«Wir wären froh, wenn die Leute mithelfen würden»
0:48
Belader Adrian Walz:«Wir wären froh, wenn die Leute mithelfen würden»

Winterthurer ärgern sich über Behörden
Karton-Knatsch wegen Bündel-Pflicht

Winterthur verschärft seine Regeln bei der Kartonsammlung. Ein falsch gebündelter Haufen wird nicht mehr abgeholt. Sehr zum Unmut der Bewohner, die die Massnahmen kritisieren.
Publiziert: 04.03.2021 um 12:51 Uhr
|
Aktualisiert: 04.03.2021 um 15:00 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/16
In Winterthur stehen derzeit Dutzende Kartonschachteln rum, weil sie für die Entsorgung nicht richtig gebündelt wurden.
Foto: Facebook/Du bist ein Winterthurer
Anastasia Mamonova

In Winterthur herrscht ein Karton-Knatsch! Wer künftig seinen Karton entsorgen möchte, muss neue Regeln beachten.

Vergangene Woche informierte die Stadt, dass der Karton nur noch abgeholt wird, wenn er entweder zerkleinert im braunen Container liegt, flach gedrückt und mit einer Schnur gebündelt am Strassenrand positioniert oder in eine grosse, aber offene Schachtel gestellt und ebenfalls verschnürt wird. Die entsprechenden Flyer wurden am Freitag in die Briefkästen der Anwohner gelegt.

Am Mittwoch – dem ersten Sammeltag seit der Ankündigung – folgte für viele Kartonsünder das böse Erwachen. Die Stadt setzte die neue Regel rigoros um und liess Dutzende – falsch gebündelte – Kartonschachteln draussen stehen. Sehr zum Unmut der Winterthurer. Auf Facebook machen sie ihrem Ärger Luft.

«Übertriebene Erziehungsmassnahmen»

In einer Winterthurer Gruppe wird die Regel mit der Schnur heiss diskutiert. «Bei jedem dritten Einfamilienhaus wurde heute der Karton nicht eingesammelt, weil der Karton-Abfall nicht 100-prozentig den drei vorgeschriebenen Vorgaben entspreche. Dass eine Schnur um das Bündel den Abhol- und Sortierprozess verbessert, kann ich mir nicht vorstellen», schreibt ein Mann. «Die ganze Stadt ist noch voll von Karton, was soll das?», fragt sich ein anderer.

Fredy Künzler (53), SP-Gemeinderat, schreibt: «Ihr könnt es auch übertreiben mit euren Karton-Abfuhr-Erziehungsmassnahmen, Stadt Winterthur. Ihr könnt eure Leute grad noch mal vorbeischicken. Oder sollen wir jetzt zwei Wochen lang diese Sauerei erdulden?»

Dazu postet er ein Foto von einem Kartonberg vor der Haustür seines Mehrfamilienhauses. Man wisse ja nicht mal, «von wem welche Schachtel ‹ohne Schnüerli› ist, in einer 32er-Überbauung. Eine Schachtel hat sogar ein ‹Schnüerli›, trotzdem habt ihr sie stehenlassen», schimpft Künzler. Er sei «wirklich sauer» und finde, das sei «kein Service Public». Man müsse den Leuten doch «genügend zeitlichen Vorlauf» lassen, meint er.

«Eingeübte Praxis nicht innert weniger Tage ändern»

Auf BLICK-Anfrage sagt der Politiker: «Die Flyer waren letzte Woche in den Briefkästen, innerhalb der üblichen Werbung. Es ist zu vermuten, dass die Mehrheit der Bevölkerung sie nicht gesehen hat. Vermutlich hat man das Desaster bei der Stadt extra provoziert, um mehr Reichweite zu bekommen.»

Er findet die neue Regelung grundsätzlich durchaus sinnvoll, betont aber: «Man kann nicht eine seit 2008 eingeübte Praxis einfach so innert weniger Tage ändern. Das ist einfach nicht praktikabel.»

In den Kommentaren sind die Meinungen gespalten. Die einen widersprechen Künzler. «Ich hab mich auch gewundert, habe es aber trotzdem geschafft, mein Kartongebinde richtig abzugeben – und ich werde in einem Jahr 60. Glaubst du im Ernst, es brauche im Zeitalter von Real Time und Multitasking eine dreimonatige Einführungsfrist?», schreibt ein User. Die anderen pflichten dem Gemeinderat bei und sprechen von «Behördenwahnsinn».

Extratour geplant

Die Stadt wehrt sich. «Es ist uns bewusst, dass es seine Zeit benötigt, bis sich die Winterthurerinnen und Winterthurer an die Vorgaben gewöhnen. Daher wird in einer ersten Phase auch der Karton, der mit einem Rückweisungskleber versehen wurde, mit einer Extratour abgeholt», antwortet die Stadt auf Künzlers Post.

Für den 53-Jährigen sei es aber trotzdem ein «Kommunikationsdesaster». Künzler zu BLICK: «Der ganze Goodwill der Bevölkerung in Sachen Kartonabfuhr wurde durch dieses nicht kundenorientierte Vorgehen der Stadtverwaltung kaputt gemacht.»

«Falsch-Entsorger persönlich anschreiben»

Die Stadt plant derweil in einer zweiten Phase, die Unbelehrbaren gezielt anzugehen. «In einer zweiten Phase wird die Entsorgung Winterthur versuchen, Hinweise auf die Verursachenden zu finden und notorische Falschentsorger persönlich anschreiben», schreibt die Stadt in einer Mitteilung.

In einem Kampagnenvideo weist ein Belader auf die steigenden Kartonmengen aufgrund von Online-Shopping, besonders in der Corona-Pandemie, hin. «Es gibt sehr viel Arbeit, und wir wären froh, wenn die Leute ein bisschen mithelfen und uns das schön hinstellen würden. Das würde uns die Arbeit sehr erleichtern.»

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen
      Meistgelesen