Nachdem Luzerner Spital sie ignorierte – Anduena Rusiti (33) verliert Zwillingssohn Nelian (†1)
«Ich musste zusehen, wie er stirbt»

Der Bub Nelian (†1) ist im Luzerner Kantonsspital verstorben – drei Tage nach der ersten Untersuchung. Der Vorwurf der Mutter: Sie sei ignoriert und als hysterisch abgetan worden, so Anduena Rusiti (33) aus Baar ZG. Das Spital will nun eine neue Regelung einführen.
Publiziert: 00:48 Uhr
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Aktualisiert: vor 5 Minuten
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Anduena Rusiti (33) trauert um ihren Sohn Nelian (†1). Er starb, nachdem das Spital ihr kein Gehör geschenkt hatte.
Foto: Alessandro Perucchi

Darum gehts

  • Mutter verliert Sohn, nachdem Ärzte im Spital ihre Bedenken ignorieren
  • Sie wurde als hysterische Mutter abgetan.
  • Zentralschweizer Spital will Eltern nun mehr Mitspracherecht einräumen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Alessandro PerucchiReporter News

Zum Glück konnte sie in seinen letzten Minuten bei ihm sein. Anduena Rusiti (33) aus Baar ZG sagte ihrem Sohn: «Mami ist hier, keine Angst.» Und in dem Moment, als er gestorben ist, begann die Sonne wunderschön zu scheinen. Für Rusiti war klar: Ihr Sohn ist jetzt bei den Engeln. Sie hat erlebt, was keine Mutter jemals erleben will. Sie ist sich sicher: «Das hätte nicht passieren dürfen!» Und sie macht dem Luzerner Kantonsspital schwere Vorwürfe.

Denn immer und immer wieder sei sie von den Ärztinnen und Pflegern im Luzerner Kantonsspital abgewimmelt worden. Man habe ihr kein Gehör geschenkt und sie als hysterische Mutter abgetan.

Rusiti wurde 2023 unverhofft schwanger. Sie und ihr Mann hegten schon lange einen Kinderwunsch, doch es sollte zuerst nicht klappen. Dann auf einmal: Zwillinge. Nelian (†1) und sein Bruder kamen im Februar 2024 auf die Welt, rund zehn Wochen zu früh. Doch sie entwickelten sich prächtig: «Ein riesiges Geschenk!» Während sein Bruder ein kleiner Wirbelwind ist, war Nelian immer ruhig und so liebenswürdig. «Ein richtiger Engel», sagt Rusiti unter Tränen zu Blick.

Eineiige Zwillinge nacheinander krank

Anfang Februar dieses Jahres erkrankte Nelians Bruder. Er hatte plötzlich hohes Fieber und Husten. Später wird klar: Es sind unter anderem die Grippe, später kam eine bakterielle Infektion dazu. Dann entwickelte auch Nelian ähnliche Symptome. «Das war schon immer so», so Rusiti. Wenn Nelians Bruder erkrankte, ging es einige Tage, dann hatte Nelian dasselbe. «Als eineiige Zwillinge verbringen sie die ganze Zeit miteinander.» Sie ging mit den beiden ins Luzerner Kantonsspital – dort wurden sie auch geboren.

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Anduena Rusiti (33) aus Baar ZG ist untröstlich. Sie wird Nelian (†1) nie mehr in den Armen halten können.
Foto: Alessandro Perucchi

Während der Bruder stationiert wurde, schickten die Ärzte Nelian zuerst wieder nach Hause. Er habe nur Fieber, hiess es. Doch schon am nächsten Tag ging es ihm deutlich schlechter. Die Mutter fuhr mit ihm erneut ins Spital, wo er widerwillig aufgenommen wurde. Die Ärzte beschwichtigten: Es sei alles gut.

Spital habe alles in seiner Macht Stehende getan

Nelians Zustand verschlechterte sich zusehends. Die Mutter weinte und flehte die Ärztinnen an, etwas zu tun. Sie und ihr Mann waren inzwischen
selbst an der Grippe erkrankt. Zu Blick sagt sie: «Sie haben mich als hysterisch abgetan und sagten, sie wüssten, was sie tun.» Erst als die Sauerstoffsättigung im Blut von Nelian fiel, wurde gehandelt. Bis zu diesem Zeitpunkt hörten die Ärzte nie auf die Mutter. «Doch dann war es schon zu spät», sagt die untröstliche Mama. «Sein Herzschlag wurde immer langsamer.» Sie musste zusehen, wie er starb. Am 9. Februar 2025. «Genau eine Woche nach seinem ersten Geburtstag.»

Blick hat das Luzerner Kantonsspital konfrontiert. Dessen Sprecher schreibt: «Das Behandlungsteam des Spitals hat alles in seiner Macht Stehende unternommen, um das Leben von Nelian zu retten.» Leider habe die Erkrankung einen besonders schweren und ungewöhnlich raschen Verlauf genommen.

«Ich will nicht, dass jemand so etwas erleben muss»

Dass das Spital alles «in seiner Macht Stehende» unternommen habe, zweifelt Rusiti an: «Ich wurde einfach nie angehört. Die Ärzte hätten viel früher reagieren müssen!» Die trauernde Mutter wolle nicht das Spital angreifen, aber auf die Missstände aufmerksam machen. «Ich will nicht, dass jemand sonst so etwas erleben muss.»

Rusiti ist leider nicht die erste Mutter, der das passiert ist. Vor rund einem Jahr starb etwa der zweijährige Sohn von Gajaana A. (31) aus Grenchen SO. Gemäss den Ärzten an einer Grippe. Die Mutter sagte damals zu Blick, dass sie nicht gehört wurde. Genau wie Rusiti.

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Aus diesem Grund hat Rusiti sich an Martin Stocker gewendet. Er leitet das Kinderspital im Luzerner Kantonsspital. Sie schrieb ihm: «Dass ich so lange um Hilfe gerufen habe und niemand kam und ich vertröstet wurde, hinterlässt bei mir so viel Schmerz!» Und: «Ich dachte, ich sei am richtigen Ort, doch kam es mir vor, als lasse man mich leiden!»

Neue Regel in Zentralschweiz gibt Eltern Mitspracherecht

«Es tut mir unendlich leid, dass wir Nelian nicht retten konnten», schreibt Martin Stocker in seiner Antwort. Er sei an einer Ärztekonferenz in England gewesen. Dort gibt es eine neue Regelung. «Martha’s Rule», also Marthas Regel, wurde eingeführt, weil Martha (†13) verstorben ist. Die Eltern von Martha haben wie Rusiti berichtet, dass ihre Hilferufe nicht erhört wurden.

Mit Marthas Regel sollen Eltern und Familienmitglieder neu jederzeit die Möglichkeit haben, eine Untersuchung des Kindes von einem anderen Team anzufordern. Stocker schreibt weiter, dass er für das Kinderspital im Luzerner Kantonsspital dasselbe fordern wird. «So hoffe ich, dass wir etwas aus Ihrem furchtbaren Schicksal lernen können», schliesst Stocker. Anfang Juli werde im Spital über die beste Art der Umsetzung diskutiert. Bald darauf soll die neue Regel eingeführt werden.

Das ist ein wichtiger Schritt. Anduena Rusiti begrüsst ihn, sagt aber auch: «Die Regel muss in der ganzen Schweiz eingeführt werden!» Sie ist überzeugt, dass damit Kinderleben gerettet werden können. Doch für Nelian kommt Marthas Regel leider zu spät.

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