Sonnentempler-Morde schockierten in den 90ern die Schweiz
Sie wollten der Welt scheinbar entfliehen – und mordeten dabei grausam

Vor 31 Jahren erschütterten die Schweiz grauenvolle Massenmorde. In der Nacht zum 5. Oktober 1994 fielen 48 Menschen Ritualmorden des Ordens der Sonnentempler zum Opfer. Doch die Machenschaften der Sekte hatten globales Ausmass und sollten noch lange nicht enden.
Publiziert: 28.07.2025 um 19:47 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/14
Im Gebäude, besonders in den unterirdischen Sektenräumen fand man 23 Tote aus der Sonnentempler-Sekte.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Sonnentempler-Sekte verübte Massenmorde in den 1990er-Jahren in mehreren Ländern
  • Gurus Di Mambro und Jouret führten despotisch, bereicherten sich am Sektenvermögen
  • Insgesamt 74 Tote, die meisten gingen nicht freiwillig in den Tod
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Sandra_Marschner_Praktikantin News_Ringier Blick_1-Bearbeitet.jpg
Sandra MarschnerRedaktorin News-Desk

Wer steckte hinter den Sonnentemplern?

Der Orden der Sonnentempler (Ordre du Temple Solaire) wurde in den 1980er-Jahren von den Gurus Joseph Di Mambro (1924–1994) und Luc Jouret (1947–1994) gegründet. Die Weltuntergangssekte lebte eine diffuse Mischung aus okkulten, mystischen und esoterischen Ideen aus – verbunden mit christlichen Lehren, mittelalterlichen Sagen und Astrologie.

Ableger hatte die Sekte in der Schweiz, Kanada und weiteren Ländern. Zunächst erschien die Sekte als eine Art Kommune, die mit Bio-Lehren ihr eigenes Gemüse anbaute. Doch der Glaube der Sekte an einen Weltuntergang sollte in immer exzessivere Abgründe fallen.

An der Spitze der Sekte: Guru Luc Jouret. Der Belgier widmete sich seit den 1970er-Jahren esoterischen Lehren und «Wunderheilungen», die er zu einem eigenen Endzeitglauben verwob. Als charismatischer Redner überzeugte der selbstbezeichnete homöopathische Doktor in seinen Ansprachen und Lehren viele, insbesondere Frauen. 

Das finanzielle «Hirn» der Sekte: Guru Joseph Di Mambro. Der Frankokanadier war früh in seinem Leben von Spiritismus fasziniert und versuchte sich als Heiler. Anfang der 80er-Jahre traf er auf Jouret und fühlte sich im Endzeitgedanken mit ihm verbunden.

Beide regierten die Sekte despotisch. Während die Sektenmitglieder ein karges Leben führen mussten, bereicherten sich die Gurus am Einkommen und an Spendengeldern der Sekte. Sie führten ein dekadentes Leben im Luxus. Bestehende Eheverhältnisse zwischen Sektenmitgliedern lösten die Gurus sie durch selbst gewählte «kosmische Ehen» auf, sodass sie Frauen auch sexuell ausnutzen konnten.

1994: Tatort Kanada

Ende September 1994 reiste der Freiburger Sonnentempler Joel Egger (†35) im Auftrag von Guru Di Mambro nach Kanada in die Stadt Morin Heights in eines der Sektenhäuser. Gemeinsam mit einer Komplizin erstach Egger dort ein schweizerisch-britisches Ehepaar und deren dreimonatiges Baby. Die Tat ereignete sich am 30. September. 

Das Ehepaar solle gegen Ordensregeln verstossen haben, das Baby erklärte Di Mambro gar zum «Antichristen». Blick zitierte damals Michel Burnet von der Polizei in Quebec: «Das Baby hatte sechs Stichwunden im Herz und mindestens 20 innere Schnittverletzungen. Das bedeutet, der Killer muss das Messer im Babykörper immer wieder gedreht haben. Das Herz war in mehrere Teile zerschnitten.» Auf den Vater wurde 50 Mal eingestochen, die Brüste der Mutter verstümmelt, da daran der «Antichrist» gestillt worden sei. 

Egger und seine Komplizin reisten zurück in die Schweiz. Zwei weitere Sonnentempler blieben im kanadischen Haus, nahmen Drogen ein, setzten am 4. Oktober per Zeitzünder das Sektenhaus in Brand und begangen damit Suizid. 

1994: Tatort Freiburg

Nur wenig später forderte der Orden der Sonnentempler weitere Opfer ein. Dieses Mal in der Schweiz, im 270-Seelen-Dorf Cheiry FR. In der Nacht auf den 5. Oktober, kurz nach Mitternacht, stand ein Bauernhof in Flammen. Den Besitzer fand man erschossen und mit einem Plastiksack über dem Kopf in seinem Bett. Nach stundenlanger Suche entdeckte man unter dem Gebäude verborgene Räume.

Hinter einer Geheimtür bot sich ein Bild des Grauens: 22 weitere Leichen, die meisten kreisförmig angeordnet, lagen auf dem Boden der Kulträume. Einige hatten Plastiksäcke über dem Kopf oder Kugeln im Schädel. Manche trugen Kultgewänder oder waren an den Händen gefesselt. Unter den Toten war auch ein 10-jähriges Kind.

Man hatte sie betäubt und anschliessend hingerichtet. Mehrere Brandsätze mit Zeitzündern hätten alle Spuren beseitigen sollen – doch hier versagte zum Teil der perfide Plan. In einem Nebenraum konnten Unterlagen der Sonnentempler sichergestellt werden. 

1994: Tatort Wallis

Drei Stunden nach dem Fund brannte es wieder in der Schweiz. Diesmal im Walliser Dorf Les-Granges-sur-Salvan. Drei Chalets standen in Flammen, darin befanden sich weitere 25 Tote. Man hatte sie eingeschläfert, mit einer tödlichen Mischung auf Basis von Morphin und dem Pfeilgift Curare.

Blick zitierte damals Feuerwehrkommandant und Vize-Gemeindepräsident Pierot Jacquier: «Ich musste mich fast übergeben. Den Anblick der Toten werde ich nicht so schnell vergessen. Die meisten lagen friedlich nebeneinander im Bett.» Unter den Toten befanden sich auch die Gurus Jouret und Di Mambro sowie der Sonnentempler Egger. 

Zahlreiche Schriftstücke und Videoaufnahmen der Sonnentempler wurden an beiden Tatorten gefunden und monatelang gesichtet. Unter anderem ein Video, das Di Mambro selbst anfertigte, berichtete Blick 1995. Darin filmte Di Mambro die Leichen seiner Ehefrau und seiner 12-jährigen Tochter, die ebenfalls beim Sektenmord im Wallis umkamen. Zudem kamen weitere vier Kinder beim Massenmord ums Leben. 

Die Täter

Die langwierigen Ermittlungen brachten schliesslich die Vollstrecker der Massenmorde zutage: Jouret, Egger und ein bis zwei Helfer. Der Drahtzieher hinter den perfiden und lang geplanten Vorbereitungen: Di Mambro. Die Täter hatten ihre Opfer zu einer spirituellen Feier in Cheiry eingeladen, bei der sie ihnen Schlafmittel und Gift in Drinks verabreichten. 

Plastiksäcke über dem Kopf oder Schüsse sollten das Ende schnell bereiten. Die Mordwaffe, aus der die Schüsse in Cheiry stammten, wurde in einem der Walliser Chalets gefunden. Die Täter waren nach der Hinrichtung in Cheiry ins Wallis gefahren, um dort die nächsten Opfer niederzustrecken.

Eine grausame Erkenntnis: Von den insgesamt 53 Toten in der Schweiz und Kanada folgten nur 15 freiwillig in den Endzeittod. 38 Menschen hingegen waren ermordet worden. Die Gurus lehrten der Sekte, dass die Welt ihnen feindlich gesinnt sei und sie dieser entfliehen müssten. Daher wurde alles für den sogenannten «Transit» vorbereitet: Eine Reise zum Stern Sirius – die Begründung für die Kultmorde. Zeitlich fanden die Taten zu besonderen astronomischen Sonnenständen statt.

Was war das Motiv?

Ende Oktober 1994 berichtete Blick über die Aussage eines überlebenden Sektenmitglieds in Kanada. Dieses deutete an, dass es Spannungen innerhalb des Ordens der Sonnentempler gegeben habe. Der kanadische Zweig habe sich abspalten wollen, da die Gurus Jouret und Di Mambro dem Luxusleben und der Sexbesessenheit gefrönt hätten.

Auch in der Schweiz soll es Auseinandersetzungen innerhalb der Sekte gegeben haben. Bis heute konnte das Motiv hinter den Gräueltaten nicht abschliessend geklärt werden. Fielen die 53 Menschen schlussendlich nicht nur dem Endzeitglauben zu Opfer, sondern gerieten dazu in blutige Machtkämpfe innerhalb der Sekte? Die grausamen Massenmorde sorgten international für Schlagzeilen. Teil der Berichterstattung waren immer wieder Diskussionen über den Status von Sekten im Rahmen der Religionsfreiheit. 

1995: Tatort Frankreich

Ein Jahr später schlugen die Sonnentempler wieder zu. In einer Senke im Wald über dem Ort Saint-Pierre-de-Chérennes (F) bei Grenoble fand man 16 kreisförmig angeordnete und verkohlte Leichen, darunter drei Kinder. Zwei französische Polizisten waren unter den Toten. Zuvor hatte man sie der Mittäterschaft bei den Massenmorden in der Schweiz verdächtigt, jedoch freigelassen. 

In der Nacht des 15. auf den 16. Dezember 1995 erschossen einer der beiden sowie ein Gehilfe die Opfer mit Dienstwaffen. Zuvor hatte man die Opfer wieder mit Medikamenten und Giften betäubt. Darauf zündeten die Täter die Leichen an und richteten sich selbst. 

Blick berichtete damals über mögliche Thesen, dass eventuell weitere Täter geflüchtet sein könnten. Verhaftet werden konnte bei den gesamten Sonnentempler-Massenmorden jedoch nie jemand. Nur der Genfer Orchesterleiter Michel Tabachnik wurde in Frankreich wegen seiner Verbindungen zur Sekte angeklagt. Mittäterschaft konnte ihm jedoch nicht nachgewiesen werden – er wurde deshalb 2001 freigesprochen.

1997: Tatort Kanada

In der kanadischen Gemeinde Saint-Casimir kamen am 22. März 1997 fünf Sonnentempler im Haus des Schweizer Biobauen Didier Quèze um – sie wollten sich auf die Endzeitreise aufmachen. Auch hier wurde die Tat akribisch mit Zeitzündern und Brandsätzen geplant.

Nur die drei Kinder des Biobauern überlebten – die Eltern hatten ihnen zuvor Schlafmittel ins Essen gegeben und wollten, dass die gesamte Familie der Welt «entschwinde». Doch die Kinder konnten sich ihr Leben erbetteln und kurz vor der Tat fliehen. Ihre Eltern, die Grossmutter und zwei weitere Erwachsene wählten hingegen den Freitod.

Das beliebteste Quiz der Schweiz ist zurück.
Jetzt im Blick Live Quiz abräumen

Spiele live mit und gewinne bis zu 1'000 Franken! Jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag ab 19:30 Uhr – einfach mitmachen und absahnen.

So gehts:

  • App holen: App-Store oder im Google Play Store
  • Push aktivieren – keine Show verpassen

  • Jetzt downloaden und loslegen!

  • Live mitquizzen und gewinnen

Das beliebteste Quiz der Schweiz ist zurück.

Spiele live mit und gewinne bis zu 1'000 Franken! Jeden Dienstag, Mittwoch und Donnerstag ab 19:30 Uhr – einfach mitmachen und absahnen.

So gehts:

  • App holen: App-Store oder im Google Play Store
  • Push aktivieren – keine Show verpassen

  • Jetzt downloaden und loslegen!

  • Live mitquizzen und gewinnen

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?