Winterthurer Pöbelpolizist vor Gericht
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Video geht viral:Autofahrer von Winterthurer Polizist angegriffen

Vor dem Bezirksgericht Zürich
Winterthurer Pöbel-Polizist kassiert Busse für Ausraster

Der Winterthurer Polizist Alfredo G.* (47) steht heute vor dem Bezirksgericht Zürich. Er fühlt sich ungerecht behandelt. Vor zwei Jahren wurde er gefilmt, wie er einen Automobilisten gestoppt, beschimpft und bedroht hatte. Er wird in allen Punkten schuldig gesprochen.
Publiziert: 03.09.2021 um 13:37 Uhr
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Aktualisiert: 03.09.2021 um 16:36 Uhr
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Der Winterthurer Polizist Alfredo G. muss sich für einen umstrittenen Einsatz rechtfertigen.
Foto: zvg
Beat Michel

«Ich habe überreagiert, das tut mir leid», sagt der ehemalige Winterthurer Stadtpolizist Alfredo G.* (47) vor dem Bezirksgericht Zürich. «Aber ich fühle mich ungerecht behandelt. Der Mann hat mich und meine Familie mit seinem Manöver massiv gefährdet. Darum wollte ich das vor Ort klären. Vieles wurde zu meinen Ungunsten überinterpretiert.»

Das Bekenntnis nützt dem Angeklagten nichts, das Gericht folgt der Staatsanwaltschaft in allen Punkten. Er ist schuldig der mehrfachen groben vorsätzlichen Verletzung der Verkehrsregeln, der Amtsanmassung, der Drohung, der mehrfachen Beschimpfung, der Tätlichkeiten. Er kassiert eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 120 Franken, eine Busse von 1500 Franken und muss dem Geschädigten 500 Franken Genugtuung und 6000 Franken Prozessentschädigung zahlen.

Der vorsitzende Richter begründet das Urteil mit der fehlenden Legitimation der polizeilichen Handlungen. «Ein Wechseln der Spur auf dieser stark befahrenen Strecke ist alltäglich. Es ist nervig, aber kein schweres Vergehen. Es rechtfertigt nicht im Geringsten dieses Verhalten. Selbst wenn der Lenker den Mittelfinger gezeigt hatte.»

Der Richter kritisiert das damalige Vorgehen des Ex-Polizisten scharf: «Als Autofahrer hat man zwischendurch eine Wut im Bauch, das kenne auch ich. Das muss man aber in den Griff bekommen. Ihr Rechtsüberholen und das Drängeln in die Lücke sprengt alles, was nachvollziehbar ist. Es war ein absoluter Fehltritt.»

Als strafmildernd sieht das Gericht, dass der Polizist gut erkennbar auf Video ins Internet gestellt wurde. Der Richter sagt: «Sie wurden dadurch stark betroffen.»

Polizist zeigte sich uneinsichtig

Im September 2019 hatte der Polizist mit seinem Auto den Familienvater Mustafa A.* (37) gestoppt und beschimpft. Bei der Befragung gibt sich der ehemalige Polizist nicht einsichtig. «Die mir vorgeworfenen zu kleinen Abstände stimmen nicht. Die Aufnahmen der Überwachungskameras sind unscharf», sagt er. «Ich habe niemanden gefährdet. Der Mann schwenkte so unmittelbar auf die Überholspur, dass ich kaum bremsen konnte. Dann zeigte er mir aus dem Fenster den Mittelfinger. Das ist eine krasse Beleidigung. Er hat mich auf das Massivste provoziert.»

Der Zürcher sieht ein, dass seine Wortwahl für einen Polizisten nicht korrekt war. «Ich liess mich gehen, ich würde das nicht mehr so machen», sagt er. Nur wenige Sekunden später aber erklärt er, warum das passiert ist und rechtfertigt sich: «Der andere hat mich auch mehrmals A****loch genannt.» Das Video sei so geschnitten worden, dass man nur seine Verfehlungen sehe, nicht die Provokationen des Lenkers im Citroën.

Hat wegen Video Probleme bekommen

Immer wieder dringt bei der Befragung durch, dass er aus seiner Sicht eigentlich fast alles richtig gemacht hatte. Es fallen die Sätze: «Zu dem Zeitpunkt war ich zu 100 Prozent sicher, dass ich das darf.» Oder: «Ich weiss nicht, was ich hätte anders machen können.»

Der Ex-Polizist auf der Anklagebank spricht vor allem über die Probleme, die er durch das im Internet veröffentlichten Video bekommen hatte. Er stellt sich als Opfer dar: «Ich habe meinen Job verloren, ich wurde zur Kündigung gezwungen», sagt er. «Ich muss den Anwalt selber zahlen, der Verband hilft mir nicht. Ich habe meine Reputation verloren.» Zudem seien sein Name und Telefonnummer veröffentlicht worden. Er sei massiv angefeindet worden. Habe Pakete erhalten. Man habe ihn erniedrigt.

«War ein hirnrissiges Manöver»

Der Staatsanwalt geht den damaligen Winterthurer Stadtpolizisten hart an. «Es geht ihm nicht in den Kopf, dass er selber für die Unannehmlichkeiten nach der Veröffentlichung verantwortlich ist. Er sieht keinen Fehler ein, tut sich nur selber leid». Das Gutachten zeige eindeutig, dass während dem Manöver die Abstände nicht eingehalten worden seien. Der Staatsanwalt sagt sogar: «Es war ein hirnrissiges Manöver. Sowohl nach hinten wie nach vorne wäre bei einer Vollbremsung ein Unfall unvermeidbar gewesen.»

Auch sieht er den Tatbestand der Amtsanmassung eindeutig erfüllt. «Das muss ein gewaltig gefährlicher Stinkefinger gewesen sein, dass sie da ausserhalb ihres Gebietes wegen einer Bedrohung polizeilich legal aktiv hätten werden können.»

Der Anwalt des Privatklägers macht seinerseits geltend, dass sein Klient durch die Aktion gelitten hat. Er sagt vor Gericht: «Er hat die Wohnung gewechselt, lebte in Angst, konnte Monate lang nicht mehr arbeiten. Er hatte Angst, weil ihn der Polizist bedroht hatte, er wisse wo er wohnt. Als geborener Tunesier ist er Polizeigewalt gewohnt und hatte darum echte Angst. Er war Monate in psychologischer Behandlung.»

«Es tut mir leid»

Weiter sagt er, dass sein Mandant gar nicht den Mittelfinger gezeigt habe. Auf keinem Video sei das zu sehen. Der Polizist sei einfach wegen dem Spurwechsel genervt gewesen. «Er ist sofort aufgesessen, hat lichtgehupt und zückte den Polizeiausweis.»

Der Anwalt des Verteidigers hielt sich kurz. Er sagt: «Mein Klient musste ihn stoppen. Er ging nach dem Polizeilehrbuch vor. Er musste Beweise sichern. Auch die Abstände zu den Autos seien nicht zu klein gewesen, darum sei er nur in einem Fall für grobe Verletzung der Verkehrsregeln mit 10 Tagessätzen zu bestrafen. Für Amtsanmassung, Nötigung, Beschimpfung und Tätlichkeiten sei er freizusprechen.»

Mit seinen letzten Worten vor dem Urteil entschuldigt sich Alfredo G. vor allem bei seinen Kindern. «Es tut mir leid, ich kann mich nicht in Tränen auflösen wie der Privatkläger. Aber ich weiss, ich habe vielen Menschen vor den Kopf gestossen, ich schäme mich auch vor meinen Kindern.»

*Name von der Redaktion geändert

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