Filmproduzent Karl Spoerri (51) hat zusammen mit Nadja Schildknecht (51) das Zurich Film Festival gegründet und zum Erfolg geführt. Nun sorgt er für Schlagzeilen in ganz anderer Sache: Er legt sich mit der Schweizer Kulturpolitik an. Der Grund: die Schweizer Filmförderung. Der Anlass: Sein Filmprojekt «Switzerland» mit Regisseur Anton Corbijn (69) erhielt nach dem Bundesamt für Kultur nun auch von der Zürcher Filmförderung eine Absage.
Im Gespräch mit Blick sagt Karl Spoerri: «Es handelt sich um ein internationales Projekt mit Oscarpreisträgerin Helen Mirren und Shootingstar Alden Ehrenreich. Mir geht es um die Zukunft des Filmstandorts Schweiz: Wenn grosse, internationale Projekte hier drehen wollen, dann müssen wir die Filmförderung flexibler gestalten und sie mehr als Wirtschafts- und Standortförderung verstehen.»
Südkoreaner lieben Iseltwald BE, seit es in der Netflix-Serie «Crash Landing on You» am türkisblauen Brienzersee knisterte. Frankreichs First Lady Brigitte Macron (71) hatte in der Netflix-Serie «Emily in Paris» einen Gastauftritt; seit Hauptfigur Emily einen dauerhaften Umzug nach Rom in Erwägung zieht, ist die Hassliebe zwischen Italien und Frankreich um eine Episode reicher. Drehorte sind ein wichtiger Tourismus-Faktor. Karl Spoerri ist überzeugt: Künstlerischer Anspruch und Wirtschafts- und Standortförderung sind keine Widersprüche, sondern gehen Hand in Hand.
Klar ist: Wegen der hohen Kosten in der Schweiz braucht die Filmbranche Subventionen. Der britische Regisseur Nick Hamm (67) drehte dieses Jahr etwa seinen Wilhelm Tell in Südtirol und in Rom. Oliver Stone (78) zeigte 2010 in «Wall Street II» ein Fake-Zürich mit roten Trams – gedreht in Prag. Auch die Zürcher Szenen von «Die Bourne Identität» (2002) stammen aus der tschechischen Hauptstadt. Dreharbeiten für «House of Gucci» mit Lady Gaga (38) fanden nicht in St. Moritz GR statt, sondern im italienischen Aostatal.
Fake-Schweiz im Ausland
Spoerris Projekt «Switzerland» handelt von der US-Amerikanerin Patricia Highsmith (1921–1995), Autorin der legendären «Der talentierte Mr. Ripley»-Romane. Um Steuern zu sparen, zog Highsmith 1981 ins Tessin. Ihr Grab in Tegna TI gilt als Pflichtstation für Highsmith-Fans aus aller Welt. Spoerri wollte Stationen aus Highshmiths Leben in der Schweiz drehen. «Wir wollten Zürich, die Alpen und das Tessin in all seiner Schönheit zeigen und keine Fake-Schweiz im Ausland drehen», sagt Spoerri. Mit den Absagen vom Bundesamt für Kultur (200'000 Franken) und bei der Zürcher Filmstiftung (300'000 Franken) werde das in der Schweiz nun schwierig.
«Unsere englischen Partner haben entschieden, das Haus von Highsmith in Tegna, den Bahnhof in Locarno und das berühmte Verzascatal mehrheitlich in Italien und Grossbritannien zu drehen», sagt Spoerri. «Wir werden in Zürich nur noch sehr wenig machen können, vielleicht zwei oder maximal drei Drehtage. Damit verlieren wir die Möglichkeit, den Film als Schweizer Koproduktion und als Schweizer Film zu realisieren. Und damit verlieren wir ein Projekt mit starkem Schweiz Bezug und reale ökonomische Investitionen von 1,75 Millionen Franken. Vom Tourismus-Effekt ganz zu schweigen. Das ist schade!»
Kritik an der Schweizer Filmförderung
Spoerri fordert von Kulturministerin Elisabeth Baume-Schneider (61), über die Bücher zu gehen. Ähnlich wie in Österreich oder in den skandinavischen Ländern brauche es in der Schweizer Filmförderung mehr Spielraum. Das würde es erlauben, Filme mit grösseren Budgets in der Schweiz zu drehen. «Nur so werden wir als Filmland Schweiz mehr Publikum bekommen und international an Relevanz gewinnen.»
Auch kritisiert Spoerri, dass Jurys in der Filmförderung zu viel Macht hätten: «Die orientieren sich an administrativen Regeln und nicht am Publikum und Markt. Am Ende übernimmt niemand Verantwortung. Man versteckt sich hinter einem anonymen Punktesystem. Es wäre besser, wir hätten eine starke Intendanz, die mutige Entscheidungen trifft und dafür den Kopf hinhält.» Spoerri sagt, er kenne «herausragende Talente, die gerne mehr in der Schweiz drehen würden. Doch das Filmland Schweiz hat den Ruf, dass es nahezu unmöglich ist, grössere Produktionen umzusetzen – nicht zuletzt aufgrund der starren Strukturen, die dringend aufgebrochen werden müssen.»
Das Bundesamt für Kultur will besser kommunizieren
Und was sagt Kulturministerin Baume-Schneider? Sie verweist auf Nadine Adler Spiegel (47), Co-Leiterin für Sektion Film im Bundesamt für Kultur. Adler Spiegel zu Blick: «Unsere Mittel sind begrenzt, wir können nicht alles fördern, was wir gerne fördern würden.» Allerdings werde sich die Schweizer Filmförderung ändern, kündigt Adler Spiegel an. Filmförderung solle vom Kino aufs Audiovisuelle ausgeweitet werden, also auch auf Serien oder Virtual-Reality-Formate. Details sollen im Januar bei den Solothurner Filmtagen vorgestellt und 2026 in Kraft treten.
Mehr Formate, aber nicht mehr Geld? Macht sie die Kino-Branche damit nicht erst recht hässig? Adler Spiegel: «Kunst ändert sich, die Nutzungsgewohnheiten ändern sich auch. Audiovisuelle Kunst findet nicht nur im Kino statt.» Kritik am Jury-System weist Adler Spiegel zurück: «Kein System ist perfekt, aber ein Jury-System hat viele Vorteile.» Trotzdem solle der Begutachtungsprozess reformiert werden. Details will Adler Spiegel nicht verraten, nur so viel: «Jurys sollten ihre Entscheidungen künftig besser begründen.» Die Hoffnung: weniger Frust, mehr Dialog und mehr Lernkultur.