Darum gehts
- Einbürgerung von Orhan T. wurde wegen eines Autounfalls abgewiesen
- Bundesgericht entscheidet nun gegen schematische Vorgehensweise des SEM
- Fall wirft Fragen auf, wie strikt Regeln bei Entscheidungen sein sollten
Seit 31 Jahren lebt Orhan T.* (60) bereits in der Schweiz. Beim Bahnhof Arth-Goldau SZ führt er das Restaurant La Piazza. Der Türke ist Mitglied in einem Skiclub, wandert, unterstützt lokale Vereine als Sponsor und bietet seine Räumlichkeiten gern für Vereinstreffen an.
2020 wollte sich Orhan T. einbürgern lassen – schliesslich ist er sehr gut integriert und in der Gemeinde geschätzt. Doch mitten im Einbürgerungsverfahren baute er einen selbst verschuldeten Autounfall. Übermüdet krachte er mit seinem BMW in eine Laterne. Verletzt wurde bei dem Unfall niemand.
SEM ging strikt schematisch vor
Für das Verkehrsdelikt gab es eine bedingte Geldstrafe von 40 Tagessätzen, die Probezeit wurde auf zwei Jahre angesetzt. Doch das war nicht alles. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) stoppte den Einbürgerungsprozess und fügte der Probezeit noch eine dreijährige Wartefrist hinzu. Das SEM stützte sich dabei strikt auf sein Handbuch, das eine entsprechende Tabelle mit den jeweiligen Wartezeiten enthält.
Orhan T. liess sich den Entscheid nicht bieten und legte Beschwerde ein. Gegenüber der «Luzerner Zeitung» erklärte der 60-Jährige: «Es macht keinen Sinn, Ausländern wegen Sekundenschlaf am Steuer die Einbürgerung zu verweigern, obwohl dies Schweizern nicht seltener passiert. Ermüdung trifft alle gleich.»
Bundesgericht gibt Orhan T. recht
Sein Fall wurde nun vor dem Bundesgericht in einer öffentlichen Beratung verhandelt. Mit Erfolg für Orhan T.: Das Bundesgericht entschied, dass die ansonsten erfüllten Integrationskriterien im Gesamten zu betrachten seien und nicht rein schematisch hätte vorgegangen werden dürfen. Die Einbürgerung hätte nicht verweigert werden dürfen.
Jetzt liegt der Fall wieder beim SEM. Doch selbst wenn das Bundesgericht anders entschieden hätte: Am 11. August 2025 läuft die dreijährige Wartefrist ohnehin ab. Orhan T. hofft jedoch, mit seinem Fall anderen helfen zu können, sagt er zur «Luzerner Zeitung».
Der Fall von Orhan T. wirft Fragen auf, wie strikt Entscheidungsstrukturen sein sollten. Nach dem Entscheid ist das SEM nun aufgefordert, Wartefristen für Straftäter zu überprüfen.
* Name bekannt