Staatsanwaltschaft ermittelt gegen drei Mitarbeiter
Zürcher Betreibungsamt treibts zu weit

In einem Stadtzürcher Betreibungsamt ist der Teufel los: Zuerst wird eine Beamtin wegen Pädophilie und Drogen verhaftet. Nun sind drei Mitarbeiter beschuldigt, geheime Daten aus dem Amt missbraucht zu haben. Und die Stadt Zürich erfährt wieder mal alles vom BLICK.
Publiziert: 04.07.2019 um 23:32 Uhr
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Aktualisiert: 05.07.2019 um 13:06 Uhr
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Beschäftigt die Polizei immer wieder: Das Betreibungsamt Kreis 10 der Stadt Zürich am Wipkingerplatz.
Foto: Beat Michel
Michael Sahli

Im Betreibungsamt des Zürcher Kreis 10 herrscht pures Chaos. Schon im März machte BLICK publik, dass die damalige Rechnungsführerin Sandra T.* (40) in der Amtsstube verhaftet wurde – wegen Pädophilie und Drogenhandel. Nun zeigen Recherchen: Alles ist noch viel schlimmer. Vier aktuelle oder Ex-Mitarbeiter müssen bei der Polizei antraben. Drei von ihnen werden beschuldigt, das Amtsgeheimnis verletzt zu haben. Darunter auch Sandra T.

Dabei war es eigentlich eine Lappalie, die den Fall ins Rollen brachte. Zusammen mit ihrem Partner Mario D.* (47) wird Rechnungsführerin Sandra T. Ende 2018 in Schaffhausen wegen Sprayereien verhaftet. Die Polizisten durchsuchen auf der Suche nach Beweisen für weitere Sachbeschädigungen die Handys – und stossen stattdessen auf Kinderpornos.

Es stellt sich heraus, dass sich IV-Rentner Mario D. mehrfach an einem Kleinkind (3) vergangen hat. Konkret: Er fertigte Videos der Übergriffe an. Und schickte Material an seine Partnerin – die Beamtin. Ihre schockierende Antwort auf die schlimmen Mitschnitte: «Geilo. Hast du Öl benutzt?»

Stadt Zürich reagiert mit Verspätung auf Vorwürfe

Die Stadt Zürich reagierte zögerlich auf die Verhaftung der Mitarbeiterin. Das Arbeitsverhältnis mit Rechnungsführerin Sandra T. wurde erst beendet, nachdem BLICK die Vorwürfe der Strafverfolgungsbehörden publik machte.

In einer Stellungnahme verlautbarte die Stadtregierung später: Man habe von den Vorwürfen gegen die Beamtin schlicht nichts gewusst, bis man im BLICK davon las. Und: Man habe nur in Erfahrung bringen können, dass die Sache nicht mit einer Amtstätigkeit oder einem Vermögensdelikt zu tun habe. Jetzt kommt raus: Als der Stadtrat diese Erklärung veröffentlichte, war die Strafuntersuchung längst auf Amtsgeheimnisverletzung ausgeweitet worden.

Staatsanwaltschaft bestätigt weitreichende Ermittlungen

Der zuständige Stadtammann war damals schon bei der Polizei als Auskunftsperson angetrabt – eben wegen Amtsgeheimnisverletzung. Weitere drei aktuelle oder ehemalige Mitarbeiter sind als Beschuldigte aufgeführt, bestätigt die Staatsanwaltschaft: «Die ursprüngliche Untersuchung wurde aufgrund der Erkenntnisse aus den Ermittlungen ausgeweitet.»

Doch warum wusste die Stadt nicht, dass die eigenen Mitarbeiter vorgeladen werden? Der Sprecher des Präsidialdepartements von Stadtpräsidentin Corine Mauch, dem die Betreibungsämter administrativ zugeordnet sind, teilt schriftlich mit: Man werde eine «Störung des Informationsflusses prüfen».

Unklar bleibt auch, was die Beamten mit den heiklen Daten der Bürger getrieben haben. Dazu heisst es beim Departement, man wisse es leider selber nicht. O-Ton: «Der Stadtrat verfügte bis zu Ihrer Anfrage über keine Hinweise, dass eine Amtsgeheimnisverletzung Gegenstand der Untersuchungen sein könnte.»

Chef ist in den Ferien – und erst mal nicht erreichbar

Die Klärung dürfte schwierig werden. Denn: Der Chef des Amts, der zuständige Stadtammann Heinz Brauchli, weile gerade in den Ferien und sei nicht erreichbar, so das Präsidialdepartement.

BLICK-Recherchen zeigen, dass im Amt offenbar ein äusserst ungezwungener Umgang mit heiklen Daten herrschte, auch für private Zwecke. Die Staatsanwaltschaft will das nicht konkretisieren, schreibt aber: «Im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Amtsgeheimnisverletzung geht es um Beschaffung von durch das Amtsgeheimnis geschützten Informationen, die nicht für die amtliche Tätigkeit benötigt wurden.»

Gestern Abend meldet die Stadt Zürich, man habe sich den Sachverhalt mittlerweile von der Staatsanwaltschaft bestätigen lassen und Anzeige bei den kantonalen Aufsichtsbehörden eingereicht. Und tatsächlich: Man versuche nun herauszufinden, wer genau involviert ist.

* Namen geändert

Anm. d. Redaktion: Im obigen Artikel wurde berichtet, dass auch der Chef des Amtes beschuldigt wird. Das ist falsch. Der Amtschef war einzig als Auskunftsperson geladen – wie es unten im Text auch richtigerweise benannt ist. BLICK entschuldigt sich für den Fehler.

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