Zwei Monate nach dem Mord in Bad Ragaz
«Wir halten die Angst nicht mehr aus und verkaufen den Zoo»

Noch immer ist der Mord im Zoo von Bad Ragaz SG ungeklärt. Barbara Capol, Leiterin des Tierparks, lebt seitdem in Angst.
Publiziert: 16.11.2012 um 12:01 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 18:20 Uhr
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Zoodirektor Mario Capol (65). Der «Leopard»-Zoo ist sein Lebenswerk.
Foto: Leonardo Gagliardi
Von Patrik Berger, Marlene Kovacs

Seit dem brutalen Mord an Metzger Harry L.* († 46) sind zwei Monate verstrichen. Seine Leiche wurde am 10. September im Keller des Zoo «Leopard» in Bad ­Ragaz SG aufgefunden. Trotz umfangreicher Ermittlungen tappt die ­Polizei noch immer im Dunkeln. Der zweifache ­Vater lebte seit Anfang Jahr getrennt von Frau und Kindern, bewohnte ein Zimmer auf dem Zoo-Gelände (BLICK berichtete).

Barbara Capol (52), die mit Ehemann Mario (65) den Zoo «Leopard» führt, kann sich nicht erklären, weshalb Harry L. sterben musste. Sie und ihr Mann fanden ihn damals. Tot, in seinem Blut. «Ich bekomme diese Bilder nicht mehr aus meinem Kopf», sagt Barbara Capol. «Harry war wie ein Sohn für uns. Es ist unerträglich zu wissen, dass sein Mörder frei herumläuft.»

Barbara Capol hat nur ­einen Wunsch: «Dass die ­Polizei den Täter endlich verhaftet! Wir halten die Angst nicht mehr aus. Bei jedem Geräusch schrecken wir hoch», sagt sie unter Tränen.

Die Capols haben einen schweren Entscheid gefasst. Sie wollen jetzt ihren Zoo samt 150 Tieren und Restaurant verkaufen – nach über 30 Jahren. «Der Tod von Harry hat uns auch die Freude an der Arbeit genommen.» Das Ehepaar zerbricht sich den Kopf über den Mord.

«Harry war so hilfsbereit, er hat in der Freizeit im Service ausgeholfen. Oder die Tiger gefüttert. Er war ein fröhlicher Mensch. Es ist ruhig geworden ohne ihn hier auf dem Zoo-Gelände.»

Feinde hatte Harry L. keine – davon ist Barbara Capol überzeugt. «Von Schulden weiss ich auch nichts. Wenn ich ihm einmal 100 Franken geben wollte für die Mithilfe, hat er immer abgelehnt.»

Die letzten Erinnerungen an den Metzger sind präsent, als wäre das Verbrechen erst gestern geschehen. «Harry hat an jenem schönen Sonntag Zoo-­Tickets verkauft und den Grill bedient, wir hatten viele Gäste. Nach der Arbeit haben wir zusammen grilliert und etwas getrunken. Es war ein friedlicher Abend. Um 20.30 Uhr haben wir uns schlafen gelegt.»

Gehört hat die Wirtin nichts in der Tatnacht. Für sie ist aber klar, was passiert sein muss. «Wir schliessen die Türen immer ab. Der Killer muss geklingelt oder Harry angerufen ­haben. Dann hat er seinem Mörder die Tür geöffnet – und wurde sofort attackiert», glaubt Barbara Capol. «Schon bei der Türe war alles voller Blut. Harry muss in den Keller geflohen sein. Dort hat ihn der Unbekannte brutal ermordet.»

Zoodirektor Mario Capol entdeckt am Morgen die Blutspur. Er folgt ihr in den Keller – und sieht den toten Harry. «Mein Mann hat geschrien. Ich bin sofort zu ihm. Da lag der Harry. Auf der Seite. In einer grossen Blut­lache.»

Täglich denken Barbara und Mario Capol an Harry L. «Es ist schwierig, in einem Haus zu ­leben, wo ein lieber Mensch ermordet wurde. Alles erinnert uns an ihn. Es tut weh, unser ­Lebenswerk und all die Tiere zurückzu­lassen. Aber wir können einfach nicht mehr.»

* Name der Redaktion ­bekannt

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