Taskforce-Chef Ackermann im Interview
«Wir müssen von 16 Ansteckungen etwa 7 verhindern»

In einem Interview sagt Taskforce-Chef Martin Ackermann, die bisherigen Massnahmen haben nicht ausgereicht, um die Corona-Zahlen in den Griff zu bekommen. Er begrüsst die Alleingänge der Kantone und lässt einen Mini-Lockdown prüfen.
Publiziert: 22.10.2020 um 10:00 Uhr
Im Wallis (im Bild die Staatsräte Christophe Darbellay, hinten, und Esther Waeber-Kalbermatten) wurden die derzeit striktesten Corona-Regeln der Schweiz eingeführt.
Foto: keystone-sda.ch
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Innert weniger Tage hat sich die Corona-Situation in der Schweiz stark verändert. Noch am Sonntag erliess der Bundesrat eher gemässigte Massnahmen, seither hat sich die Zahl der täglichen Fälle mehr als verdoppelt. Kantone reagieren und gehen weiter als der Bund verlangt. Im Wallis werden Clubs und Bars geschlossen, Basel-Stadt verbietet Grossveranstaltungen über 1000 Personen. Wie sinnvoll sind solche Alleingänge?

Martin Ackermann, Leiter der Taskforce des Bundes, begrüsst die Initiative der Kantone. In einem Interview mit «SRF» sagt er, die Zeit sei extrem knapp: «Das grösste und drängendste Problem im Moment ist die Kapazität der Intensivpflege. Wir sind heute noch etwa vier Verdoppelungen weg von der Kapazitätsgrenze bei den Intensivbetten. Das wäre beim jetzigen Tempo in etwa vier Wochen.»

«Es wurde schwerer, Ansteckungsketten zu unterbrechen«

Ackermann sagt, dass die Entwicklung «nicht völlig unerwartet» kam. «Wir haben seit Anfang Juni ein exponentielles Wachstum der Epidemie in der Schweiz. Manchmal war es ziemlich langsam, aber es wurde dann Anfang Oktober viel schneller.»

Der Taskforce-Chef gibt zu, dass die damals beibehaltenen Massnahmen nicht ausgereicht haben: «Da sind wohl zwei Dinge geschehen. Erstens wurde es kühler, die Leute haben sich mehr drinnen aufgehalten. Zweitens waren die Fallzahlen schon hoch. Es wurde immer schwerer, gezielt Ansteckungsketten zu unterbrechen.»

«Infektionen reduzieren Konsum und Investitionen»

Um die Zahlen zu reduzieren, wird derzeit viel über einen sogenannten Mini-Lockdown gesprochen. Ackermann sagt, man würde diese Idee analysieren. «Worauf unsere Experten aber immer wieder hinweisen: Wenn sich die Infektionen weiter ausbreiten, reduziert dies Konsum und Investitionen, unabhängig davon, ob ein Lockdown angeordnet wird. Das müssen wir bei unseren Überlegungen miteinbeziehen.»

Ein Lockdown sei allerdings «das letzte Mittel». Derzeit gehe es darum, Massnahmen anzuwenden welche die Situation unter Kontrolle bekommen könnten. «Das heisst: Wir müssen von 16 Ansteckungen etwa 7 verhindern. Im Moment stecken 10 infizierte Personen 16 weitere an. Diese Zahl müssen wir unter 10 bringen. Das ist eine grosse Reduktion», sagt der ausserordentlicher Professor für molekulare mikrobielle Ökologie am Institut für Biogeochemie und Schadstoffdynamik der ETH Zürich im Interview mit «SRF».

«Blindflug bei Daten über Ansteckungen»

Um dies zu erreichen, will Ackermann die Kontakte zwischen Menschen reduzieren. «Überall: im Geschäftsleben, im Privatleben, in der Freizeit.» Auch eine Reduktion der Veranstaltungen und Veranstaltungsgrössen hält der Taskforce-Chef des Bundes für «wirkungsvoll». Dies habe sich im Frühjahr gezeigt.

Man wisse nun, welche Massnahmen wirkungsvoll sind, beispielsweise Masken. Oder auch, dass Treffen in Innenräumen besonders grosse Risiken mit sich bringen. Trotzdem gibt es für Ackermann noch einige Baustellen: «Wo wir immer noch im Blindflug sind, ist bei den Daten über die Ansteckungen. Das ist auch eine Konsequenz der hohen Fallzahlen. Die Kontaktverfolgung ist für die Kantone im Moment sehr schwierig.» (vof)

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