wendlinger (r.).
Foto: Keystone

Eine andere Geschichte mit Wendlinger war weniger lustig. Stichwort Uhr.
1994 verunglückte er in Monte Carlo schwer und lag danach mehrere Tage im Koma. Irgendwann fand ich raus, dass ihm zwischen der Bergung an der Rennstrecke und der Einlieferung in den Spital die Uhr geklaut wurde. Danach schrieb ich die Geschichte unter dem Titel «Horrorcrash mit Uhrenklau». Nach ein paar Tagen rief mich IWC an und sagte mir, sie würden die Uhr, die einen Wert von etwa 20’000 Franken hatte, ersetzen. Deshalb schickten sie mir eine neue Uhr zu, die ich dann wiederum bei Testfahrten in Barcelona Wendlinger überreichte.

Mittlerweile sind 33 Fahrer für Sauber an den Start gegangen. Wer war der beste?
Neben Charles Leclerc und Robert Kubica möchte ich natürlich Kimi Räikkönen erwähnen.

Fällt dir zum Finnen eine Geschichte ein?
Zwei. 2001 löste sich in Imola während des Rennens mitten auf der Geraden sein Lenkrad, und er hielt es plötzlich in den Händen. Das hätte tödlich ausgehen können.

Und die zweite Geschichte?
Einmal sass ich bei Peter Sauber in Hinwil im Büro. Da zeigte er mir einen handgeschriebenen Brief von Kimi mit nicht sehr freundlichen Worten. Was genau drinstand, möchte ich nicht erzählen, aber wenige Wochen später erzwang Kimi nach nur einer Saison den Wechsel zu McLaren.

Wer war der schlechteste Sauber-Fahrer aller Zeiten?
Auch da muss ich drei nennen: Nicola Larini, Gianni Morbidelli und Norberto Fontana, die 1997 alle für Sauber fuhren. Ich schrieb damals völlig zu Recht «die drei Clowns von der Tankstelle». Das Verrückte dabei: 1997 hätte eigentlich Damon Hill, ein Jahr zuvor mit Williams Weltmeister geworden, für Sauber fahren sollen.

«
«Mit Jacques Villeneuve wurde ich einfach nie warm»
»

Warum kann es nicht dazu?
Eigentlich war schon alles unter Dach und Fach. Doch dann wollte Hills Manager plötzlich noch zusätzlich vier Paddock-Karten für jeden GP. Da wurde es Fritz Kaiser, damals Mitinhaber bei Sauber, zu viel. Er stand auf und erklärte, der Deal sei geplatzt. Hill verstand die Welt nicht mehr und wechselte widerwillig zu Arrows.

Ein anderer Weltmeister fuhr aber 2005 für Sauber: Jacques Villeneuve.
Mit ihm wurde ich einfach nie warm. Mit seinem Vater Gilles verstand ich mich auf Anhieb blendend, mit Jacques aber war es mühsam. Anderen erging es genauso. Einmal sass ich beim GP Australien in der Gartenanlage und rauchte eine Zigarre. Das passte Monsieur Villeneuve gar nicht, und er meinte, ich solle damit aufhören, weil der Rauch direkt zu ihm käme, obwohl er etwa 15 Meter von mir entfernt sass. Da deckte ich ihn nur mit ein paar nicht ganz jugendfreien Wörtern ein und paffte gemütlich weiter.

Von 2004 bis 2006 fuhr Jacques Villeneuve für Sauber
Foto: Keystone

Du hast auch oft mit Peter Sauber eine Zigarre geraucht.
Früher sassen wir nach jedem Rennen zusammen, assen ein Stück Apfelwähe, rauchten eine Zigarre und kreierten gemeinsam die Blick-Schlagzeilen. Das war eine schöne Tradition. Und ich erinnere mich an einen langen Spaziergang in Laax, wo Sauber die meisten Fragen mit einem Satz beantwortete: «Die Antwort kennt nur der Wind.»

Sauber und du wart damals sehr eng. Das änderte sich, als Monisha Kaltenborn zum Rennstall dazugestossen war. Zu Beginn warst du ihr gegenüber aber noch aufgeschlossen. 2012 hast du geschrieben: «Du sitzt ihr gegenüber und hast sofort ein gutes Gefühl.» Was würdest du heute schreiben?
Das ist relativ einfach: Über die einzige weibliche Sauber-Führung möchte ich nichts mehr sagen, da mir sonst diese Dame mit ihrem Mann, der Anwalt ist, mit juristischem Ärger droht. Ein trauriges Kapitel in der Sauber-Geschichte …

Als Aussenstehender fragte man sich oft: Hat Saubermann Peter Sauber eigentlich ins Haifischbecken Formel 1 gepasst?
Nein, nie. Deshalb ist es ja ein Wunder, dass Sauber noch immer in der Formel 1 tätig und mittlerweile das viertälteste Team hinter Ferrari, McLaren und Williams ist.

Wie oft stand das Team vor dem Ende?
Einige Male. Peter Sauber stand sinnbildlich oft angeschlagen im Boxring und konnte sich jeweils noch knapp bis zum nächsten Gong retten. So zum Beispiel 2000, als Red Bull ausgestiegen war und er drei Tage vor Weihnachten die Credit Suisse an Bord holen konnte. Oder als BMW 2009 plötzlich wieder ausstieg. Sauber hat zwar nie gesagt, wie viel Geld aus dem eigenen Sack ihn das jeweils gekostet hat, doch da kam schon einiges zusammen. Doch ihm waren die Mitarbeiter und die Erhaltung der Arbeitsplätze in Hinwil immer das Wichtigste. Er hatte auch eine Liste mit den Geburtstagen aller Mitarbeiter, damit er ihnen jeweils gratulieren konnte. Weil er sich seiner unternehmerischen Verantwortung stets bewusst war, hat er viele Opfer auf sich genommen. Doch längst gehört ihm in Hinwil nicht mal mehr ein Schraubenzieher, wie er mir 2017 erzählt hatte.

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28. Mai 1996: Peter Sauber und Roger Benoit feiern mit einer Töff-Tour ihren zusammengerechnet 100. Geburtstag.
Foto: Blick

In den letzten Jahren wurde die Beziehung zwischen Peter Sauber und dir immer komplizierter. Warum?
Es war schon immer nicht ganz einfach. Sauber hatte von Beginn an Probleme mit dem Blick, aber nicht mit dem Sportteil. Er hat mir mehr als einmal gesagt, dass er all die Artikel, die ich schrieb, lieber in der «NZZ» gelesen hätte. Er wusste aber gleichzeitig auch, dass dank Blick und mir die Formel 1 in der Schweiz in den Medien stattfand. Mit der weiblichen Sauber-Führung und den ausbleibenden Erfolgen wurde es dann zwischen uns noch komplizierter.

Kann es sein, dass ihr beide Sturköpfe seid?
Ja, das würde ich nicht dementieren. Wir sind zwei sture Köpfe, haben aber beide auch Respekt vor dem Gegenüber.

Mal Freunde, mal Funkstille: Benoit und Sauber 2022 in Abu Dhabi.
Foto: Lukas Gorys

Es gab eine Phase, in der ihr fast zwei Jahre lang nicht mehr miteinander geredet habt. Warum eigentlich?
Das ist relativ einfach zu erklären: Jedes Mal, wenn wir zusammen diskutierten, sagte er jeweils: «Aber das kannst du nicht schreiben.» Worauf ich meine Konsequenzen zog.

Manche werfen dir vor, dass du in den letzten Jahren Sauber zu kritisch beobachtet hast.
Ich war nie ein Hofberichterstatter wie viele meiner Kollegen, und ich habe deshalb auch Niederlagen nicht schöngeredet. Wenn du 60 Wochen lang keinen einzigen WM-Punkt holst, dann kannst du nicht alles richtig gemacht haben. Ja, früher war es ein Wunder, dass sich Sauber mit dem wenigen Geld in der Formel 1 hielt. Aber seit Audi eingestiegen ist, haben sie definitiv keine Geldprobleme mehr, und deshalb muss man das Team jetzt auch anders bewerten und die Messlatte höher legen, auch wenn das vielen nicht passt.

Hattest du eigentlich mal Hausverbot im Sauber-Motorhome, wie es gelegentlich gemunkelt wurde?
Nein, nie, auch nicht unter der weiblichen Führung, ich war einfach dort nicht mehr gern gesehen.

Wird Sauber dereinst auch seinen 700. GP feiern?
Das weiss man nie. Vielleicht hat Audi irgendwann plötzlich keine Lust mehr, wie das früher bei BMW der Fall war.

Und die letzte Frage: Was machst du am 29. Mai 2026?
Was soll dann sein?

Dann würdet ihr, Peter Sauber und du, euer nächstes Jubiläum feiern. Zusammengerechnet wäret ihr dann exakt 160 Jahre alt.
Peter Sauber wird dann mit über 82 Jahren kaum mehr Töff fahren, und ich würde mich auf dem Sozius kaum mehr wohlfühlen. Aber vielleicht treffen wir uns zum Essen in der Kronenhalle, wie es über 25 Jahre lang Tradition war.

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