Viele Schulen noch ohne Mobbing-Konzept – Expertin Bettina Dénervaud warnt
«Die Schule verschlimmbessert die Situation – zum Nachteil des Opfers»

Die Mobbing-Betroffenen Jesina und Fabian haben Blick über ihre Erfahrungen während der Schulzeit berichtet. Beiden Fällen gemein: Die Schule konnte nicht viel bewirken. Mobbing-Expertin Bettina Dénervaud weiss auch, warum.
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Schauspielerin und Influencerin Jesina Amweg (23)...
Foto: zVg

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Jesina Amweg (24) aus der Region Bern und Fabian Egger aus Zürich (27) sind in der Schule über Jahre übel gemobbt worden. In ihren Fällen konnten die Schulen nicht viel ausrichten. Ähnlich gehe es vielen Institutionen, sagt Bettina Dénervaud (49) von der Fachstelle Hilfe bei Mobbing zu Blick. 

Seit 2019 berät die selbständige Mobbing-Spezialistin Opferfamilien und Lehrpersonen. Und sie führt in betroffenen Klassen Mobbing-Interventionen durch. Sie weiss: «Manche Schulen haben bis heute kein Mobbing-Konzept. Andere wiederum haben ein Konzept, wenden die Theorie in der Praxis jedoch falsch an.» Das Resultat: «Die Schule verschlimmbessert die Situation – zum Nachteil des Opfers.»

Wovon Dénervaud dringend abrät: «Eine Schule sollte nicht aus einem Gefühl heraus Täter und Opfer zu einem Runden Tisch einladen. Viele Opfer haben solche Panik vor den Übeltätern, dass sie retraumatisiert werden könnten.» Sie stellt klar: «Man würde ja auch keine vergewaltigte Frau mit dem Täter an einem Tisch zusammenbringen!»

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Bitte keine Strafen!

Ein weiteres No-Go: Strafen und Sanktionen in den Mittelpunkt stellen. «Die erste Frage, die mir Opfer stellen, ist meistens: Wird jemand bestraft?», erklärt Dénervaud. «Der Grund: Sie ahnen, dass die Situation dadurch eskalieren kann. Was Mobbing-Opfer jedoch wollen: dass es endlich aufhört. Es geht ihnen nie darum, dass jemand bestraft wird.»

Die Lösung der Fachstelle: der «No Blame Approach». Dieser funktioniert ohne Schuldzuweisung, ohne Strafen oder Sanktionen. Stattdessen wird die Gruppendynamik durchbrochen und verändert. Denn: «Mobbing ist ein System mit einer eigenen Gruppendynamik, in dem alle eine Rolle spielen – auch die stillen Zuschauer!», erklärt die Fachfrau.

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Aktive Mithilfe

Die Methode des «No Blame Approach»: Lehrpersonen und Experten dienen als Moderatoren. Erst sprechen sie mit dem Kind, das gemobbt wird. Das Ziel: Herausfinden, wie es dem Kind geht.

Dann stellen die Moderatoren eine Unterstützergruppe zusammen: sechs bis acht Kinder etwa aus der Klasse, darunter auch beteiligte Täter und Zuschauer. Diese besteht rund zur Hälfte aus Kindern, die am Mobbing beteiligt waren. Das Opfer ist nicht dabei.

Die Gruppe bekommt einen klaren Auftrag: das Mobbing sofort stoppen. Alle werden als Helfer angesprochen – egal, was vorher war. Die zentrale Frage: «Was kann ich konkret und jetzt tun, damit es dem betroffenen Kind besser geht?»

Die Moderatoren führen durch das Gespräch, geben Struktur – und machen klar: Jede und jeder setzt eine konkrete Idee sofort um. Danach folgen kurze Nachgespräche, um Verbindlichkeit zu signalisieren. Und das funktioniert! Dénervaud: «In 85 Prozent der Fälle ist das Mobbing nach zwei Wochen vorbei.»

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