Darum gehts
Es ist eine Geschichte voller Höhen und Tiefen, die das Stahlwerk in Emmenbrücke schreibt. Gegründet 1850 von den Brüdern Ludwig und Franz Xaver von Moos, blieb das Unternehmen über viele Jahrzehnte in Familienbesitz. In den 1990er-Jahren übernahmen die Grossbanken die Macht, leiteten eine Fusion mit Von Roll ein und brachten den Konzern unter dem Namen Swiss Steel an die Börse. 2003 wurde die Gruppe an den deutschen Konzern Schmolz + Bickenbach verkauft. Bald darauf stieg der russische Oligarch Viktor Vekselberg (68) ein. Seit 2020 heisst das Unternehmen wieder Swiss Steel.
Die letzten Jahre waren geprägt von schlechter Unternehmensführung, Chaos unter den Aktionären und Managern, die das Unternehmen in eine Art Selbstbedienungsladen verwandelten. Die Krise in der deutschen Automobilindustrie – einem der wichtigsten Abnehmer – brachte den Konzern zusätzlich unter Druck.
Der Niedergang spiegelt sich im Aktienkurs: Allein in den letzten zwölf Monaten verlor die Aktie 91 Prozent an Wert. Die gesamte Gruppe erzielte 2024 einen Umsatz von rund 2,5 Milliarden Euro und beschäftigte 7450 Mitarbeitende. Doch an der Börse wird das einst stolze Unternehmen noch mit 41 Millionen Franken bewertet. Am 5. Juni ist Schluss mit dem Siechgang: Die Swiss-Steel-Aktien werden zum letzten Mal gehandelt.
Danach geht die Gesellschaft mehrheitlich in den Besitz des Milliardärs und Amag-Eigentümers Martin Haefner (70) über. Aktuell hält er 87,6 Prozent der Aktien. Bis vor kurzem zählte auch Peter Spuhler (68) zu den Grossaktionären. Mental hatte sich der Bahnunternehmer allerdings bereits vor einem Jahr verabschiedet – nach dem verlorenen Machtkampf gegen Martin Haefner. Der Industrielle aus der Ostschweiz drängte auf eine harte Restrukturierung und wollte Aebi-Schmidt-Chef Barend Fruithof als Verwaltungsratspräsidenten durchsetzen, was Haefner jedoch verhinderte.
Teure Verkaufsoption
Diese Woche zog Spuhler eine Verkaufsoption und veräusserte sein Aktienpaket von 8,2 Prozent zum Preis von 20 Franken pro Aktie an Haefner. Da der aktuelle Kurs bei lediglich 1.30 Franken liegt, ergibt sich ein empfindlicher Verlust für Haefner. Bei 2,7 Millionen Aktien musste er rund 54 Millionen Franken für das Paket auf den Tisch legen – mehr als die ganze Firma aktuell wert ist.
Haefner drohen noch höhere Verluste, weil er Viktor Vekselberg ebenfalls eine Verkaufsoption für 20 Franken pro Aktie für ein noch grösseres Aktienpaket gewährte. Letzte Woche hat dieser einen Teil der Option an den Schweizer Investor Daniel Fricker von Alpina Capital verkauft. In dessen Beirat sitzt Rudolf Bohli, der mit aktivistischen Kampagnen im Stil von Martin Ebner unter anderem bei der Credit Suisse bekannt wurde.
Die Verkaufsoptionen sind bei weitem nicht die einzigen Verlustbringer für den Investor und Autoimporteur. Martin Haefner – ausgebildeter Mathematiklehrer und Sohn von Walter Haefner, dem erfolgreichen Unternehmer und Gründer der Amag-Gruppe – führt seit 2006 das Familienunternehmen. Parallel dazu hat er ein Portfolio an eigenen Beteiligungen aufgebaut, wobei am meisten Kapital in den Innerschweizer Stahlkonzern floss.
Haefner schweigt
Anhand von Pflichtmeldungen aus den vergangenen zwölf Jahren lässt sich rekonstruieren, welche enormen Summen Haefner in den taumelnden Stahlkonzern gesteckt hat. Daraus geht hervor, dass sich das Engagement auf insgesamt 1 bis 1,2 Milliarden Franken beläuft. Martin Haefner selbst will sich dazu auf Anfrage nicht äussern.
Von den 1 bis 1,2 Milliarden flossen allein über 800 Millionen in den Aufbau der Aktienbeteiligung. Davon gehen 680 Millionen Franken auf das Konto von drei Kapitalerhöhungen in den Jahren 2019, 2021 und 2024. Hinzu kommen drei Darlehen, die sich insgesamt auf 350 Millionen Franken belaufen. Im ersten Quartal 2025 musste Martin Haefner 150 Millionen Franken einschiessen, um das Unternehmen zu stabilisieren und die kreditgebenden Banken zu beruhigen.
Bis auf die Kredite ist praktisch alles verloren – das Geld ist weggeschmolzen wie das Eisen in den Hochöfen. Martin Haefner kann sich das leisten. Sein Vermögen wird von der «Bilanz» auf 5 bis 6 Milliarden Franken geschätzt. Er ist niemandem Rechenschaft schuldig. Haefner hat keine Kinder, die seine Investmentstrategie hinterfragen würden. Für die Zeit nach seinem Ableben hat er vorgesehen, sein Vermögen in eine Stiftung zu überführen.
Nicht alle seine Beteiligungen entwickelten sich negativ. Haefner ist unter anderem auch bei Rieter engagiert, wo er mit Peter Spuhler zu den wichtigen Aktionären zählt. Erst diese Woche übernahm der Winterthurer Konzern den Textilbereich von Oerlikon – ein Deal, der für Kurssprünge sorgte. Der Kauf gilt als strategisch sinnvoll, um das Geschäft zu diversifizieren und neue Wachstumsmöglichkeiten zu erschliessen.
Bitterkeit und Tragik
Bitter für Haefner bleibt, dass er trotz schier unendlicher Mittel bei Swiss Steel keine Wende zum Besseren erreichen konnte – sondern im Gegenteil alles nur noch schlechter wurde. Neben den lähmenden Auseinandersetzungen im Aktionariat, wo er selbst daran beteiligt war, glaubte er viel zu lange den Versprechungen des Managements auf bessere Zeiten.
Doch die Verluste wurden immer grösser. Trotzdem bewilligte sein Verwaltungsrat völlig überrissene Saläre und bezahlte Sonderwünsche wie Chauffeurdienste. «Er ist nicht der Typ, der mit der Faust auf den Tisch haut», sagt ein Vertrauter. Leider würden das andere schamlos ausnutzen.