Darum gehts
- Polizei führt Grosseinsatz im Neugasshof durch, Betreiber kritisiert Aktion
- Ehemaliger Kriminalkommissar verteidigt Polizeieinsatz als angemessen
- Es sei besser, zu viele Polizisten einzusetzen als zu wenige
Kurz vor 17 Uhr fährt die Polizei am 29. April mit einem Grossaufgebot vor. Im Zentrum der Ermittlungen steht der Neugasshof in Zürich, eine bekannte Milieu-Beiz. Der Betreiber Roland Gisler (61) ist der Justiz bekannt. 2022 wurde er vom Zürcher Obergericht zu vier Jahren Knast verurteilt. Denn bei einer früheren Razzia wurden bei ihm 434 Kilogramm Cannabis und illegale Waffen gefunden. Zwischenzeitlich wurde das Urteil teilweise revidiert, seine Gefängnisstrafe wird neu verhandelt.
Inzwischen gleicht der Neugasshof einer Festung: Kameras beobachten jeden Winkel der Beiz. Diese haben die Razzia vom April aufgezeichnet – und Gisler hat Blick die Aufnahmen zur Verfügung gestellt. Im einen Video ist zu sehen, wie die Polizisten durch einen Gang rennen. Dann durchlöchern sie eine Tür. Womit, ist auf den Aufnahmen nicht zu erkennen. Dann steigen die schwer ausgerüsteten Polizisten das Treppenhaus hoch.
Video – hier rennen Polizisten mit Sturmmasken zum Neugasshof
Das andere Video zeigt, wie Polizisten mit schwerem Gerät aus einem weissen Lieferwagen aussteigen und zum Neugasshof schreiten. Dann erscheint die Polizei mit weiteren Fahrzeugen. Polizisten in Zivilkleidung, aber mit Sturmmasken, rennen zur Bar. Später ist zu sehen, wie die Einsatzkräfte Leute festnehmen, die sich in der Bar aufhalten.
Das Fazit von Roland Gisler zum Einsatz: Er kritisiert die Aktion als «völlig übertrieben». Blick schickte die Aufnahmen der Razzia dem ehemaligen Kriminalkommissar Markus Melzl (73) für eine Einschätzung. Für ihn sprechen in einem solchen Fall einige Gründe dafür, eher zu viel Polizisten als zu wenige einzusetzen. «Bei einem solchen Einsatz wird in der Regel nicht an der Haustüre geläutet – sondern man öffnet gewaltsam eine Türe. Da man nicht weiss, wie die Personen im Innern reagieren, erfolgt ein solcher Einsatz entsprechend ausgerüstet», sagt der Polizeiexperte zu Blick.
«Man will nicht mit zu wenig Mitteln ausrücken»
Und weiter: «Man kann das mit einem Feuerwehreinsatz vergleichen, man will nicht mit zu wenig Mitteln ausrücken, das kann fatal sein.» Melzl hat während seiner Dienstzeit selber eine Sondereinheit geleitet, er spricht aus Erfahrung. «Ich persönlich finde den Einsatz nicht völlig neben der Norm, zumal gerade im Drogenbereich oft mit harten Bandagen gekämpft wird», sagt er.
Nach dem Einsatz müsse man sicher über die Bücher: «Beim Debriefing kann man schon mal zur Erkenntnis kommen, dass ein Einsatz in der Rückblende vielleicht etwas höher als den Verhältnissen angepasst gefahren wurde, dies heisst aber auf keinen Fall, dass es sich dann um einen unverhältnismässigen Einsatz gehandelt hätte», sagt er.