Auf eine Zigarre mit Blick-Legende Roger Benoit
Die verrücktesten Fahrer aller Zeiten

Die Fahrer kamen und gingen, doch er blieb bis heute: Formel-1-Reporter-Urgestein Roger Benoit. Hier spricht er über die unglaublichsten Piloten, die er erlebt hat, und verrät, wer der wahnsinnigste von allen war und wer auf die gleichen Stewardessen wie er stand.
Publiziert: 11.09.2024 um 11:14 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2024 um 14:24 Uhr

Auf einen Blick

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Für Roger Benoit der grösste Crashpilot: Andrea de Cesaris, Spitzname de Crasharis.
Foto: imago sportfotodienst
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Daniel LeuStv. Sportchef

Lieber Roger, du arbeitest seit 55 Jahren als Formel-1-Journalist. In dieser Zeit hast du 387 Fahrer erlebt. Lass uns heute eine Schnellfragerunde mit Superlativen machen: Wer von den 387 war der grösste Crash-Pilot?
Roger Benoit: Andrea de Cesaris, Spitzname de Crasharis. Der Italiener war zwar sympathisch, aber ein Wahnsinniger. Ein Beispiel: GP Monaco 1981. Am Freitag feierte der Italiener seinen 22. Geburtstag, zwei Tage später im Rennen fuhr er im McLaren den Alfa-Romeo-Piloten Mario Andretti von hinten voll über den Haufen. Als ich Andretti danach traf, sagte er mir nur: «Wenn de Cesaris so weiterfährt, erlebt er nicht mehr viele Geburtstage.»

De Cesaris verunglückte dann viel später tatsächlich bei einem Crash im Alter von erst 55 Jahren tödlich.
Das war am 5. Oktober 2014 bei einem Motorradunfall nahe Rom. Übrigens am gleichen Tag, an dem Jules Bianchi beim GP von Japan schwer verunglückte und an dessen Folgen er dann im Juli 2015 verstarb. Etwas machte übrigens de Cesaris einzigartig.

Was?
Seine Augen. Er konnte ein Auge jeweils so drehen, dass es komplett weiss war, und dich dann so anschauen. Wie gesagt, ein Wahnsinniger.

Auf eine Zigarre mit Roger Benoit

Er kennt die Formel 1 wie kein anderer Journalist: Blick-Reporter-Legende Roger Benoit. Seit 1967 schreibt er für Blick, ab 1970 vorwiegend über die Formel 1. Mittlerweile hat er von über 808 Rennen berichtet, verfasste rund 90 GP-Berichte aus Zürich und war bei rund 1000 Testtagen dabei.

In unserer Serie «Auf eine Zigarre mit Blick-Benoit» blickt der heute 75-Jährige auf über ein halbes Jahrhundert Formel-1-Erfahrung zurück. Frauen, Partys, Streiche – was der leidenschaftliche Zigarrenraucher in dieser Zeit erlebt hat, ist heute unvorstellbar. Hier erzählt er nun regelmässig seine besten Anekdoten. Und zwar so, wie man ihn kennt (und fürchtet): direkt, ehrlich, pointiert.

Er kennt die Formel 1 wie kein anderer Journalist: Blick-Reporter-Legende Roger Benoit. Seit 1967 schreibt er für Blick, ab 1970 vorwiegend über die Formel 1. Mittlerweile hat er von über 808 Rennen berichtet, verfasste rund 90 GP-Berichte aus Zürich und war bei rund 1000 Testtagen dabei.

In unserer Serie «Auf eine Zigarre mit Blick-Benoit» blickt der heute 75-Jährige auf über ein halbes Jahrhundert Formel-1-Erfahrung zurück. Frauen, Partys, Streiche – was der leidenschaftliche Zigarrenraucher in dieser Zeit erlebt hat, ist heute unvorstellbar. Hier erzählt er nun regelmässig seine besten Anekdoten. Und zwar so, wie man ihn kennt (und fürchtet): direkt, ehrlich, pointiert.

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Wer war der grösste Frauenheld, ausser James Hunt?
Sagen wir es mal so: Es gäbe dazu einiges zu erzählen, doch hier ziehe ich lieber den Joker. Deine Frage wirft aber eine andere auf: Wer waren die schönsten Formel-1-Fahrer aller Zeiten?

Und die Antwort darauf lautet wie?
François Cevert, Carlos Reutemann und Peter Revson. Die Reutemanns kamen ursprünglich aus Guntalingen nahe Winterthur. Carlos und ich standen übrigens ein paarmal auf die gleichen Swissair-Stewardessen. Als das mal wieder der Fall war und er das rausfand, meinte er auf der Kyalami-Ranch nur: «Nicht schon wieder du.»

Was fällt dir zu Peter Revson ein?
Seinen Vorfahren gehörte die Kosmetik-Firma Revlon, Geldsorgen hatte der US-Amerikaner deshalb nie. Als er 1974 in Kyalami tödlich verunglückte, war er liiert mit Marjorie Wallace, einer Schauspielerin, Moderatorin und einem Model. Und definitiv eine der schönsten Frauen der Welt. Speziell bei Revson war auch noch der GP Kanada 1973 in Mosport. Das Rennen war total chaotisch, und am Ende war nicht klar, wer gewonnen hatte. Irgendwann hiess es, Revson sei als Erster über die Ziellinie gefahren. In einer kleinen Hütte erhielt er deshalb den Lorbeerkranz. Danach sagte er mir: «Wenn die das Gefühl haben, ich hätte gewonnen, dann werde ich wohl gewonnen haben.» Das war die verrückteste Entscheidung aller Zeiten. Bei jenem Rennen machte ich übrigens erstmals in meinem Leben Live-Radio. Weil Heinz Prüller verhindert war, berichtete ich für Ö3 aus Mosport. Mein erster Satz nach Rennende lautete: «Meine Damen und Herren, keiner weiss, wer gewonnen hat.» Zu Revson fällt mir noch eine zweite Geschichte ein.

Erzähl!
Silverstone 1973. Als ich mich mit ihm unterhielt, kamen wir aufs Thema Wetten zu sprechen. Ich sagte ihm dann, dass die Quote auf einen Sieg von ihm bei 14:1 lägen. Offenbar setzte er dann tatsächlich 10’000 Pfund auf sich und siegte. Umgerechnet gewann er so dank mir über eine halbe Million Franken.

Wer war der unsympathischste Fahrer, dem du je begegnet bist?
Bei einigen Fahrern stimmte einfach die Chemie nicht. Das war wohl auch gegenseitig, so zum Beispiel bei René Arnoux und bei Jacques Villeneuve. Zu Arnoux sagte ich mal: «Du bist ein Arsch, und du findest mich ein Arsch. Das wäre doch der Beginn einer wunderschönen Freundschaft.» Danach gaben wir uns die Hand, eine wunderschöne Freundschaft ist dann aber trotzdem nie entstanden.

Und wie war es bei Jacques Villeneuve?
Ach, ich kannte und mochte halt seinen Vater Gilles sehr gut, doch mit Jacques wurde ich nie warm. Etwas musste man ihm aber lassen: Er hatte immer wunderschöne, saubere Zähne. Als ich ihn einmal gefragt hatte, warum das so sei, antwortete er mir: «Weil ich auch im Overall dauernd meine Zähne putze. Ich kann nicht fahren, wenn noch irgendwo ein Stück Brot oder Fleisch klebt.»

Wer war der unterschätzteste Fahrer?
Es gibt vier Fahrer, die den WM-Titel verdient hätten: Gilles Villeneuve, Ronnie Peterson, Stirling Moss und Clay Regazzoni. Mit einem der vier sass ich mal in einem Taxi auf der Rückbank vom Hotel zur Rennstrecke, und dann hatte der so richtig getobt und mir erklärt, warum sein Teamkollege ein richtiger Schweinepriester sei. Zu Peterson: Möglicherweise war er das schnellste Wesen, das je in der Formel 1 tätig war. Und er hatte mit Barbro eine der schönsten Formel-1-Frauen aller Zeiten als Freundin.

Wer war der überschätzteste Fahrer?
Da sage ich nur: Viele Fahrer mit einem mittelmässigen Talent überschätzen sich. Auch heute noch gibt es davon einige Exemplare in der Formel 1 zu bestaunen.

Wer war der langweiligste Fahrer?
Die Liste wäre für diesen Artikel zu lang.

Wer war das grösste Schlitzohr?
Die meisten Champions gehören in diese Kategorie. Wer in der Formel 1 Erfolg haben will, muss ein Schlitzohr und ein durchtriebener Politiker sein. Der König war sicher Alain Prost. Heute gehören auch Lewis Hamilton und Max Verstappen dazu.

Wer war der grösste Pechvogel?
Felipe Massa, weil er 2008 in seiner Heimat Brasilien fünf Kurven vor Saisonende trotz des Siegs noch den WM-Titel um einen Punkt verloren hat. Dies nur, weil Lewis Hamilton es im strömenden Regen noch schaffte, Timo Glock, der im Toyota mit Trockenreifen unterwegs war, zu überholen, und so im McLaren erstmals Weltmeister wurde.

Massa kann das offenbar noch immer nicht akzeptieren.
Das ist für mich unverständlich. Das alles hängt mit dem Crash-Gate von Singapur 2008 zusammen, als Renault Piquet Junior zu einem Unfall animierte, der dann die gelbe Flagge auslöste und Alonso den Sieg sicherte. Massa geht deshalb noch immer gerichtlich dagegen vor und will, dass das Singapur-Rennen nachträglich annulliert wird, was ihn zum Weltmeister machen würde. Dabei hatte Massa den Titel in Singapur mit einem katastrophalen Boxenstopp selbst verschenkt.

Wer ist der unverdienteste Weltmeister?
Nicht ganz sauber war sicherlich die Entscheidung 1994 in Adelaide, als Schumi mit einem defekten Benetton Damon Hill in den Williams fuhr und sich so seinen ersten WM-Titel sicherte.

Wer war der cleverste Fahrer?
Ein heisser Kandidat dafür ist Sebastian Vettel. Als der 2008 im unterlegenen Toro Rosso in Monza seinen ersten GP gewann, erzählte mir später sein Teamchef Franz Tost, dass Vettel nach dem Rennen nach Walchwil nach Hause gefahren sei und er Tost schon am Montagmorgen um 8 Uhr die Rechnung mit der Siegesprämie geschickt hätte. Wer als Toro-Rosso-Fahrer eine solche Klausel in seinen Vertrag setzen liess, muss schon sehr clever sein.

Wer war der grösste Kettenraucher?
Eindeutig Jochen Rindt und James Hunt, der sogar noch im Auto sitzend kurz vor dem Start eine geraucht hat. Wenn Schumi jeweils siegte, gönnte er sich immer eine Zigarre und ein Bier. Ich war da regelmässig mit dabei und habe dort gesehen, dass es nicht nur den verbissenen, vom Ehrgeiz zerfressenen Schumacher gibt. Nelson Piquet übrigens hat nie geraucht, aber vor dem Start bat er mich regelmässig zu sich zum Auto. Dann musste ich ihm jeweils eine meiner Zigarren geben, die er sich schon im Cockpit sitzend kurz unter die Nase hielt. Quasi ein Geschmacksdoping und eine Tradition zwischen uns.

Wer war der sympathischste Fahrer?
Stefan Bellof. Der Deutsche hatte Weltmeisterpotenzial, doch leider hatte er 1985 beim 1000-Kilometer-Rennen von Spa in Eau Rouge im Duell mit Jacky Ickx zu viel riskiert und verunglückte tödlich. Mit Bellof verstand ich mit auf Anhieb gut. Einmal gingen wir in Dallas zusammen Abendessen. Ich bestellte eine Lasagne, die total rot war. Also sagte ich dem Kellner, die hätte die falsche Farbe. Bellof musste daraufhin unglaublich lachen, kletterte in diesem Nobelrestaurant auf den Stuhl und schrie: «Die Lasagne ist doch grün.» Ein paar Gäste am Nebentisch fanden das dann so lustig, dass sie uns eine Flasche Wein offerierten. Und einmal nahm er mich in Zandvoort auf dem Gepäckträger seines Velos mit und fuhr ohne Stopp von einer Neben- in die Hauptstrasse. Ich höre heute noch die Bremsen eines Autos quietschen. «Wir hätten tot sein können», sagte ich. Er lachte nur.

Wer war für die verrückteste Aktion zuständig?
Kyalami 1975. Ich lag auf der Ranch am Pool, zusammen mit den Fahrern Jacques Laffite, Jean-Pierre Jarier und Rolf Stommelen, und wir alle hatten nichts zu tun. Irgendwann hatte einer der anderen die gloriose Idee, ihr Mietauto im Pool zu versenken, weil es ja in der Werbung hiess, man könne das Auto überall zurückgeben. Die machten das dann tatsächlich, riefen danach beim Autovermieter an und erklärten denen, wo sie nun das Auto abholen könnten. Ein Wahnsinn!

Wer war oder ist der grösste Botschafter der Formel 1?
Eindeutig Jackie Stewart, der Weltfirmen wie Rolex, Ford, Moët & Chandon oder Heineken in die Formel 1 gebracht hat. Obwohl er mittlerweile 84 ist, verdient der Schotte noch heute mehr als viele der aktuellen Fahrer. 1971 erzählte er mir, dass er der erste Fahrer sei, dessen Fahrergehalt höher als eine Million Dollar sei. Lustig war übrigens auch unser erstes richtiges Treffen.

Warum?
Drei Wochen nachdem wir uns das erste Mal getroffen hatten, lud er mich zu sich nach Hause ins Waadtland ein. Dort sagte er mir: «Wenn du nie Socken anhast, ziehe ich mir jetzt meine auch aus.» Das machte er dann, und wir stellten beide unsere nackten Füsse auf den Glastisch. Beim gleichen Treffen erklärte er mir auch noch, dass er und seine Frau Helen alle Getränke, die es gäbe, in seiner Villa haben. Als ich mir dann einen Cynar bestellen wollte, stellte er mit Entsetzen fest, dass der in ihrer Hausbar fehlte. Deshalb sagte er in den Jahren danach zu mir immer augenzwinkernd: «You fucked me, du hast meinen Ruf zerstört.»

Wer sind die vergessenen Helden der Formel 1?
Da gibt es einige, die anderen Fahrern das Leben gerettet haben. Zum Beispiel Mike Hailwood, der 1973 in Kyalami Clay Regazzoni aus seinem brennenden BRM gezogen hat. Oder David Purley, der 1973 in Zandvoort als einziger Fahrer versucht hatte, den brennenden Roger Williamson zu retten. Leider vergeblich. Oder Arturo Merzario, Brett Lunger, Guy Edwards und Harald Ertl, die Niki Lauda 1976 auf der legendären Nordschleife aus seinem brennenden Ferrari zogen. Dem Quartett schenkte der Wiener später je eine goldene Uhr.

Zum Schluss: Wer war der wahnsinnigste Fahrer aller Zeiten?
Dieser Superlativ geht an den Österreicher Otto Stuppacher. 1973 in Mosport. Stuppacher kaufte sich damals einfach einen Tyrrell und nahm damit am ersten Training teil. Dabei hatte er zwölf Sekunden Rückstand auf die Besten. Nach dem ersten Training rief Denny Hulme, damals Chef der Fahrervereinigung, alle zusammen. Ich stand daneben, als Hulme erklärte: «Da ist einer unterwegs, der hat keine Ahnung vom Rennfahren. Es gibt nur eine Möglichkeit: Entweder fährt der nicht mehr, oder wir boykottieren das Rennen.» Daraufhin zog ihn dann die Rennleitung aus dem Verkehr. Aber rückblickend betrachtet war das schon der helle Wahnsinn. Auch des Weltverbands. Da kaufte sich ein Hobbyfahrer einfach einen Formel-1-Boliden und durfte damit mitfahren. Aber das ist ja schon über 50 Jahre her …

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