Tiefer Fall am Bezirksgericht Affoltern a.A.
Wegen «Seich» – Zürcher Langfinger-Polizist ruiniert glänzende Karriere

Vor dem Bezirksgericht Affoltern am Albis stand am Dienstag ein ehemaliger ranghoher Polizist der Kantonspolizei Zürich. Er soll in ein Tatort-Haus eingestiegen sein und Portemonnaies geklaut haben. Vor Gericht präsentierte er seine Version.
Publiziert: 12.08.2025 um 19:50 Uhr
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Aktualisiert: 12.08.2025 um 21:34 Uhr
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Bild aus besseren Zeiten: Ein ehemaliger Zürcher Kantonspolizist (60) musste sich am Dienstag vor dem Bezirksgericht Affoltern verantworten.
Foto: Sandra Ardizzone

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Sandro ZulianReporter News

Bei dieser Geschichte fragt man sich unweigerlich: Was ist damals mit Mirko N.* los gewesen? Wie kommt man als ranghoher Polizeikader auf die Idee, strafbar zu werden? In einen ehemaligen Tatort einzusteigen – um Geld zu klauen? Früher war er Chef, Experte für Einbruchprävention, ein Posterboy der Kantonspolizei Zürich. Und heute? Sitzt er als Beschuldigter auf der Anklagebank. Blick erklärt, wie es zum tiefen Fall von Mirko N. kam. 

Der heute 60-Jährige begann als Fahnder bei der Kantonspolizei und arbeitete sich auf der Karriere-Leiter stetig hinauf. 2015 wurde er Bezirkschef, nur zwei Jahre später Leiter einer der vier Regionalabteilungen im Kanton Zürich.

Während der Corona-Zeit sah man ihn mit Zürcher Regierungsräten in der Zeitung. Er trat international als Experte auf. In ausländischen Zeitungen zitierte man ihn als Ausbilder an der nationalen Polizeiakademie und als Spezialisten. 15 Jahre lang war er auf Verbrechen spezialisiert – jetzt steht er im Verdacht, selber einer zu sein. Wie konnte es so weit kommen?

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Mirko N. hatte eine glänzende Karriere. Jetzt steht er vor Gericht und wurde von der Kantonspolizei Zürich fristlos entlassen.
Foto: Sandra Ardizzone

Mit einem Brecheisen soll Mirko N. am 11. Juni 2024 in Knonau ZH in ein Haus eingebrochen sein. Dort soll er zwei Portemonnaies mit mindestens 1400 Franken Inhalt gestohlen und sich dann aus dem Staub gemacht haben.

Die Portemonnaies waren aber nicht irgendwelche Geldsäckel aus irgendeinem Haus. Eine Woche zuvor geschah im Gebäude in Knonau Schlimmes: Ein 80-jähriger Mann tötete erst seine 78-jährige Ehefrau, danach richtete er sich selbst. Kurz nach der Tat war Polizist Mirko N. vor Ort im Einsatz gewesen.

«Zwei Männer, mutmasslich Maghreb»

Nach seinem mutmasslichen Diebstahl soll Mirko N. einen Eintrag im Polizei-Informationssystem POLIS verfasst haben. «Zwei Männer (mutmasslich Maghreb) festgestellt.» Die beiden Männer hätten sich aus dem Staub gemacht.

Mit offener Heckklappe: So stellte der Polizist sein ziviles Dienstfahrzeug am Tatort ab.
Foto: zVg

Die Staatsanwaltschaft schliesst nicht aus, dass die beiden Unbekannten und nie gefassten Männer aus Nordafrika tatsächlich vor Ort waren. So findet sich in der Anklageschrift noch eine zweite, mögliche Tatversion. In dieser hätte der ehemalige Polizist die beiden verdächtigen Männer beim Haus gesehen, vor dem Haus ein Brecheisen entdeckt und sie zur Rede stellen wollen. Dabei soll ihm einer ein Portemonnaie zugeworfen haben.

Wegen Verstoss gegen Vorschriften das Geld behalten?

Am Dienstag stand der tief gefallene Polizist vor dem Bezirksgericht Affoltern am Albis ZH. Er machte einen geschlagenen Eindruck. Seine Version der Geschehnisse gleicht der zweiten Tatvariante. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm je nach Tatversion Diebstahl und Sachbeschädigung oder Hehlerei und Begünstigung vor.

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Vor Gericht bereute Mirko N. seine Tat: «Ich habe einen Seich gemacht. Ich muss es so sagen. Einen Seich.» In seinem Büro fand man später gut 3000 Franken Bargeld. Die grosse Frage bleibt, egal ob Tatversion eins oder zwei: Wieso hat er das Geld behalten?

Die Erklärung: Indem er allein, unbewaffnet und ohne Handschellen zwei mutmasslichen Einbrechern nachgerannt sei, habe er gegen etliche Dienstvorschriften verstossen und wäre zum Gespött der Kollegen geworden. Um die Sache zu vertuschen, habe er den Eintrag im Polizei-Informationssystem verfasst.

Ob das Richtergremium am Bezirksgericht ihm das abkauft, ist unklar. Das Urteil folgt am 21. August. 

Die Staatsanwaltschaft fordert – je nach Tatversion – zwischen 14 und 18 Monate Freiheitsstrafe bedingt. Mirko N., von seinem Arbeitgeber 2024 fristlos entlassen, wollte gegenüber Blick keine Stellung nehmen. Auf Anfrage sagt die Kantonspolizei Zürich: «Das Verhalten des Mannes war inakzeptabel.» Es gilt weiter die Unschuldsvermutung.

* Name geändert 

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