Darum gehts
- Thomas Dürr boykottiert Kongresshaus Zürich wegen Mieterhöhung
- Mietpreis für Entertainment-Paket steigt von 14'200 auf 23'000 Franken
- Streit zwischen Eventveranstalter und Kongresshaus eskaliert – Dürr prüft rechtliche Schritte
Wer es sich mit ihm verscherzt, hat schlechte Karten im Showbusiness. Die Medien nennen ihn «König der Eventbranche», selbst das sonst zurückhaltende SRF adelt ihn. Denn Thomas Dürr (58), der Partner von Luxuslady Irina Beller (53), besitzt und führt Act Entertainment – den grössten Konzertveranstalter der Schweiz. Jedes Jahr organisiert er über 300 Shows. Helene Fischer, Beyoncé, Coldplay, Rammstein, Greenfield, Ballett, chinesischen Nationalzirkus. Dürr veranstaltet alles, was Unterhaltung verspricht.
Nach 33 Jahren im Geschäft kennt er wohl jede Bühne des Landes. Vor allem das Kongresshaus Zürich. Kein Veranstalter war dort häufiger, keiner prägte den Unterhaltungskalender so sehr wie er. Fast die Hälfte aller dortigen Entertainment-Shows stammen aus seiner Feder. Doch jetzt ist Schluss. Dürr boykottiert das Kongresshaus per sofort. «Ich lasse mich nicht so behandeln», sagt er zu SonntagsBlick.
Das Verhältnis zwischen ihm und dem Kongresshaus ist zerrüttet. Beide Parteien haben Anwälte eingeschaltet, die sich nun per Schriftverkehr duellieren. Zum Bruch kam es aus verschiedenen Gründen. Letztlich geht es in dieser Fehde aber – wie so oft – um Geld. Denn das Kongresshaus steckt in finanziellen Schwierigkeiten.
Kongresshaus macht Minus mit Kulturevents
Bisher zahlte Dürr für das sogenannte «Entertainment-Paket» (die Abendmiete der Räumlichkeiten) 14’200 Franken. Neu verlangt das Kongresshaus 23’000 Franken. Eine Mieterhöhung um 60 Prozent. Zwar offerierte ihm die Geschäftsleitung einen «Sonderpreis» von 18’500 Franken, doch auch das hält Dürr für «völlig überrissen». Als Vergleich erwähnt er das Musical Theater Basel: «Das bietet gleich viel Platz, kostet aber nur 9500 Franken pro Abend.»
Auf Anfrage bestätigt das Kongresshaus die Mieterhöhung. CEO Michel Loris-Melikoff sagt, die aktualisierten Preise würden «per sofort» gelten, für alle neu abgeschlossenen Verträge. Bei seinem Amtsantritt vor zwei Jahren hätten er und sein Team sämtliche Preise hinterfragt. «Dabei haben wir festgestellt, dass wir mit diesem Produkt Geld verlieren.» Die Miete für ein Entertainment-Paket blieb seit 2021 unverändert. Das heisst: Das Kongresshaus hat mit Kulturveranstaltungen jahrelang Minus gemacht. Zudem weist Loris-Melikoff den Vergleich mit dem Musical Theater Basel zurück: Jedes Eventlokal habe ein eigenes Konzept, «man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen».
Eventpapst Dürr wehrt sich gegen die Erhöhung. Wenn die Miete steige, müsse er die Ticketpreise erhöhen. «Das spürt dann der einfache Bürger im Portemonnaie.» Nicht jede Show vertrage höhere Preise, weil dann die Besucher fernblieben. Als Folge seien zahlreiche Anlässe nicht mehr rentabel. «Sie werden aus dem Kongresshaus verdrängt», befürchtet Dürr und appelliert an «das sozialdemokratische Zürich». Als Mehrheitsaktionärin des Kongresshauses könnte die Stadt eingreifen. «Die Zürcher Regierung sollte Kultur fördern, nicht verhindern.»
Verstoss gegen Kartellrecht?
Dürr prüft juristische Schritte gegen das Kongresshaus. Die Anwälte schreiben einander bereits scharfe Briefe. Der Eventveranstalter argumentiert, «die massive Preiserhöhung» verstosse gegen das Mietrecht. Zudem sieht Dürr kartellrechtliche Bestimmungen verletzt. Mit 1500 Plätzen und einer Theaterbühne verfüge das Kongresshaus über eine Monopolstellung in Zürich. Andere Hallen seien deutlich kleiner, grösser oder hätten keine Theaterbühne. Gewisse Events liessen sich daher nur dort durchführen.
Der Kongresshaus-CEO widerspricht. «Wir sehen keinen Verstoss gegen das Mietrecht», so Loris-Melikoff. Es stehe dem Kongresshaus frei, seine Mietkonditionen periodisch zu überprüfen und anzupassen. Zudem besitze man keine marktbeherrschende Stellung. Es gebe im Umkreis von 100 Kilometern genügend Alternativen, darunter etwa das Volkshaus, das Theater 11, The Hall in Zürich-Oerlikon oder der Komplex 457 in Zürich-Altstetten.
Doch Dürrs Kritik geht weiter. Letztlich, so findet er, verstosse das Kongresshaus gegen die Eigentümerstrategie (2023–2026) der Stadt. Dazu muss man wissen: Das Kongresshaus stand vor wenigen Jahren kurz vor dem finanziellen Kollaps. Eine um Jahre verzögerte Sanierung und Schliessungen während der Covid-Pandemie hatten dem Haus arg zugesetzt. Ein Konkurs liess sich nur verhindern, weil die Stadt 2022 einsprang, ein Darlehen von 1,9 Millionen Franken gewährte und Aktien im Wert von 4 Millionen Franken übernahm. Seither hält sie 81,7 Prozent an der Kongresshaus AG.
Kongresshaus profitiert von Steuergeld
Und das ist nicht alles. Die Kongresshaus AG mietet Gebäude, die wiederum der öffentlich-rechtlichen Kongresshaus-Stiftung gehören. Um die AG finanziell zu entlasten, wurde daher die Miete an die Stiftung gesenkt. Zugleich erhöhte die Stadt ihren jährlichen Beitrag an die Stiftung um fast 1 Million auf 3,85 Millionen Franken. Vorerst sind diese Beiträge bis zum 31. Mai 2028 begrenzt. Die Stadt prüft allerdings eine Verlängerung, wie das Präsidialdepartement auf Anfrage mitteilt. Kurz: Das Kongresshaus profitiert von Steuergeld in Millionenhöhe.
Die Stadt hat deshalb eine Eigentümerstrategie erlassen, in der sie strategische Interessen, Ziele und Erwartungen an das Kongresshaus festhält. Ein Punkt lautet: Die Stadt erwarte, dass sich die Kongresshaus AG «als führender Schweizer Ort für Kongresse, Messen und Veranstaltungen» positioniert. Dürr findet: Genau das passiere nicht. Der Raum für Kulturveranstaltungen im Kongresshaus schrumpfe.
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Vor der Sanierung 2021 gab es auch unter der Woche Kulturanlässe. Seither finden diese nur noch samstags und sonntags statt, während unter der Woche ausschliesslich Kongresse abgehalten werden. «Die Verantwortlichen betreiben eine Kongress-First-Strategie, ordnen die Kultur unter, und jetzt erhöhen sich auch noch die Preise.» Als Veranstaltungsort könne man so nicht «führend» sein, findet Dürr.
Ein letzter Schwanentanz
CEO Loris-Melikoff sagt, der Entscheid, unter der Woche nur «wirtschaftlich interessante Kongresse» durchzuführen, sei «rein kommerziell». Er könne es sich nicht leisten, kulturelle Veranstaltungen zu subventionieren, solange das Kongresshaus nicht genügend profitabel sei. Man stecke immer noch in der Sanierungsphase. Zudem schreibe die Eigentümerstrategie vor, dass das Kongresshaus nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt werden müsse. «Dieser Aufgabe kommen wir nach.»
Das Präsidialdepartement der Stadt Zürich schreibt auf Anfrage, dass die Kongresshaus AG aus Sicht der Stadt nicht gegen die Vorgaben der Eigentümerstrategie verstosse. Weiter will sich die Stadt nicht dazu äussern.
Im Januar führt Dürr noch einmal «Schwanensee» auf. Drei Jahrzehnte galt sein Ballett als sicherer Wert im Kongresshaus. «Jetzt ist Schluss.» Seine Schwäne tanzen zum letzten Mal.