Darum gehts
- Mutmasslicher Täter steht wegen mehrfachen Mordes in Zürich vor Gericht
- Identische DNA-Spuren an beiden Tatorten führten zur Festnahme
- Drei Morde in Zürich und Bern, fünf Jahre auseinander am 15. Dezember
Die Psychoanalytikerin Ana Maria M. wird am 15. Dezember 2010 in Zürich erstochen. Genau fünf Jahre später, am 15. Dezember 2015, werden in Laupen bei Bern Georg und Gerda S. brutal getötet. Lange tappten die Ermittler im Dunkeln.
Am Dienstag kommt nun der mutmassliche Täter Javier Andrés S.* (47) vor Gericht. Der Spanier muss sich vor dem Zürcher Bezirksgericht wegen mehrfachen Mordes verantworten. Bei allen drei Tötungsdelikten spricht die Zürcher Staatsanwaltschaft von einem regelrechten «Overkill». Er habe die Tötungen «mit grösster Brutalität zu Ende» geführt.
Das Blutbad in Zürich
Javier Andrés S. war kurz, für zwei Sitzungen, bei Ana Maria M. in Behandlung. Er ging nur zweimal, weil seine Krankenkasse die Behandlung nicht übernahm. Gemäss Anklageschrift plante er am Tag der Tat, in die Praxis seiner Therapeutin einzubrechen, um dort nach Wertsachen und Geld zu suchen. Er führte Kabelbinder und ein Messer unbekannter Grösse mit.
Am Abend betrat der Mann die Räumlichkeiten im Zürcher Seefeld. Er drückte zuvor sein Ohr gegen die Eingangstür, hörte nichts und ging hinein. Er traf auf M., die sich wohl unerwartet heftig wehrte. Es kam zu einem Handgemenge. Die Anklage beschreibt Würgemale, Blutungen unter der Bindehaut und Hämatome am Hals der Therapeutin. Ana Maria M. wurde zu Boden gedrückt. Danach stach der Beschuldigte vierzehnmal in ihren Rücken und den Hals. Sie verblutete. «Als ich ins Haus kam, roch es nach Blut – wie in einer Metzgerei», berichtete später ein Anwohner gegenüber Blick.
Der Doppelmord in Bern
Im Jahr 2013 zog S. in den Kanton Bern um. Im Mai 2015 war der Mann wegen Depressionen und Suizidgedanken stationär in Behandlung. Dort sei er entwichen und nach Laupen in seine damalige Wohnung zurückgekehrt. Laut Anklage entschied er in den folgenden Monaten, das Ehepaar aus seiner unmittelbaren Nachbarschaft zu überfallen. Am Abend des 15. Dezember 2015 soll er in ihr Haus eingedrungen sein. Das Paar kam nach Hause und stellte ihn.
Vorgeworfen wird ihm, zunächst mit einem spitzen Gegenstand auf Gesicht und Körper von Gerda S. eingestochen zu haben. Anschliessend schlug er mit einem «hammerähnlichen Werkzeug» auf beide ein. Danach soll er die schwer verletzten Eheleute die Kellertreppe hinuntergezogen haben, wo sie ihren massiven Verletzungen erlagen. Nebst der Absicht, sich zu bereichern, nennt die Anklageschrift als mögliches Motiv, die Angst, von den Opfern erkannt zu werden.
Anschliessend soll er den Autoschlüssel des Peugeots von Gerda S. genommen und den Wagen nach Bern gefahren haben. Ohne Fahrausweis, dieser war ihm zuvor entzogen worden. Er stellte das Auto ab und tauchte unter. Beide Fälle beschäftigten die Schweiz.
Identische DNA an beiden Tatorten
In der Praxis von Ana Maria M. wurden nach der Tötung DNA-Spuren gefunden. Die Spur führte zunächst ins Leere, obschon erstmals in der Schweizer Kriminalgeschichte einen DNA-Massentest angeordnet wurde. Die Polizei liess von 400 Männern Proben nehmen, doch es gab zunächst keinen Fahndungserfolg.
Neue Ermittlungsansätze, die von der Polizei nicht näher erklärt wurden, wiesen später auf einen Mann mit Wohnsitz in Spanien. Am 29. Januar 2024 wurde Javier Andrés S. in Genf verhaftet, als er in die Schweiz einreisen wollte.
Abschluss eines Rätsels
Jetzt, fast 15 Jahre nach der ersten Tat, steht der mutmassliche Täter vor Gericht. Der Prozess könnte einen der rätselhaftesten Kriminalfälle der Schweiz abschliessen. Das beantragte Strafmass will die Staatsanwaltschaft erst am Prozesstag bekannt geben.
Für den Spanier, der nicht geständig ist, gilt die Unschuldsvermutung. Auf Anfrage von Blick wollte sich seine Verteidigung nicht zu den Vorwürfen äussern.
*Name geändert